Bei Dieter Weber dreht sich vieles ums Bild - "Abbruch und Aufbruch in Essen"
Fotogenes aus Borbeck
Dem Aufruf, unsere Serie "Abbruch und Aufbruch in Essen" mit Bildern zu bereichern, kam auch Dieter Weber nach. Auf dem Gelände der Firma Krupp hat er intensiv fotografiert, damals als die alten Hallen abgebrochen, die freien Flächen gerodet und die Brücken demontiert wurden. Viel zu viele sehenswerte Ansichten für eine Folge der Serie, daher hier ein "Einzelstück" über Dieter Weber.
Der Essener wurde nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1940 geboren, kurz bevor die Alliierten die "Krupp-Stadt" als Waffenschmiede des Deutschen Reiches ins Visier ihrer Bombenangriffe nahmen.
"Unser Kinderspielplatz waren die Trümmer der zerbombten Häuser. Absperrungen oder Security waren Fremdwörter für uns", beschreibt Weber die Nachkriegszeit. In der Jugendzeit gab es für ihn noch keinen Kontakt zur Fotografie, "die Sorgen der Menschen waren auf wichtigere Dinge fokussiert."
Die Dame mit der Kamera
Dabei blieb es bis 1960. Ein bedeutungsvolles Jahr für den nun 20-Jährigen. "Ich lernte ich eine junge Dame kennen, mit der ich mich anfreundete. Sie besaß eine Agfa Click, eine sogenannte Fotobox für Rollfilm. Zwölf Fotos in der Größe 6 x 6 Zentimeter waren möglich. Die Box hatte zwei Einstellungen, eine für Sonne und eine für Wolken. So begann mein steiler Aufstieg in die Fotografie", schmunzelt Weber.
Bei einem Zoobesuch in Gelsenkirchen entstanden die ersten Tierfotos, die man heute noch im Familienalbum bestaunen kann, "und mit der jungen Dame bin ich seit mittlerweile 56 Jahren verheiratet".
Einige Jahre später erstand Dieter Weber auf eine Auktion eine Dacora Kleinbildkamera. Das Interesse an der Fotografie wuchs nun beständig, so dass bald die erste Spiegelreflex folgte: "Es wurde weiter schwarz-weiß fotografiert, da die Farbfotografie in dieser Zeit viel zu teuer war."
Es folgten unter anderem eine eigene Dunkelkammer, der Beitritt zu einer Fotogruppe, Beteiligungen an Fotowettbewerben und Ausstellungen sowie 2004 die Gründung der Gruppe "Fotogen in Borbeck", beheimatet in der dortigen Alten Cuesterey.
Großes Interesse an den alten Relikten
"2005 begann ich mit den ersten Aufnahmen auf dem Gelände der ehemaligen Krupp-Werke. Warum mein Interesse dafür so groß war weiß ich nicht, vielleicht lag es an dem Unterbewusstsein der Nachkriegszeit. Als ThyssenKrupp beschloss, die neue Hauptverwaltung wieder zurück nach Essen zu verlegen, wurde das Gelände eingezäunt und bewacht. Fotografieren war dort in der Folge verboten. Da mein Interesse an den alten Relikten groß war, sprach ich beim Unternehmen vor und wir bekamen freundlicherweise eine schriftliche Genehmigung zum fotografieren", blickt Dieter Weber 15 Jahre zurück.
Fruchtbare Freundschaft
Während er sich der analogen Fotografie in schwarz-weiß bediente, widmete sich sein Sohn Carsten der aufblühenden Digitalfotografie. So wurde der Ort gemeinsam beackert, analog und digital, ohne und mit Farbe. Bis etwa 2009 durchstreiften die Webers das riesige Areal.
"Im Laufe der Zeit freundete ich mich mit den Hausmeister der Titanhallen an. Dort wurden die berühmten Krupp Titan-LKW hergestellt. Die Hallen wurden später als Trödelhallen genutzt und durch Brandstiftung zerstört. Durch den Hausmeister hatten wir auch Zugang zu weiteren verschlossenen Gebäuden. Die Heizkraftwerke 1 und 2 gaben tolle Motive ab. Der Unterschied der beiden zeigte den schnellen Aufstieg der Firma Krupp in kürzester Zeit. HKW1, ein relativ kleines Gebäude mit einem ebenso kleinen Generator, und das riesige Gebäude HKW2, circa 31 Meter hoch mit einem Kamin von etwa 100 Metern Höhe. Vom Dach des HKW2 konnte man tolle Panoramafotos machen", erzählt Weber.
Nach dem Abbruch folgte der Aufbruch mit den Arbeiten am Berthold-Beitz-Boulevard. Nun gingen die Aktivitäten der beiden Webers in die andere Richtung. Neu geknüpfte Kontakte zu den Polieren der verschiedenen Baufirmen machten Aufnahmen hinter und unter den Arbeitsfeldern möglich. Fotos etwa im 20 Meter tiefen Schacht, wo Abflussrohre mit einem Durchmesser von bis zu 2,30 Meter unterirdisch verpresst wurden.
"Bei den Ausgrabungen am BBB wurde auch ein Bunker aus Weltkriegszeiten freigelegt. Schon am Folgetag war er verfüllt, vermutlich auch, um keine Neugierigen anzulocken. Mein Glück: Ich war vor Ort und konnte das festhalten", sagt Dieter Weber. Fotos aus diesen Tagen zeigen die unterbrochene Altendorfer Straße, die unter anderem zum Zwecke des Abrisses von Brücken und Stützwänden voll gesperrt war.
Kein Interesse bei ThyssenKrupp
"Leider fanden unsere Bilder bei ThyssenKrupp wenig Interesse. Meine Vorstellung der Bilder in der Villa Hügel fand nur ein sehr bescheidenes Echo. Ein´großzügiges Angebot´von 300 Euro für alle Negative entlockte mir nur ein müdes Lächeln. So fristen sie heute ihr Dasein in eingelagerten Negativhüllen und als hochauflösende Scans in einer Bildergalerie im Netz", schließt Weber.
Unter www.fotogen-borbeck.de/Krupp und Krupp2 können sich Interessierte diese beeindruckende Dokumentation ansehen. Die Gruppe "Fotogen in Borbeck", trifft sich alle 14 Tage donnerstags in der Alten Cuesterey, Weidkamp 10, in Borbeck. Dort ist jeder Fotografiebegeisterte gerne gesehen.
Autor:Marc Keiterling aus Essen |
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