Diakonie
Gespräch über Migration und Religionen einst und heute

Vor der Gesprächsrunde führte der Bochumer Theologe Prof. Traugott Jähnichen (Mitte) Pfarrer i.R. Andreas Volke (li.) und Diakoniepfarrer Andreas Müller durch die Wanderausstellung "Migration und Religionen im Ruhrgebiet". | Foto: Kirchenkreis Essen/Stefan Koppelmann
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  • Vor der Gesprächsrunde führte der Bochumer Theologe Prof. Traugott Jähnichen (Mitte) Pfarrer i.R. Andreas Volke (li.) und Diakoniepfarrer Andreas Müller durch die Wanderausstellung "Migration und Religionen im Ruhrgebiet".
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Anlässlich der Wanderausstellung über Migration und Religionen im Ruhrgebiet, die zurzeit in unserer Marktkirche zu sehen ist, trafen sich Mitglieder der im Initiativkreis Religionen in Essen (IRE) zusammengeschlossenen Religionsgemeinschaften zu einem engagierten und offenen Austausch: Welche Bedeutung hat die Religion für die Integration zugewanderter Menschen, früher und heute?

Wer nach Antworten auf diese Frage sucht, sollte in die Geschichte des Ruhrgebiets blicken: Vorurteile bestimmen das Gespräch zwischen Religionsgemeinschaften, interkonfessionelle Hochzeiten sind tabu, Mitglieder aus zugewanderten Denominationen bleiben lieber unter sich, Kinder sollen nur nach den eigenen religiösen Vorstellungen erzogen werden, Freidenker machen sich für eine Kirchenaustrittsbewegung stark – seit Generationen ist das Zusammenleben von „Alteingesessenen“ und „Zugezogenen“ in dieser Region von Konflikten mit starken religiösen Bezügen geprägt. Auf der anderen Seite entstehen immer wieder neue, wunderbare Kooperationen, die nicht nur die betroffenen religiösen Gemeinschaften verändern, sondern auch die Gesellschaft insgesamt. Auch davon erzählt die Ausstellung.

Berührende Erfahrungsberichte

Nach der Begrüßung durch Diakoniepfarrer Andreas Müller und einer Einführung von Ausstellungskurator Traugott Jähnichen, Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum, moderierte Andreas Volke eine offene Gesprächsrunde. In berührenden Worten sprachen Moslems, Bahai, Sikhs, evangelische und katholische Christinnen und Christen über ihre Begegnungen mit der jeweils fremden Religion. Sie berichteten von Missverständnissen und Ungerechtigkeiten, von Ängsten und Verletzungen, die Beziehungen belasten und sogar ein ganzes Leben prägen können. Aber eben auch von neuen Netzwerken, der Erfahrung von Freundschaft, gegenseitigem Verständnis und Respekt.

Zweifellos lassen sich frühere Konflikte mit heutigen Problemen, die durch Zuwanderung entstehen, nur bedingt vergleichen. Zu unterschiedlich sind die Motive, ist allein schon das Kommunikationsverhalten: Communities sind heute mindestens ebenso stark durch den Austausch über digitale Medien geprägt wie durch die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft. Auch die Art und Weise, wie Identitäten gebildet werden, hängt heute von anderen, oft ganz neuen Faktoren ab.

Am Ende aber ist es immer noch so: Wir kommen nicht mit Vorurteilen und Feindbildern auf die Welt, sie sind weder gottgegeben noch gottgewollt. Sie entstehen im Laufe des Lebens und können ebenso wieder überwunden werden, zum Beispiel durch eine gute Bildung, durch vielfältige Begegnungen, durch einen guten Unterricht, durch positive Vorbilder.

Religiöse Gemeinden bieten Schutz und Orientierung

Trotz der weiter fortschreitenden Säkularisierung spielen religiöse Gemeinden dabei eine wichtige Rolle. Indem sie zugewanderten Menschen Schutz und Orientierung in der neuen, zunächst als unübersichtlich wahrgenommenen Heimat anbieten, erleichtern sie das Ankommen, das Zur-Ruhe-Kommen. Was es daneben vor allem braucht, damit „aus Fremden Nachbarn werden“, sind Zeit, Gelassenheit und Geduld. Auch wenn nicht alles schon in unserer Generation gelingt, sondern erst in der nächsten.

Ideelle Anknüpfungspunkte für ein besseres, friedliches und von Toleranz und Achtung getragenes Zusammenleben lassen sich in der Geschichte und den grundlegenden Texten jeder der hier vertretenen Religionen finden. Und ebenso gibt es immer wieder Menschen, die Verantwortung übernehmen, Kontakte aufbauen und Begegnungen initiieren; fast alle Gemeinden bieten die dafür nötigen Räume. Weil wir alle ein Teil dieser Gesellschaft sind, könnten wir selbst schon morgen damit anfangen, uns anschließen oder zumindest mitziehen lassen, anstatt das Mantra der Verweigerung und Ablehnung vor uns herzutragen: Ihr seid hier nicht gewollt!

Zweites Bürger*innengespräch am 1. Juni

Die Wanderausstellung „Migration und Religionen im Ruhrgebiet“ ist Teil der Veranstaltungsreihe "#AUSLIEBE - 100 Jahre Diakonie in Essen" und kann bis zum 16. Juni montags bis samstags von 12 bis 18 Uhr in der Marktkirche besichtigt werden. Ein weiteres Bürger*innengespräch findet am 1. Juni statt: Dann geht es u.a. mit Oberbürgermeister Thomas Kufen und Fachanwältin Nizaqete Bislimi-Hošo um die Frage „Migration in Essen – wohin führt der Weg?“

Autor:

Stefan Koppelmann aus Essen

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