Lokalkompass-Community
Bürgerreporter des Monats November: Stephan Leifeld
Verheiratet, Vater von sechs Kindern, Sport-Pädagoge, Lehrer und Friedenserzieher: Die Tage von Stephan Leifeld dürften ruhig mehr als 24 Stunden haben. Seit 2016 bereichert der Schermbecker mit seinen Beiträgen den Lokalkompass. Er scheut sich dabei nicht, auch brisante Themen klar und deutlich anzusprechen. Stephan Leifeld ist der Bürgerreporter des Monats November.
1. Du bist jetzt bald sechs Jahre im Lokalkompass aktiv. Wie bist du auf die Community aufmerksam geworden?
Ich habe zuvor bereits den Lokalkompass gelesen und auch gelegentlich die Papierausgabe davon, den Stadtspiegel. Teilweise bin ich mit eigenen Kursangeboten in den regionalen Ausgaben präsent gewesen, wenn ich z.B. handlungsorientierte Gewaltprävention für Kinder in unterschiedlichen Schulen angeboten habe. Teilweise bin ich auch einfach neugierig gewesen, was so in der Region passiert, weil die Tageszeitungen doch eine andere Berichterstattung haben. Schließlich habe ich das Online-Angebot entdeckt, als wir „rausgezogen“ sind, an einen Ort, an dem der Stadtspiegel dann nur noch an der nächsten Tankstelle mitgenommen werden konnte. Die Community war mir am Anfang nicht wirklich bewusst. Inzwischen gibt es aber einige Lokalkompass-Menschen, mit denen ich sehr gerne online diskutiere - auf gutem Niveau und wechselseitig voller Wertschätzung. Das macht m.E. auch einen großen Unterschied zu anderen Angeboten im Bereich des Social Media. Hier ist das sprachliche und inhaltliche Niveau aus meiner Sicht deutlich besser und freundlicher.
Niveau und Wertschätzung
2. Was gefällt dir am Lokalkompass, was könnte besser sein?
Beim Lokalkompass gefällt mir die komplette Bandbreite des Angebots, weil es unsere ganze Gesellschaft besser abbildet, als es andere Medien tun. Hier kann man Schnappschüsse aus dem Schrebergarten in der Großstadt sehen, seltene Vögel aus ländlichen Brutstätten, Ausflugsziele werden vorgestellt, lokale Nachrichten stehen im Fokus mit Meinungen über das tagesaktuelle Weltgeschehen. Ich finde dabei gleichermaßen wichtig, was ich im Ratgeber lesen kann oder auch in Bereichen wie Blaulicht, Sportplatz oder Politik. Die Vereine finden unkompliziert ein geeignetes Medium, was mir als Vorsitzender eines Vereins auch gut passt. Ich würde mir wünschen, dass der Lokalkompass auch die jüngere Generation - also vor allem die Kinder und Jugendlichen - zukünftig eine Plattform bieten kann, damit die Community nicht ausstirbt. Dabei stelle ich mir vor, dass ein Extrabereich für Schulen eingerichtet wird, in dem Online-Schülerzeitungen hochgeladen werden könnten - natürlich ohne Hatespeech und vielleicht manchmal mit redaktioneller Hilfe, wenn die Regeln der deutschen Schriftsprache zu wenig Beachtung finden. Da könnten wir älteren Bürgerreporter vielleicht den Nachwuchs wie Mentoren unterstützen. Zu meiner Schulzeit habe ich mal die beste Schülerzeitung des Landes gemacht. Das war in den 80ern ein Wettbewerb der Sparkassen und Tageszeitungen - zu jener Zeit war ich Schüler am Gymnasium Essen-Überruhr. Als Vater von sechs Kindern weiß ich aber genau, dass auch die „Kids“ heute immer noch was zu sagen haben. Schülerzeitungen sind nur leider sehr selten geworden.
3. Du hast eine Familie mit sechs Kindern. Ist das in diesen Zeiten eher eine Bürde oder eine Botschaft?
Als ich meinen Zivildienst in der Altenpflege absolvierte, war mir schon klar, dass ich eine Familie haben würde. Sechs Kinder waren natürlich nicht geplant. Das Leben hat diesen Verlauf genommen. Wenn ich die Frage nach Bürde oder Botschaft überdenke, kommen mir einige Erlebnisse in den Sinn, die vielleicht eine Antwort bilden können: Zum Beispiel fahre ich mit meiner Familie gerne in die Balkan-Region, früher bekannt unter dem Namen Jugoslawien. Dort mit sechs Kindern unterwegs zu sein, ist entspannend und schön. Die Menschen in Kroatien oder Serbien habe ich als Familienmenschen wahrgenommen. Meine Freunde dort waren überrascht in Bezug auf die Größe meiner Familie. Untypisch für einen Deutschen sei das, haben sie am Anfang belustigt gemeint.
Inzwischen ist Deutschland auch eher zu einem wenig familientauglichen Land geworden, meine ich. Das heutzutage das Einkommen einer Person nicht genügt, eine Familie zu ernähren, ist traurig für unsere Gesellschaft.
Siri, Alexa oder andere digitale Angebote
Die Emanzipation hätte ja auch dazu führen können, dass die häuslichen Aufgaben mehr Wertschätzung und Rentenanspruch bekommen. Frauen tragen in den meisten Familien daher die Hauptlast, wenn sie nun eigene Karriere machen müssen/dürfen, um anschließend noch für den von der Erwerbstätigkeit müden Ehemann zu versorgen. Wir haben daheim ein klassisches Rollenverständnis, mit allem Respekt für die Leistung meiner Frau. Jedenfalls hege ich auch die Auffassung, dass Einzelkinder einen Entertainer brauchen, was an der Stelle abwesender Eltern nun häufig Siri, Alexa oder andere digitale Angebote nun ersetzen. Geschwister sind daher für Kinder ein erster Meilenstein der Sozialisierung. Einzelkinder mit Doppel-Verdienern tun mir leid. In der Folge wird auch die Pflege von Beziehungen und die Erziehung eigener Kinder massenhaft vernachlässigt. Die Gesellschaft schaut Fern, statt innerhalb der eigenen vier Wände - oder in die Augen der Mitmenschen.
Selbstverständlich nutze ich meine Kinder auch als Botschafter, wenn wir gemeinsam Sport treiben, oder andere Dinge unternehmen. Aber nicht belehrend, sondern weil es mir Freude macht, wie ein Beispiel: zu motivieren, Familie als höheres Gut zu betrachten - im Verhältnis zu Fernreise, schicker Sportwagen, neueste Designerkleidung. Der Ferrari oder die Reise nach Dubai stehen später nicht an meinem Grab. Aber in meinen Kindern lebe ich weiter. Jedenfalls, so wie ich die Welt sehe.
4. Neben deiner Vaterrolle bist du auch Lehrer und Pädagoge. Müssen Schulen heute Aufgaben erfüllen, die eigentlich vom Elternhaus geleistet werden sollten?
Absolut. Wie eingangs erwähnt, biete ich auch ein Konzept der Friedenserziehung für Bildungseinrichtungen. Im Bereich der handlungsorientierten Gewaltprävention bin ich dann unterwegs, an allen möglichen Schulen, die mich beauftragen möchten. Auf den einführenden Elternabenden provoziere ich dann oft die Aufmerksamkeit damit, dass ich sage, „viele Menschen hätten keine Kinder, wenn die Machart nicht so schön wäre“. Dann hören alle Anwesenden besser zu… und auf der anderen Seite bin ich ja nicht nur Vater mit über 25 Jahren Erfahrung. Seit über 20 Jahren arbeite ich in Teilzeit immer wieder im Schuldienst des Landes. In den Fächern Sport, Deutsch und ev. Religion, beispielsweise, könnte ich einiges in ganzen Büchern abhandeln. Ich würde dabei aber nicht meinen, dass eine Gruppe der Drei komplett versagt. Lehrer, Kinder und Eltern, sollten mehr miteinander statt übereinander sprechen. Damit wäre schon ein guter Schritt getan. Die Lehrkräfte sind heutzutage oft im Schuldienst, wie es mir scheint, weil die eigene Schulzeit so schön war.
Die Ausbildung ist vielleicht nicht unbedingt zeitgemäß, was dazu führt, dass Einige im Schuldienst ausbrennen und frustriert reagieren. Wenn dazu nun Kinder kommen, die weniger die drei „R“ kennengelernt haben, was die Definition von Maria Montessori angeht: „Regeln, Rahmen und Rituale“, dann wird es eskalieren müssen. Eltern, die dann beide erwerbstätig sind - und darauf angewiesen, dass die Schule immer mehr ein Ort zur ganztäglichen Verwahrung vom Nachwuchs geworden ist, sind mit Erziehung der Kinder längst nicht mehr vertraut. Ich habe schon von Eltern gehört, die an den Kindergarten die Erwartung übertrugen, dass dort der Nachwuchs endlich „trocken wird“. Das ist also ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wenn ich nun noch über bildungsferne Politiker, ohne beruflichen Werdegang schreiben soll, reicht diese Ausgabe vermutlich nicht aus… Daher will ich nur resümieren, dass unser Bildungssystem überalt und inzwischen untauglich ist. Wie viele Bereiche unserer Gesellschaft, sollte hier echt was passieren. Nicht halbherzig, wie Pisa und neuerliche Studien zeigen - sondern einmal ordentlich.
5. Du setzt dich u.a. sehr für soziale Gerechtigkeit, Solidarität und soziales Miteinander, für Demokratie, Klimaschutz und Menschenrechte ein. Warum liegen dir diese Themen so am Herzen?
Ich bin bereits im Alter von 14 Jahren politisch tätig gewesen. Damals habe ich in meiner Geburtsstadt Essen die Juso-Schülergruppen mit aufgebaut. Menschen wie z.B. Uta Ranke Heinemann, Peggy Parnass und Peter Reuschenbach haben mich begeistert. Zunächst interessierten mich aber eher schulpolitische Themen. Als Jugendlicher in den 80er Jahren kamen dann schnell andere Themen dazu: Wackersdorf, Startbahn West, Anti-Atomkraft, Free Nelson Mandela, etc.. Ich habe als Jugendlicher sehr erfolgreich andere Jugendliche in die SPD geworben, die damals noch eine andere Partei gewesen ist, als heute. Die Belohnung der Partei war seinerzeit ein Seminar in der Nähe von Würzburg, meine ich. Dort begegnete ich Willy Brandt. Nomen est omen, hat mich dieser Mann regelrecht „angezündet“. Bis heute hat kein Mensch in der Politik derartige Strahlkraft besessen und diese Wirkung und Überzeugung, in meinen Augen. Schon seinem Nachfolger wird im Volksmund nachgesagt, er würde „Menschen mit Visionen zum Arzt schicken“ wollen. Der hat sich auch immer lieber eine Zigarette angezündet, statt Menschen zu berühren. Ich brenne aber immer noch für Demokratie, Frieden, Solidarität und die anderen wichtigen Themen. Auch deshalb bin ich seit 2016 nicht mehr in der SPD.
Die Stimme meiner Kinder
Als Vater und als Mensch, der sich als Teil eines Weges betrachtet - philosophisch gesehen - sehe ich das Leben in meiner jetzigen Form als endlich. Unendlich ist es nur, weil der Weg vor und nach mir weiter existiert. Biologisch, kulturell, religiös und sonst wie metaphysisch gesehen. Wenn ich möchte, dass z.B. auch meine Kinder ein lebenswertes Leben führen und gestalten dürfen, kann ich nicht einfach wegschauen. Dann bin ich die Stimme meiner Kinder, wäre ich auch der einsame Rufer in der biblischen Wüste. Ich müsste ersticken, wenn ich im Leben nur die Faust in der Tasche machte, wenn etwas in meinen Augen unrecht ist. Woher das kommt, dass mir diese Themen am Herzen liegen, könnte auch sein, dass ich fantastische Lehrer hatte, wie z.B. eine Frau Eilmes oder ein Herr Mering. Meine Eltern haben mich in meiner Kindheit nicht als Schlüsselkind laufen lassen. Meine Kampfsporttrainer haben mich außerdem sehr geprägt. Norbert Kraft zum Beispiel sagte immer: „Es gibt kein größeres Glück auf Erden, als Lieben und geliebt zu werden“. Das hat uns vor über 30 Jahren schwer beeindruckt, denke ich. Und ich habe Meadows gelesen, die „Grenzen des Wachstums“. Ebenfalls seit über dreißig Jahren ist es damit klar, dass unsere Welt so nicht weiterdrehen darf. Schade, dass Corona und die Ukraine das Thema Klimawandel aus den Köpfen vieler Menschen verdrängen konnte. Schade auch, dass die Menschen massenhaft glauben, das Armut meist selbst verschuldet - und Reichtum immer selbst verdient wäre.
6. Du bist ein Mann der klaren Worte. Viele deiner Beiträge sehe die aktuelle Politik sehr kritisch. Was muss sich in der Politik und auch in der Gesellschaft deiner Meinung nach ändern?
Ich denke, dass die Parteien in der aktuellen Daseinsform ihre Existenzberechtigung eigentlich lange verloren haben. Wenn ich mir die Wahlbeteiligungen anschaue, sehe ich das als Folge oftmals blutleer wirkenden Polit-Profis, die vor lauter Parlamentstätigkeit die Bodenhaftung längst in der Gesellschaft verloren haben (ohne es zu merken). Teilweise sind sie dann - wenn es um Verantwortung geht - auch sehr „vergeßlich“. Wenn in der Gesellschaft dann zu schlecht bezahlte Polizei für Versäumnisse in der Politik herhalten muss - und nun noch aktuell im Verteidigungsministerium Grundlagen geschaffen werden, Soldaten innerhalb der Bundesrepublik einzusetzen, wird mir schlecht.
Eine Wahl muss man sich verdienen
Offenbar haben viele in der Politik vergessen, warum Deutschland geteilt gewesen ist, Bonn lange Regierungssitz war - und außerdem viele Dinge einfach Ländersache. Aktuell zentralisiert sich Deutschland wieder zu einer Art „Weimarer Republik“ - wobei die schweigende Mehrheit noch ruhig
zuschaut, wie laute Minderheiten alles in der Gesellschaft mehr als nur in Frage stellen. Das muss sich ändern: Politiker dürften maximal zwei Legislaturperioden demselben Parlament angehören, vor allem, wenn sie nur über einen Listenplatz gekommen sind. Eine Wahl muss man sich verdienen, finde ich. Zudem sollten Parlamentarier keine unentgeltliche Pension erhalten, während Rentner quasi zweimal versteuert werden. Ich halte es mit den Eltern unseres Grundgesetzes, weshalb von Deutschem Boden keine Aggression mehr ausgehen sollte. Ich wäre für eine sofortige Beilegung des Russland-Ukraine-Krieg, den ich absichtlich auch so nenne, weil beide Seiten zur Eskalation beigetragen haben - seit 1997. Deutschland sollte umgehend den obersten Diplomat des Landes austauschen: Frau Baerbock ist wie eine selbsternannte Kriegsministerin auch untauglich für eine friedvolle Lösung am Verhandlungstisch, weil sie diese Lösung auch schon mehrfach abgelehnt hat.
Dialoge lohnen sich immer
Dabei lohnt sich immer ein Dialog. …Früher hat es Menschen gegeben, wie Genscher, Bahr oder Ströbele. Solche Leute fehlen heute. Tatsächlich überlege ich, persönlich - nach diversen Anläufen mit eher links angeordneten Parteien - eine StattPartei zu gründen - eine echte Bewegung für die politischen Interessen ALLER Menschen. Ich halte es auch für unerträglich, dass Menschen wie ein Elon Musk beispielsweise, so viel Reichtum besitzen und so wenig Steuern zahlen - weil unsere Gesellschaft so ausgerichtet ist, mit zentral organisierten Banksystemen Vermögen zu belohnen und Einkommen zu „bestrafen“. Da hoffe ich auf Kryptowährungen und auf echte Finanztransaktionssteuern. Gleichzeitig muss das m.E. nur umgetaufte Hartz-IV—Bürgergeld zu einem echten bedingungslosen Grundeinkommen gewandelt werden, um die laufende Umverteilung des Geldes von Arm nach Reich endlich nachhaltig zu stoppen. Sollten wir tatsächlich - analog der Simulationen von Meadows - bis 2030 nichts radikal geändert haben, zum Wohle der Allgemeinheit, sehe ich die wachsende Gefahr von regionalen Konflikten um Brot, Wasser und Lebensraum. Das wünsche ich mir nicht für meine Kinder. Für niemanden.
7. Du bist im Internet immer mit Klarnamen aktiv. Als kritischer und meinungsfreudiger Mensch: Wie sind deine Erfahrungen damit?
Ich habe immer in meinem Leben meine Meinung gesagt. Dankbar bin ich allen Demokraten dafür, dass ich das immer konnte. Dabei messe ich meine Aussage nicht an Reichweite und Erfolg. Sondern die Freiheit ist meine Maxime. Deshalb bin ich auch schon lange stolzes Mitglied im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V.. Hatespeech und Alias-Namen im Internet lehne ich ab, weil ich mir eine offene Diskussion wünsche. Jederzeit und an jedem Ort. Nur so werden wir auch dauerhaft die Werte der Demokratie bewahren - und nicht von Geld und Gewalt unsere Gesellschaft weiter verändern lassen. Tatsächlich bin ich auch schon bedroht und beleidigt worden, wegen meiner Haltung. Das ändert bei mir aber nichts.
8. Was machst du, wenn du nicht im LK aktiv bist? Beschreibe dich kurz in fünf Sätzen.
Als Familienmensch würde ich dafür den ersten Satz wählen, weil ich auch gerne mit den Kindern spiele, Ausflüge mache und versuche, die Mahlzeiten einzuhalten. Als Kampfkünstler bin ich natürlich auch regelmäßig „auf der Matte“, auch als Trainer oder Kampfrichter. Ich gehe gerne mit dem Hund, schwimme gerne, hacke Holz. Dann kann ich z.B. am wärmenden Kamin ein gutes Buch lesen - momentan ist es „Ismael“ von Daniel Quinn. Zu guter Letzt bin ich als Friedenserzieher und Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen tätig, was auch Zeit in Anspruch nimmt.
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