Bergbau-Erbe: Das Ende für alle Fahrten unter Tage naht - die neue Grubenwasserhaltung wird umgesetzt
Die letzten Drehungen
Bereits vor rund zwei Jahren endete der Steinkohlenbergbau in Deutschland mit der letzten offiziellen Förderschicht auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop am 21. Dezember 2018. Es ist bekannt, dass die Ruhrkohle AG (RAG) bis in alle Ewigkeit mit den Hinterlassenschaften der Kohlegewinnung beschäftigt sein wird. Ein sichtbares Zeichen: An einigen wenigen Standorten drehen sich noch die prägnanten großen Seilscheiben. Noch, denn diese Zeit ist nicht ewig. Sondern sehr endlich.
In Bottrop sind es aktuell die Seile am Standort Franz Haniel, die sichtbar in Bewegung sind. In Essen kann man dieses Schauspiel an den Zechen Heinrich in Überruhr, Amalie in Altendorf und am Schacht 12 von Zollverein sehen. Finale Bewegungen, wer das in bewegten Bildern festhalten möchte sollte es bald tun.
Während tief unter dem Doppelbock-Fördergerüst in Bottrop die allerletzten Restarbeiten der Schließung erledigt werden und noch die Pumpen für die Wasserhaltung an diesem Standort laufen, sind die Anlagen in Essen schon seit Jahrzehnten ausschließlich für die Wasserhaltung in Betrieb. 2021 wird letztmals "angefahren".
Unter Tage wird es "zappenduster"
Die RAG treibt bei der Grubenwasserhaltung einen Umbau voran. Nur noch an sechs Stellen wird künftig das belastete Wasser gehoben. Dies wird ausschließlich von der Tagesoberfläche her geschehen. In Folge der Umgestaltung wird es unten endgültig "zappenduster". Anstelle von Pumpen unter Tage rüstet die RAG auf eine Brunnenwasserhaltung um. Im Gegensatz zur konventionellen untertägigen Wasserhaltung mit Pumpenkammern bedarf es für die neue Technik keiner Aufrechterhaltung einer Infrastruktur unter Tage. Für die Brunnenwasserhaltung erhalten die Schächte eine Ausstattung mit bis zu drei Hüllrohren, durch die Tauchpumpen von über Tage bis in das wasserführende Niveau gelangen.
Weil die Notwendigkeit, untertägige Betriebsbereiche trocken zu halten, nicht mehr vorhanden ist, soll das Grubenwasser im Mittelwert auf rund 600 Meter ansteigen. Im südlichen Revier liegt die Grenze höher (190 Meter), 780 Meter sind es im Westen, 680 Meter im nördlichen Bereich. In sechs sogenannten "Wasserprovinzen" wird das belastete Wasser gesammelt, gepumpt und abgeleitet. Die dazugehörigen Zechenstandorte sind Haus Aden (Bergkamen), Robert Müser, Friedlicher Nachbar (beide Bochum), Heinrich (Essen), Lohberg (Dinslaken) und Walsum (Duisburg).
Weniger Tiefe, weniger Belastung
Das Ansteigen des Wassers trage nicht nur zu verringerten Kosten sondern auch zum Umweltschutz bei, erklärt Diplom-Ingenieur Werner Grigo (Leiter des Unternehmensbereichs Genehmigungsmanagement). "Das Wasser löst auf seinem Weg durch das Gestein mineralische Inhaltsstoffe. Je weiter es in die Tiefe vordringt, umso mehr Salze und ähnliches nimmt es auf. Wenn es künftig aus geringeren Tiefen gepumpt wird, ist es dementsprechend weniger belastet."
So soll das mit den Provinzen in der Zukunft funktionieren. Das mineralisch angereicherte Gewässer wird an den sechs Standorten gesammelt. Auf Haus Aden kommt das Wasser aus dem östlichen Revier (Dortmund, Unna, Hamm) an. Robert Müser ist für den westlichen Teil Dortmunds, den östlichen Teil Bochums und für Castrop-Rauxel zuständig. Nach Friedlicher Nachbar fließt das Wasser aus dem restlichen Bochum. Heinrich entwässert ungefähr bis zur A40 die südlichen Essener Gruben. Die mit Abstand größte Provinz ist das zentrale Ruhrgebiet mit Herne, Gelsenkirchen, Herten, Recklinghausen, dem Essener Norden, Bottrop oder Oberhausen. Hier werden spätestens 2035 rund 33 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich erwartet, die an drei verrohrten Schächten von Lohberg/Hünxe gehoben werden. Walsum schließlich ist für Duisburg und die linksrheinischen Gruben (Moers, Kamp-Lintfort) zuständig.
Emscher frei von Grubenwasser
Die aufnehmenden Flüsse sind die Lippe (Haus Aden), die Ruhr (Robert Müser, Friedlicher Nachbar, Heinrich) und der Rhein (Lohberg/Hünxe, Walsum). Die Emscher wird als Folge dieser Neuordnung ab Ende des kommenden Jahres gänzlich von Grubenwasser-Einleitungen frei sein.
"Grundsätzlich sorgt die geologische Lage für die Fließrichtung des Wassers. Im Einzelfall erhöhen vorhandene Rohrleitungen die Durchlässigkeit des Wassers im Gebirge", erläutert Werner Grigo. Sollte sich das errechnete System unter Tage nicht realisieren und sich Grubenwasser anstauen, können die sogenannten "Sicherungsstandorte" aktiviert werden. Dabei handelt es sich um weitere Schächte, die so verfüllt wurden beziehungsweise werden, dass sie schnell wieder für einen Pumpenbetrieb zu reaktiveren wären. Hier kann bei Bedarf regulierend eingegriffen werden. Solche Standorte befinden sich beispielsweise bereits auf Fürst Leopold in Dorsten, auf Rossenray in Kamp-Lintfort und auf Auguste Victoria in Marl. Eingerichtet werden sie unter anderem noch auf Zollverein in Essen und auf Concordia in Oberhausen.
Fördergerüste nicht mehr erforderlich
Fördergerüste sind an den sechs Wasserhaltungsstandorten nicht mehr erforderlich. In Duisburg wurde eines von ursprünglich zwei Gerüsten für seine neue Aufgabe eingekürzt und zu einem Maschinenhaus umgebaut, in dem sich eine Brunnenanlage mit Hebeeinrichtung für die Pumpen befindet. So ähnlich wird dies auch an den anderen fünf Orten aussehen.
In Dinslaken (das prägnante Doppelbock-Fördergerüst ist "ausgeweidet") wird frühestens 2030 Wasser über drei Schächte (Lohberg 1/2, Hünxe) gepumpt, komplette Gerüste gibt es nicht mehr zu sehen. Dies gilt schon seit langer Zeit für Friedlicher Nachbar in Bochum. Ebenso muss die Landmarke von Haus Aden weichen, hier bemüht sich eine Initiative aus ehemaligen Bergleuten und Bürgern um eine Umsetzung. Das verbliebene Gerüst auf Robert Müser über Schacht Arnold kann stehenbleiben, da der benachbarte Schacht Gustav zum Brunnen wird. Heinrich, in Essen-Überruhr direkt an der Ruhr gelegen, wird verschwinden.
Seilscheiben in Bewegung filmen
Mit einiger Zeit und Geduld lassen sich drehende Seilscheiben an den vier eingangs genannten Standorten noch einfangen. Gern würden wir solche Filme auf lokalkompass.de veröffentlichen. Wenn Sie also drehende Scheiben einfangen sollten, laden Sie ein solches Video bitte auf YouTube hoch und senden uns anschließend den Link per E-Mail an
kontakt@redaktions-service.de. Alternativ können Sie uns einen Film auch per WeTransfer an diese Adresse senden.
Auch ältere Filme zu diesem Thema sind hier gern gesehen. Übrigens: Mancherorts drehen sich die Scheiben sogar ohne Seile. Rein durch Wind in Bewegung versetzt, so etwas lässt sich beispielsweise ab und an am Paul-Reusch-Schacht der Zeche Osterfeld in Oberhausen beobachten.
Autor:Marc Keiterling aus Essen |
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