Schüler wurden zu Zweitzeugen
Die Geschichte von Rolf Abrahamsohn beeindruckte

Schüler der Klasse 8A im Dortmunder Westfalenstadion. | Foto: Foto: Rainer Jungblut
  • Schüler der Klasse 8A im Dortmunder Westfalenstadion.
  • Foto: Foto: Rainer Jungblut
  • hochgeladen von Dieter Frey

Auf den ersten Blick erscheint ein Zusammenhang zwischen dem Stadion des Fußballvereins BVB, dem Signal IdunaPark, und dem Schicksal Rolf Abrahams, der im zweiten Weltkrieg ins Konzentrationslager deportiert wurde und dort seine Mutter verlor, nicht vorstellbar. Der Klasse 8A des Gymnasiums Essen-Werden wurde bei einer Exkursion in das Stadion aber schnell klar, dass das verbindende Element Sport hier der Schlüssel des Rätsels ist.


Lebendiger Politikunterricht

Im Politikunterricht hatten sie sich zuvor mit ihrem Lehrer Rainer Jungblut mit dem zweiten Weltkrieg befasst. Ein echter Zeitzeuge der damaligen Zeit ist Rolf Abrahamsohn. Aufgewachsen in Marl bei Recklinghausen hatte dieser eine unbeschwerte Kindheit durchlebt. Als Frontsoldat im ersten Weltkrieg galt sein Vater als angesehene Person, gemeinsam mit Abrahamsohns Mutter betrieb er ein erfolgreiches Kaufhaus, das jedoch in der Reichsprogromnacht schwere Schäden erlitt. Im Verlauf des zweiten Weltkriegs, zwei Tage vor Schließung der Grenzen, verließen Vater und einer der Brüder Abrahamsohns Deutschland.

Interessantes Zeitzeugenprojekt

Die Einschränkungen für Juden führten dazu, dass später der jüngere Bruder des Zeitzeugen an einer unbehandelten Krankheit verstarb und er und seine Mutter zur Zwangsarbeit in ein Konzentrationslager deportiert wurden, in dem seine Mutter verstarb. Zu diesem Zeitpunkt war Rolf Abrahamsohn 20 Jahre alt. Seit 2012 erzählt Abrahamsohn im Rahmen des Zeitzeugenprojekts seine Geschichte interessierten Schulklassen und kämpft so für ein stetes Bewusstsein für die damaligen Leiden. Das Zeitzeugenprojekt musste sowohl corona-, als auch altersbedingt etwas umstrukturiert werden. Und so bekamen die SchülerInnen des Werdener Gymnasiums Rolfs Geschichte von Janina Fuhr, die Mitglied im Verein Zweitzeugen e.V. ist, erzählt – und wurden damit zu Zweitzeugen der Geschichte Abrahamsohns.

Ein Leben für nichts?

Zuvor schauten sie sich das Dortmunder Stadion im Rahmen einer Führung an. Sie führten Interviews im Presseraum des Stadions durch, besichtigten die Mannschaftskabinen und Umkleideplätze bekannter Fußballer und betraten durch einen langen Tunnel das Spielfeld. Auch auf den automatisch gewärmten Bankwärmersitzen durften die Jugendlichen Platz nehmen. „Das wurde aber trotzdem irgendwann frisch, weswegen wir weitergegangen sind zu den Kabinen der Ultra-Fans und dem danebenliegenden Polizeibüro mit den Verwahrungszellen für die Fans, die zu sehr über die Stränge schlagen“, berichtet die Schülerin Emma vom Ablauf der Stadionführung. Im Laufe der Führung wurde der Klasse 8A bewusst, dass Sport in ihrem Alltag in der ein oder anderen Form eine riesige Rolle spielt. Dies nahm die Leiterin Janina als Überleitung zu den diversen Gesetzen, mit denen Juden damals in ihrem Alltag überzogen wurden: Die Mitgliedschaft in einem Sportverein war ihnen untersagt, ebenfalls der Schulbesuch. „Der Alltag jüdischer Kinder bestand daraus, sich morgens für nichts fertig zu machen und abends ins Bett zu gehen, ohne etwas getan zu haben“, resümiert Emma geschockt.

Rolf Abrahamsohn starb mit 96

„Rolfs Geschichte hat mir das, was ich im Unterricht gelernt habe, noch einmal viel genauer vor Augen geführt“, ergänzt ein Mitschüler Emmas. Die Klasse plante daher, Abrahamsohn einen Dankesbrief zu schreiben. „Ich wollte ihm schreiben, dass er sehr stark ist und er weiterhin stark bleiben soll“, erzählt Emma. Eine ihrer Mitschülerinnen hatte ihn sogar gezeichnet. Am 23.12.2021 ist Rolf Abrahamsohn im Alter von 96 Jahren verstorben, die Briefe und Zeichnungen der SchülerInnen werden ihn so nicht mehr erreichen. „Den Schülern ist damit noch einmal mehr bewusst geworden, wie wichtig es ist, auch Zweitzeuge zu sein und mitzuhelfen, niemals zu vergessen, was damals geschah“, hält Rainer Jungblut fest. „Dass Rolf nicht mehr lebt, zeigt uns nur, dass wir jetzt dran sind, seine Geschichte weiter zu erzählen, damit sich dieses Schicksal nie mehr wiederholt“, bekräftigt Emma.

Autor:

Dieter Frey aus Essen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

8 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.