RadEntscheid begrüßt Polizeibericht zur RÜ
KFZ-Verkehr reduzieren!

Tägliches Ärgernis für Radfahrende: Im Stau auf der "Fahrradstraße" RÜ | Foto: Christian Horn
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  • Tägliches Ärgernis für Radfahrende: Im Stau auf der "Fahrradstraße" RÜ
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Ein Jahr nach der Einrichtung der Fahrradstraßenachse B auf der Rüttenscheider Straße fand im Spätsommer des Jahres 2021 eine weitere Verkehrsuntersuchung zum Ist-Zustand auf der Rüttenscheider Straße statt. Diese sogenannte Evaluation wurde zum einen durch das mit der Planung der Achse B beauftragte Verkehrsingenieurbüro durchgeführt. Zum anderen beteiligte sich die Essener Polizei mit einer eigenen Untersuchung an der Analyse des Ist-Zustandes.
In diesem Zusammenhang nahm die Polizei Messungen zur Verkehrsbelastung und zur Einhaltung der dort zulässigen Geschwindigkeit vor. Sie ergänzte diese Zahlen durch Einschätzungen zu den Aspekten Überholabstände und Lieferverkehr und die für die Rüttenscheider Straße charakteristische Auto-Poser-Kultur.

In ihrer Stellungnahme formuliert die Polizei Essen eindeutig die aus Perspektive der Verkehrssicherheit ungenügende Ist-Situation für den Radverkehr:
- Trotz Corona-Pandemie und Sommerferien zählte sie über 133.000 Kraftfahrzeugbewegungen und zahlreiche Geschwindigkeitsübertretungen.
- Sie stellte fest, dass der Lieferverkehr regelmäßig auf der Fahrbahn parkt und den fließenden Verkehr dadurch erheblich beeinträchtigt.
- Weiterhin stellte die Polizei fest, dass Radfahrende auf der Rüttenscheider Straße von Kraftfahrzeugfahrenden oft riskant und rücksichtslos überholt werden, obwohl die Fahrbahnbreite und der vorgeschriebene Überholabstand von mind. 1,5 m (bzw. 2,0 m im Fall von Kindern) dort ein Überholen grundsätzlich verbietet.
In der Folge kommt die Polizei zu sehr klaren Schlüssen, was zu tun ist, um den Anforderungen an eine Fahrradstraße sowie an eine sichere Radverkehrsführung gerecht zu werden. Sie fordert aus verkehrspolizeilicher Sicht geeignete verkehrslenkende und -regelnde Maßnahmen und schlägt dazu die Erwägung und Prüfung folgender Punkte vor:
- Abbiegegebote an bestimmten Einmündungen/Knoten
- Gegenläufige Einbahnstraßenregelungen
- Verkehrsverbote (temporär) für den Kfz-Verkehr (z. B. Halteverbote)
- Einrichtung von (physischen) modalen Filtern

Aus der Sicht des RadEntscheid Essen und zahlreicher Menschen, die auf der Fahrradstraßenachse B mit dem Rad unterwegs sind, können wir die fachlich fundierten Forderungen der Polizei nur unterstützen. Allem voran die Empfehlung zu einer deutlichen Reduzierung des Durchgangsverkehrs, zu der im übrigen auch das Verkehrsingenieurbüro rät. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Durchgangsverkehr auf der Achse von 2020 bis 2021 nochmals erhöht hat, sehen wir hier dringenden Handlungsbedarf und die Notwendigkeit von maximal effektiven Maßnahmen, die über schlichte Abbiegegebote hinaus gehen.

Mit Blick auf die dramatischen Ergebnisse der Evaluation stehen wir fassungslos davor, dass die Verwaltung die Ergebnisse – die eine gravierende Gefährdung des Radverkehrs dokumentieren – bewusst zurückgehalten hat und die Veröffentlichung erst erfolgte nach Vor-Ort-Demonstrationen und Anfragen über das Informationsfreiheitsgesetz. Anstatt endlich aktiv zu werden, verschiebt die Verwaltung weitere Überlegungen weit ins Jahr 2022 und fordert neue Untersuchungen der Ist-Situation durch die Polizei. Das ist nicht nur völlig unverantwortlich, sondern zeigt in der Summe eine Verwaltung, die ihre eigenen Beschlüsse und die des Stadtrates zu den Zielen des RadEntscheid, zum Modalsplit-Ziel von 4x25 Prozent bis 2035 und ihre Absicht, eine Mobilitätswende zu gestalten, boykottiert.

Das beginnt bereits bei den gesetzlichen Grundlagen, die für die Einrichtung von Fahrradstraßen gelten: sowohl die Evaluation wie auch das Gutachten der Polizei zeigen, dass die gängige Praxis der Verwaltung, Fahrradstraßen uneingeschränkt für den Kraftfahrzeugverkehr freizugeben, die Sicherheit des Radverkehrs untergräbt. Die jetzige Praxis ignoriert somit die Vorgabe der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, die vorsieht, in Fahrradstraßen nur ausnahmsweise anderen Fahrzeugverkehr zuzulassen und diesen ggf. maximal auf zum Beispiel Anlieger- oder Lieferverkehr zu beschränken.

Darüber hinaus sehen die Ziele des RadEntscheid vor: “Bei unverträglichen Verkehrsmengen werden Kfz-Durchgangsverkehre in Fahrradstraßen und -zonen unterbunden.” Diese Ziele hat der Rat der Stadt Essen im Sommer 2020 unter anderem mit den Stimmen der CDU-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Die heutige schwarz-grüne Koalition sollte sich an ihren eigenen Beschluss gebunden fühlen.
Nicht zuletzt ergibt sich eine Verpflichtung zu handeln noch aus einem weiteren Umstand. Mit der Einrichtung der Fahrradstraße auf der Rüttenscheider Straße wurde von Anfang an die Einrichtung von Abbiegegeboten als Minimalmaßnahme empfohlen und gefordert. Doch die damalige (und heutige) Verwaltungsspitze Oberbürgermeister Thomas Kufen sprach sich dagegen aus. Damals hieß es: “Wir evaluieren die Ist-Situation nach einem Jahr und reagieren dann.”

Das Jahr war um, die Evaluation fand statt, ihr Ergebnis ist eindeutig. Spätestens jetzt muss die Stadt die damals empfohlenen und inzwischen – erneut klar belegt – dringend notwendigen Maßnahmen umgehend realisieren. Nicht nur ihre eigenen Beschlüsse zwingen sie dazu, sondern in erster Linie ihre Verantwortung für die Verkehrssicherheit der Essener Bürger*innen. Es kann nicht sein, dass die Verwaltungsspitze die zugrunde liegenden juristischen Rahmenbedingungen und die Zahlen und Fakten der Evaluation noch länger ignoriert.

Der RadEntscheid Essen fordert deshalb ein sofortiges Handeln der Verwaltung, um die Situation des Radverkehrs auf der Fahrradstraßenachse B dauerhaft und nachhaltig zu verbessern und damit für die notwendige Sicherheit der Verkehrteilnehmenden dort Sorge zu tragen. Weiterhin fordern wir die Verwaltung auf, eine bestmögliche Reduzierung des Durchgangsverkehrs anzustreben und sich nicht mit der unzureichenden und unkontrollierbaren Lösung der Abbiegegebote zufrieden zu geben. Wir erwarten darüber hinaus eine intensive Kontrolle der geltenden Geschwindigkeitsbeschränkung sowie insbesondere eine Kontrolle der dort generell nicht zulässigen Überholvorgänge und des Parkens in zweiter Reihe.

Wir erinnern gern noch einmal an die Aufbruchsstimmung, die mit dem RadEntscheid einher ging – nicht nur in der Stadtgesellschaft, sondern auch in der Politik und Verwaltung. Wir möchten dazu ermutigen, jetzt diesen Aufbruch auch mit wegweisenden und konsequenten Maßnahmen einzuleiten.
Das Schreiben der Polizei kann hier eingesehen werden:
fragdenstaat.de/anfrage/das-schreiben-der-polizei-zur-unterstutzung-der-einrichtung-eine r-fahrradstrae/652292/anhang/BerichtFahrradachseB_geschwaerzt.pdf

Autor:

Claudia Harfst aus Essen-West

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