Tobias Kammer von der UNESCO-Schule wurde prämiert
Ein ausgezeichneter Lehrer
„Mein stellvertretender Schulleiter rief an, an einem Freitagnachmittag. Ich dachte nur, was habe ich denn jetzt wieder verbrochen?“ Tobias Kammer ahnte wirklich nichts. Das Geheimnis ist gelöst: „Die Urkunde kam gestern per Post.“
Tobias Kammer ist Lehrer für Pädagogik und Französisch an der UNESCO-Schule Essen und wurde in den exklusiven Kreis der „ausgezeichneten Lehrkräfte“ berufen. Heraeus Bildungsstiftung und Deutscher Philologenverband küren die besten Lehrer Deutschlands, eine ehemalige Schülerin hatte ihn ohne sein Wissen zum Wettbewerb angemeldet: „Herr Kammer hat seine Berufung im Lehrberuf gefunden. Als engagierter Lehrer beeindruckt er nicht nur seine Schüler, sondern auch seine Kollegen. Für ihn sind seine Schüler nicht nur eine Liste von Noten, sie sind einzigartige Menschen, welche individuelle Förderung verdienen, selbst in schlechten Zeiten.“
Da muss der Pädagoge doch schmunzeln: „Und dann wurde ich wirklich aus 5.000 Vorschlägen ausgewählt. Da habe ich mich sehr gefreut.“ Das Preisgeld von 500 Euro geht an den Förderverein der UNESCO-Schule, Ehrensache. Kammer freut sich schon auf ein Treffen in einem halben Jahr, wenn alle Preisträger zusammen kommen werden. Denn er sei ja nur Einer von Vielen: „Die Aufmerksamkeit tut meinem Beruf gut. Wir formen schließlich die Gesellschaft der Zukunft. Das hat Anerkennung verdient.“
Chancengleichheit
1984 in Bochum geboren, verbrachte Tobias Kammer seine Jugend in Brüssel, ging dort auf die Deutsche Schule. Zum Studium ging es nach Essen. Er blieb, der Liebe wegen. Seine Stefanie ist Ur-Borbeckerin, die Familie lebt in Borbeck, vor drei Monaten wurde das dritte Kind geboren. Der Lehrerausbildung am Kettwiger Theodor-Heuss-Gymnasium folgte die Stelle an der UNESCO-Schule. Ein Aufbaugymnasium, das Schüler anderer Schulformen aufnimmt, die ihr Abitur machen wollen. Kammer lächelt: „Wir sind ein Unikum in der Essener Schullandschaft.“ Mit dem Brustton der Überzeugung gibt er zu Protokoll, dass hier Chancengleichheit gelebt werde: „Ein ehrenvolles Ziel, finde ich. Wir wollen begabten und befähigten Schülern den Weg ebnen.“
Und zwar mit modernsten Mitteln: „Letztes Jahr habe ich mit Kollegen eine digitale Hilfeseite erstellt.“ Methodentrainings wurden entwickelt und unter „Abi go!“ kostenfrei ins Netz gestellt. Dort angesprochene Themen: „Ziele erkennen, sich selbst motivieren, komplizierte Texte erfassen, Klausur- und Prüfungsängsten begegnen.“ Ihn hätten so viele Hilferufe von Schülern aus ganz Deutschland erreicht, dass er in den Osterferien 2021 Online-Intensiv-Trainingsseminare angeboten habe, selbstredend kostenfrei: „Mit 150 teilnehmenden Schüler, die ich überhaupt nicht kannte, habe ich über Piaget und Montessori gesprochen. Das war schön.“
Bei YouTube aktiv
Tobias Kammer ist auch bei YouTube aktiv. Zu seinem Fach Pädagogik startete er den Kanal „SmartWärts“, wo er die Theorien aus dem Unterricht erklärt. Die Clips haben teils sperrige Titel wie „Kritisch-konstruktive Didaktik nach Klafki“ oder „Eriksons epigenetisches Stufenmodell“ und generieren doch regelmäßig zigtausende von Klicks. Die Erklär-Videos sind frech geschnitten und fangen auch mal an mit: „Alter Schwede. Ich hab verschlafen und jetzt noch den Bus verpasst. Ich krieg die Krise.“ Oder regen Helikopter-Eltern zum Nachdenken darüber an, ob sie ihrem Kind wirklich Gutes tun, wenn sie ihm jedes Problem aus dem Weg räumen.
Alles mit einem offenen Lächeln, fast schon ein wenig verschmitzt. Alle Theoretiker seien sich doch einig, dass Menschen Lust am Lernen hätten. Ein guter Lehrer müsse das dann „nur noch“ herauskitzeln: „Humor öffnet die Atmosphäre in der Klasse, enthemmt die gesamte Lernsituation.“ Er wolle sich als Lehrer ent-idealisieren, auch Fehler zugeben. Seht her, ich bin auch nur ein Mensch, aber ich bin für euch da. Nur so könne man eine vertrauensvolle Lernatmosphäre schaffen. Tobias Kammer findet ein starkes Bild: „Erziehung braucht eine Rote Linie. Und zwar in Kreisform. In diesem Kreis dürfen und sollen sich die Kinder frei bewegen können.“ So, jetzt aber schnell nach Hause. Die Familie wartet schon.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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