Essener SPD-Landtagsabgeordnete besuchen Jüdische Kultusgemeinde
Grundrecht Glaubensfreiheit
Die Bilder gingen um die Welt: Am Abend des 12. Mai zieht ein wütender Mob vor die Gelsenkirchener Synagoge und brüllt antisemitische Parolen. Aus Wut über die erneute Eskalation im Nahostkonflikt wird Hass, der sich nicht vor politischen Institutionen, sondern vor einem Haus des jüdischen Glaubens mitten im Ruhrgebiet entlädt. In Bochum und Bonn kommt es zu Anschlägen auf Synagogen, in Hagen wird ein Mann mit Israelflagge bedrängt und beschimpft.
Unter dem Eindruck dieser erneuten antisemitischen Ausbrüche direkt vor der Haustür besuchten die Essener SPD-Landtagsabgeordneten Britta Altenkamp, Thomas Kutschaty und Frank Müller die Jüdische Kultusgemeinde Essen in ihrem Gemeindezentrum an der Sedanstraße. Im rund zweistündigen Gespräch mit den Gemeindevorständen Schalwa Chemsuraschwili und Volodymyr Kleyn sowie Vorstandsassistentin Angélique Bongard ging es neben der aktuellen bedrückenden Situation für die jüdische Gemeinde auch um die Folgen aus dem Anschlag auf die Synagoge im vergangenen November sowie um die Herausforderungen der Corona-Pandemie für das Gemeindeleben.
Jenseits von Sonntagsreden
„Wir möchten Ihnen auch jenseits von Landtags- und Sonntagsreden unsere uneingeschränkte Solidarität aussprechen. Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz haben – egal aus welcher Richtung er kommt. Die freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut und muss gewährleistet sein. Ebenso steht es jedem frei, die Politik eines Staates zu kritisieren. Wer dazu jedoch vor eine Synagoge zieht und Unbeteiligte allein aufgrund ihres Glaubens mit unsäglichen Parolen beschimpft, der ist kein Kritiker, sondern Antisemit. Es ist eine Schande, dass wir uns in diesem Jahr mehr über aktuellen Antisemitismus unterhalten müssen, als über 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, so Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.
Normales Gemeindeleben nicht möglich
Schalwa Chemsuraschwili, Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde schildert die aktuelle Situation der Gemeinde: „Ich kann nicht verhehlen, dass unsere Mitglieder sehr verängstigt sind. Seit dem Anschlag im November ist das klar zu spüren und wird durch die aktuellen Ereignisse noch verschärft. Nach den Krawallen in Gelsenkirchen hat der Staatsschutz unsere Synagoge mit mehreren Einsatzwagen gesichert. Das ist auch ein Resultat der Ereignisse aus dem Jahr 2014. Wir danken den Behörden für diese konsequente und beherzte Präsenz hier bei uns in Essen. Dennoch ist klar, dass von einem „ganz normalen“ Gemeindeleben derzeit nicht die Rede sein kann.“
"Mit Geschichtsunterricht allein wird
Antisemitismus nicht zu beseitigen sein.
Es braucht eine gesamtgesellschaftliche
Kraftanstrengung."
Als Reaktion auf den Anschlag im November 2020, bei dem ein Mann eine schwere Steinplatte auf eine Scheibe der Synagoge warf und sich Zutritt zu verschaffen versuchte, hat die Gemeinde den Bau eines Sicherheitszauns rund um Synagoge und Gemeindehaus beantragt.
Schlüssel in der Bildungsarbeit
„Es ist ein bedauernswertes Zeichen, dass die Jüdische Gemeinde zu solchen Schritten gezwungen ist. Beim Bau der Neuen Synagoge war es ein erklärtes Ziel die Transparenz und Offenheit in Richtung Stadt auch baulich zu spiegeln. Es sollte uns allen als Gesellschaft zu denken geben, dass dies für Institutionen des jüdischen Glaubens in unserer Zeit offenbar nicht uneingeschränkt möglich ist“, erklärt Britta Altenkamp. Für Frank Müller liegt ein Schlüssel zur Verbesserung dieser Situation in der Bildungsarbeit: „Wir werden landespolitisch darauf hinwirken, dass die finanzielle Förderung für interkulturellen Austausch verstetigt und weniger abhängig von einzelnen Projekten wird. Mit Geschichtsunterricht allein wird Antisemitismus nicht zu beseitigen sein. Es braucht eine gemeinsame gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung und einen stetigen Austausch und finanziell gut ausgestattete Institutionen, die diesen organisieren. Klar muss aber auch sein, dass wir als Staat und Gemeinwesen deutlich und unmissverständlich sind: Hass und Intoleranz werden nicht geduldet und müssen dann auch klare und spürbare Konsequenzen haben.“
Solidarität der Generationen
Bei aller Ernsthaftigkeit ob der aktuellen Ereignisse gab es auch Positives zu berichten. So hat sich die Solidarität zwischen den Generationen innerhalb der jüdischen Gemeinde in der Pandemie deutlich verfestigt, man habe viel Hilfsbereitschaft erfahren und blicke optimistisch in die Zukunft. In dieser strebt die Jüdische Kultusgemeinde unter anderem an, ein Gemeindezentrum mit Kindertagesstätte, Jugendzentrum und betreutem Wohnen zu errichten. Für dieses Vorhaben sicherten die Essener SPD-Landtagsabgeordneten volle Unterstützung zu.
Autor:Lokalkompass Essen aus Essen-West |
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