Deniz Yücel bei der lit.Ruhr
"Ich war Erdogans Nachbar"
Ein Leben zwischen Demokratie und Nichtdemokratie, zwischen Freiheit und Nichtfreiheit - das erlebte der Journalist Deniz Yücel, als Korrespondent für die Welt in Istanbul. 368 Tage war er mit dem Vorwurf der Terrorpropaganda im Hochsicherheitsgefängnis Silivri 80 Kilometer vor den Toren Istanbuls inhaftiert. Seine Erlebnisse hielt er in seinem Buch "Agentterrorist" fest. Bei der lit.Ruhr laß Yücel am heutigen Sonntagabend auf Zeche Zollverein in Essen aus eben diesem Buch vor. Zudem gab er spannende Einblicke in seine Gefühlswelt, wie es dazu kam, dass er mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayip Erdogan Tür an Tür lebte und wie er es schaffte; im Gefängnis heimlich Erlebnisberichte zu verfassen.
Das Salzlager auf Zeche Zollverein war bis auf den letzten Platz gefüllt. Alle wollten ihn sehen: Deniz Yücel. Gespannt lauschten die 300 Besucher den Worten des 46-Jährigen. "Sowohl meine Inhaftierung als auch meine Freilassung waren rechtswidrig", begann Yücel die Lesung. Ihm ist es wichtig, dass seine Geschichte erzählt wird - auch wenn ihm das nicht leicht fällt. "In zwei Jahren soll die Geschichte weiter erzählt werden, aber nicht von mir. Ich will mit dem Thema abschließen."
Zum Staatsfeind geworden
In einem zweistündigen Vortrag schilderte Yücel, wie er überhaupt erst zum türkischen Staatsfeind wurde. "Ich habe bei Pressekonferenzen in Istanbul kritische Fragen gestellt." Genau deshalb wurde er bereits einmal inhaftiert, kam aber bereits nach kurzer Zeit wieder frei. Ernster wurde es dann, als Präsident Erdogan sechs Journalisten per Haftbefehl suchen ließ, unter anderem Yücel. Der Vowurf lautete Terrorproganda. Erdogan nannte Yücel fortan Agentterrorist. "Ab dem Zeitpunkt htte ich ein mulmiges Gefühl gehabt", gesteht Yücel. In seiner Wohnung im Istanbuler Stadtteil Besiktas konnte er fortan nicht mehr leben.
Unterschlupf im Generalkonsul
In Absprache mit seinem Arbeitgeber, der Welt, kontaktierte er das auswertige Amt und fand im Generalkonsul Unterschlupf. "Dieses steht direkt neben der Villa Huber. Das ist der Wohnsitz von Erdogan", sagte Yücel. "Wenn ich vor der Hecke im Garten stand, habe ich immer vorgestellt, Erdogan stehe auf der anderen Seite. Eine komische Situation", wie Yücel beschreibt. Noch skuriler wurde es dann, als Yücel Erdogans W-LAN-Netzwerk angezeigt bekam. "Rückblickend muss das wohl auch für Erdogan eine selstsame Situation gwesen sein."
Die Inhaftierung
Dort fand Yücel Unterschlupf, bis er sich der Polizei meldete. "Ich hattes es satt mich zu verkriechen, obwohl ich nichts gemacht hatte." Sattdessen wollte er für die Pressefreiheit kämpfen.
Doch es kam dramatisch. "Ich hätte mir nie ausgemalt, dass es so kommt", beschreibt Yücel die 368 Tage in türkischer Gefangenschaft. "Ich habe Angst oder schlechte Gefühle im Gefängnis trotzdem nie zugelassen." Doch das fiel nicht leicht. In neun Tagen konnte er ganze zwei Mal duschen. Was ihn aufbaute: Das schreiben. "Bei der Visite eines Arztes klaute ich ihm seinen Stft und schrieb heimlich Briefe, die ich aus dem Gefängnis schmuggelte." Dabei handelte es sich unter anderem um den am 26.02.2017 in der Welt am Sonntag erschienen Bericht.
Bücher signiert
Abschließend bedankte sich Yücel bei allen Unterstützern der #freedeniz Kampagne. "Die Briefe haben mir im Gefängnis Mut gegeben. Ich denke die Aktion hat mir und der Pressefreiheit geholfen."
Am Ende der Veranstaltung hinterließ Yücel staunende Besucher, denen der Journalist noch sein Buch signierte.
Autor:Christian Schaffeld aus Oberhausen |
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