Als ich dreizehn war
Über Träume, Wünsche und Wurzeln
Heute möchte ich euch auf eine Reise in die Vergangenheit einladen. Seit meiner frühesten Kindheit schreibe ich Gedichte. In der Familie wird gemunkelt, dass es Wilhelm Busch und seinen Geschichten über Max und Moritz geschuldet sei. Diese Reime wurden mir immer zum Einschlafen vorgelesen und ich konnte sie bereits im Kindergartenalter auswendig vortragen. Später war mein Lieblingsbuch ein Sammelband unterschiedlichster deutscher Gedichte aus acht Jahrhunderten. Ich las es, als wir in einem vollgepackten Passat Richtung Süden in den Urlaub fuhren. Die Sonne ging unter als wir Deutschland verließen und wieder auf als wir am anderen Ende der Alpen waren. Das war der Zeitpunkt, als ich meine Lieblingszeilen fand und sie sind es bis heute geblieben.
Sie stammen aus dem Abendlied von Matthias Claudius – ich denke jeder kennt die erste Strophe und daher zitiere ich gleich diejenige, die mich bis heute begleitet, wenn ich nachts Richtung Himmel schaue:
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsere Augen sie nicht sehen.
Diese Zeilen erklären auf so leicht verständliche Art wie wir beurteilen, ohne uns überhaupt auch nur im Ansatz aller Aspekte bewusst zu sein. Wir sortieren in Schubladen anhand von Oberflächlichkeiten. Jedes Mal, wenn ich nun den Mond anschaue wird mir bewusst, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt als unsere Augen in der Lage sind wahrzunehmen. So viel mehr! Manche sagen: Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Als ich erwachsen wurde hörte es auf mit meinen Gedichten – ich hielt meine Kindheitsträume für Spinnerei. Womöglich lag es auch daran, dass ein Praktikum und eine freie Mitarbeit bei einer lokalen Zeitung nicht so liefen wie ich es mir vorstellte. Mir wurde klar gemacht, dass man als Redakteur noch lange nicht so schreiben kann, wie man es möchte. So schlug ich einen anderen Weg ein und baute mir ein 0815-Leben auf, mit rotierendem Hamsterrad und 1-2 Terminen pro Tag. Der ganz normale Wahnsinn halt. Bis zu diesem einschneidenden Ereignis 2020: Der erste Lockdown riss mir förmlich den Boden unter den Füßen weg. Alles was bisher meinem Leben Ordnung, Stabilität und Routine gegeben hatte, war mit einem mal weg und verboten. Da saß ich nun mit dem Allerwertesten unangenehm auf dem Boden der Tatsachen gelandet und begann darüber nachzudenken was ich jetzt wohl mit der geschenkten Zeit anstellen könnte, die sich in diesem Moment wie eine schwere Bürde anfühlte. Mir wurde klar, dass man hinterher immer nur das bereut, was man nicht probiert hat und so schrieb ich wieder Gedichte. Mein alter Kindheitstraum ein Buch daraus zu machen blühte erneut auf.
Anscheinend ist heute der Tag der Zitate – daher gebe ich euch noch etwas mit, was ich neulich irgendwo aufgeschnappt habe. Es ist von Friedrich Hundertwasser: "Wer die Vergangenheit nicht ehrt, verliert die Zukunft, wer seine Wurzeln vernichtet, kann nicht wachsen." Aus diesem Grund möchte ich euch heute ein bisher unveröffentlichtes Gedicht vorstellen. Eines, dass ich mit dreizehn Jahren schrieb und das so meine damalige Sicht auf unsere Träume und Wünsche zeigt.
Gut, dass wir da sind
Traum und Wunsch gehören zusammen,
die Phantasie ist ihr zu Haus,
dort sitzen sie Tag für Tag beisammen,
und denken sich was Schönes für die Menschen aus.
Und Traum sagt: „Gut, dass wir da sind.“
Und Wunsch sagt: „Man braucht uns sehr,
denn flögen wir weg wie der Wind,
wäre das Leben so leer.
Schade, dass bald die Phantasie verfliegt,
in all‘ dem Ernst der Welt,
und weil es uns in jeder Phantasie gibt,
kauft man uns nicht für Geld.
Wir sind wichtig für Jedermann,
für klein, für groß, für alle,
weil man ohne uns nicht leben kann,
und in dem Ernst zerfalle.“
Ihr Lieben, was sind eure Wurzeln? Was gibt euch Kraft, wenn ihr mal auf dem Boden der Tatsachen landet? Mein Tipp: macht euch eine Liste. Denn wenn der Zeitpunkt kommt, ist es gut zu wissen worauf man setzen kann. Und bis dahin – genießt das Leben und habt Spaß!
Bis bald,
Eure Bine
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