Wie aus Moderatorin Jeanny der Klomann Jo wurde
"Wat machste jetzt? Ich geh putzen"
Abwechslungsreicher als Jörg Gocke konnte man sein Leben in der Pandemie kaum gestalten: Nachdem sein Bühnenjob als Travestiestar Jeanny im Revue Palast aufgrund der pandemiebedingten Schließung wegfiel, sattelte er kurzerhand um und – ging putzen.
„Ich bekam es mit der Angst zu tun, als kein Ende der Schließung in Sicht und Toilettenpapier und Nudeln rar waren und überlegte, was ich machen könnte“, so Gocke, „Und dann dachte ich: Ich geh putzen. Ich mach das jetzt.“ Über einen Bekannten erfuhr er, dass die Ruhrbahn noch Reinigungskräfte suchte und so bewarb er sich. „Nicht mal drei Tage später hatte ich ein Vorstellungsgespräch und mir wurde alles gezeigt. Seitdem putze ich Klos und Büros mit allem, was dabei so anfällt.“
Familie und Freunde dachten zunächst, dass Gocke diesen Knochenjob nicht durchhalten würde, da er sich, nach eigener Aussage, schnell ekelt. Doch weit gefehlt: "Ich habe das ohne mit der Wimper zu zucken, durchgezogen." Heute ist er festes Mitglied des Reinigungsteams und gut bekannt mit den Mitarbeitern. Ein wenig schade sei es, dass er nun gekündigt habe, findet Gocke. Doch seit das Theater wieder geöffnet hat, steht er abends wieder als Kunstfigur Jeanny auf der Bühne und moderiert unterhaltsame Abende. „Die Tage, an denen ich nun zusätzlich morgens um 4 Uhr zur Arbeit bei der Ruhrbahn muss, sind hart. Ich mache derzeit Mittagsschlaf, dabei bin ich erst 43“, scherzt Gocke, der nun zwischen blauen Putz- und schwarzen Seidenhandschuhen wechselt. „Ich wurde aus der Glamourwelt herausgerissen und fand mich in einer ganz anderen wieder. Aber ich ziehe meine Hut vor allen Reinigungskräften, denn der Job ist wirklich anstrengend. Und für manche ist man eben auch einfach nur der Toilettenmann, die sehen dich gar nicht.“ Und so hat Gocke viel über Menschen gelernt in den letzten Monaten, so sagt er. Auch, als er sich nach einigen Monaten des Zögerns bei der Agentur für Arbeit um finanzielle Unterstützung bewarb. Er habe das unangenehm gefunden, doch die netten Mitarbeiter hätten ihm versichert, dass ihm die Leistungen zustünden, „Schließlich habe ich ja auch eingezahlt.“
Auch Freunde unterstützten den Travestiekünstler ganz selbstverständlich und sogar sein Vermieter sei proakiv auf ihn zugekommen und habe Unterstützung zugesagt, so berichtet Gocke. „Aber es klatscht eben keiner, wenn du das Klo geputzt hast Und ich bin eben doch ein Applausjunkie. Außerdem ist so ein Reinigungsjob, meiner Meinung nach, unterbezahlt“, findet Gocke, der sich dennoch sehr freut, jederzeit wieder bei der Ruhrbahn putzen zu dürfen. „Man sagte mir, ich solle einfach anrufen, wenn ich wieder anfangen möchte.“ Das es soweit nicht nochmal kommt, ist die große Hoffnung des Künstlers, dessen Herz seit vielen Jahren für die Bühne schlägt. Der Essener stammt aus einer Bergmannfamilie, seine Mutter arbeitete ebenfalls als Putzfrau. „Vielleicht fiel mir der Job daher so schnell ein. Gelernt habe ich 1991 mal Koch, aber darin sah ich mich nicht mehr.“
Bei aller Flexibilität, nun ist Jeanny wieder dort, wo sie hingehört – auf der Bühne!
Autor:Meike Coenders aus Essen |
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