Reichspogromnacht in Essen am 9. November 1938
Erinnerung und Mahnung

Die Predigt in der Ökumenischen Gedenkandacht der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen hielt der alt-katholische Pfarrer Frank Ewerszumrode. | Foto: Kirchenkreis Essen/Alexandra Roth
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  • Die Predigt in der Ökumenischen Gedenkandacht der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen hielt der alt-katholische Pfarrer Frank Ewerszumrode.
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„Bei Gott ist keine Seele unvergessen“ lautete die Überschrift für eine ökumenische Andacht zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht 1938, zu dem die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Essen (ACK Essen) am 9. November in die alt-katholische Friedenskirche, eingeladen hatte.

"Die Erinnerung ist wichtig, gerade jetzt, wo die letzten Überlebenden und die letzten Augenzeug*innen der schrecklichen Ereignisse sterben", sagte Frank Ewerszumrode, Pfarrer der Alt-Katholische Kirche Essen, in seiner Predigt über Jesaja 49,14-15. "Wir dürfen niemals vergessen, was unseren älteren Geschwistern, den Jüdinnen und Juden, angetan worden ist. Am 9. November zündeten die Schergen eines menschenverachtenden Regimes die jüdischen Gotteshäuser an, auch hier die Synagoge direkt nebenan, während in dieser Kirche ein deutsches Christentum gepredigt wurde."

Wehret den Anfängen!

Gleichzeitig rief der Theologe dazu auf, entschieden und engagiert auf Verletzungen der Menschenwürde in unserer Zeit zu reagieren: "Wehret den Anfängen! Gerade heute, wo jeder Mensch in den sozialen Netzwerken seine Gedanken äußern kann, wo *Fakten* manchmal einfach erfunden werden und wo die Hemmschwelle zu Hetze, Verunglimpfung und Hass sehr niedrig zu sein scheint, muss leider wieder gesagt werden: Vergesst nicht, wie der Hass auf jüdische Menschen angefangen hat. Wehret diesen kleinen, augenscheinlich unscheinbaren Anfängen, damit nicht wieder Menschen unnötig leiden oder sogar getötet werden."

Jeder Mensch solle hier in Deutschland leben können, ganz gleich welcher Religion und welchem Volk er angehöre, betonte der Pfarrer. "Auch deswegen dürfen wir nicht vergessen, was unsere jüdischen Geschwister, unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erleben mussten - was Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten im Namen einer rassistischen Ideologie, die das eigene Volk an die erste Stelle setzte, an Leid über ganz Europa gebracht haben. Auch wenn es lange her ist, auch wenn viele es nicht mehr hören können, dürfen wir all das nicht vergessen - und zwar, damit all das nicht noch einmal geschieht."

Damit all das nicht noch einmal geschieht

Die Gestaltung übernahmen Vertreter der antiochenisch-orthodoxen Gemeinde, der neuapostolischen Kirche und der alt-katholischen Gemeinde in Essen. Für die Musik sorgte ein Gesangsensemble der neuapostolischen Kirche. Im Anschluss bestand die Möglichkeit zum Besuch der Gedenkveranstaltung, die die Stadt Essen in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Kultus-Gemeinde Essen in die Alte Synagoge, Haus jüdischer Kultur, ausrichtete. Den vollen Wortlaut der Predigt finden Sie auf der Homepage des Kirchenkreises Essen als PDF-Datei.

Borbeck-Vogelheim: Junge Menschen säuberten Stolpersteine

Auch in anderen Stadtteilen fanden Gedenkveranstaltungen mit kirchlicher Beteiligung statt. Mit einem Spaziergang zu den Stolpersteinen im Stadtteil erinnerten die Jugendhäuser CoffeeCorner und Café Nova der Evangelischen Kirchengemeinde Borbeck-Vogelheim an die Schrecken der Reichspogromnacht 1938 und die Opfer des Nationalsozialismus. Unter dem Motto „Über die Geschichte stolpern“ wurden nacheinander mehrere der kleinen, goldenen Gedenktafeln besucht, die der Künstler Gunter Demnig in ganz Deutschland auf Straßen und Plätzen vor den einstigen Wohnorten von Menschen verlegt, die den Gräueltaten der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. „Gemeinsam mit euch möchten wir uns einige dieser Stolpersteine, die uns im Alltag oft ganz beiläufig begegnen, genauer anschauen und wieder neu zum Glänzen bringen“, hatten die Organisatoren zur Teilnahme eingeladen.

Kray: Gedenkfeier am Engel der Kulturen

Texte, Musik, Erinnerung und Mahnung standen im Mittelpunkt einer Gedenkveranstaltung, mit der die Initiative „Kray ist bunt“, ein Zusammenschluss von religiösen, kulturellen und sozialen Organisationen aus dem Stadtteil, beim Engel der Kulturen auf dem Krayer Markt an die Opfer der Reichspogromnacht 1938 erinnerte. „Das Unrecht und die Gewalt gegen jüdische Menschen in unserer Stadt und in unserem Land, die fürchterlichen Folgen des Vernichtungskrieges und die Ermordung von Millionen von Jüdinnen und Juden im Einflussbereich der Nationalsozialisten – all das bleibt unvergessen und bleibt Mahnung, so etwas nie wieder zuzulassen“, erklärten die Organisatoren, zu denen auch die Evangelische Kirchengemeinde Kray zählt. Für die musikalische Gestaltung sorgte der „Chor gegen rechts“.

Steele: Gedenken auf dem Kaiser-Otto-Platz

„Ver-ACHTUNG“ lautete die Überschrift für eine Gedenkveranstaltung, mit der der Runde Tisch Essen-Steele auf der Bühne am Kaiser-Otto-Platz an die Opfer der Reichspogromnacht 1938 erinnerte. Junge Menschen aus dem Carl-Humann-Gymnasium, der Erich-Kästner-Gesamtschule und den Moscheegemeinden des Stadtteils wirkten an der Gedenkfeier mit, berichtete der frühere Assessor des Kirchenkreises Essen, Pfarrer i.R. Heiner Mausehund. Im Anschluss legten die Teilnehmenden an der Gedenktafel, die auf die einstige Steeler Synagoge am Isinger Tor hinweist, weiße Rosen nieder. Für die Musik sorgte Michael Lux (Trompete).

Kettwig: Gedenkfeier

In Kettwig erinnerten die Kirchengemeinden mit einer Gedenkfeier in der evangelischen Kirche am Markt an die Gräuel der Reichspogromnacht und die Opfer des Nationalsozialismus. Im Anschluss führte ein gemeinsamer Gang zu einigen Stolpersteinen im Stadtteil und zum Gedenkstein, der an die ehemalige Synagoge im Ortsteil Vor der Brücke erinnert. Bei der Freien evangelischen Gemeinde klang der Abend aus.

Hintergrund: Die Reichspogromnacht am 9. November 1938

In der sogenannten Reichspogromnacht kam ein beispielloser, vom nationalsozialistischen Staat getragener Antisemitismus zum Ausdruck, dem bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Millionen europäischer Juden zum Opfer fallen sollten. Am Abend des 9. November 1938 und auch am Folgetag steckten SA- und SS-Trupps in Deutschland 1.200 Synagogen an; in Essen wurden die heutige Alte Synagoge sowie die Synagogen und Gebetssäle in Steele, Werden und Kettwig und das jüdische Jugendheim verwüstet.

Überall wurden jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger geschlagen, verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet, ihre Geschäfte geplündert, Wohnungen zerstört und Friedhöfe geschändet. Eine aufgebrachte Menschenmenge stimmte den Gräueltaten der NS-Schergen in dieser Nacht jubelnd und johlend zu. Andere wieder nahmen schweigend, gleichgültig oder hilflos hin, was sich vor ihren Augen an Menschenverachtung abspielte.

Autor:

Stefan Koppelmann aus Essen

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