Ruhr Museum auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein
Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses

"Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses"  zu sehen im Ruhr Museum auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein
22Bilder
  • "Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses" zu sehen im Ruhr Museum auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein
  • hochgeladen von Andrea Gruß-Wolters

Vom einst malerischen Flüsschen über einen Industriefluss und stinkenden Abwasserkanal bis hin zum renaturierten Fluss, die Emscher hat eine wechselhafte Geschichte. Davon erzählt eindrucksvoll die neue Ausstellung " Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses", die in der 12-Meter-Ebene des Ruhr Museums auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein gezeigt wird.

Eigentlich müsste das Ruhrgebiet Emschergebiet heißen, denn dieser Fluss hat maßgeblich das Schicksal dieser Region bestimmt. Doch im Gegensatz zur Ruhr, die schiffbar gemacht werden konnte, wurde die Emscher auf Grund dessen eher stiefmütterlich behandelt. Und doch übernahm die Emscher eine Aufgabe, die für das Revier überlebenswichtig war und wiederum dem Flüsschen sein wechselhaftes Schicksal beschied. Diese wechselvolle Geschichte des Flusses wird in rund 400 Bildmotiven und Exponaten sowie anhand von neun Filmen in der beeindruckenden Industriekulisse des Ruhr Museums gezeigt.

Die drei Leben der Emscher

Zu Beginn der Ausstellung sehen sich die Besucher/innen drei Bildstraßen gegenüber. Chronologisch beginnt die Bildgeschichte in den Bunkerräumen an der linken Seite. Dort werden rund 100 Bildmotive zur vorindustriellen Emscher ausgestellt. Historische Exponate wie Gemälde und Grafiken zeigen die Emscher als malerischen Fluss, der vorbei an feudalen Schlössern, Burgen und Mühlen durch eine dünnbesiedelte Agrarlandschaft fließt. Sagen und Mythen ranken sich um die Emscherlandschaft.
Es gibt auch schon Übersichtskarten und erste Bauzeichnungen. Denn Ende des 19. Jahrhunderts, mit Beginn des florierenden Bergbaus, wuchs die Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit rasant an. Damit entstand das Problem der Entsorgung der Abwässer. Nicht nur das Schmutzwasser der Industrieanlagen, auch Brauchwasser und Fäkalien mussten abgeleitet werden. Anders als in anderen Ballungsräumen konnte das im Ruhrgebiet nicht in einem dauerhaft funktionierenden Leitungssystem unter Tage erfolgen. Denn durch Erdbewegungen bzw. Bergsenkungen, ausgelöst durch den Bergbau, wurden immer wieder unterirdische Abwasserleitungen zerstört, was zu Verseuchung des Erdreiches führte. Die Folge waren große Seuchen wie Typhus, Cholera und Diphterie mit Hunderten von Toten, allein 700 Tote im Jahre 1904 in Gelsenkirchen. So kam man auf die Idee, die Abwässer oberirdisch über die Emscher und ihrer Nebenflüsschen abzuleiten. Damit war das Schicksal der Emscher besiegelt.

Allerdings traten andere Probleme auf. Denn durch das niedrige Gefälle der Emscher trat diese häufig über die Ufer und mit dem Hochwasser auch das stark verunreinigte Flusswasser. Das war die Geburtsstunde der Emschergenossenschaft. 1899 wurde diese gegründet mit dem Ziel, die Emscher zu begradigen, sie auszubauen, sie in ein Korsett zu zwängen. So wurde die Emscher zu einem offenen Abwasserkanal und erhielt dank ihres unverwechselbaren Duftes den Namen "Köttelbecke", gerne auch kurz und knapp die "Schwatte" oder stilvoll "Cloaca maxima". Egal wie man sie nannte, schön war sie nicht. Aber sie war lebensrettend. Fortan gab es keine Seuchen mehr. Bereits dieser erste Umbau der Emscher wurde fotografisch festgehalten. Schon seit ihrer Gründung bediente sich die Emschergenossenschaft der damaligen Fototechnik, nicht nur zur Dokumentation, sondern vor allem als Arbeitsgrundlage, denn für die Bauvorhaben am Fluss brauchte man topografische Ansichten.

Gigantisches Bauprojekt

Ein besseres Leben für die Emscher kam mit dem Ende der Zechen. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet war auch ein Wandel für die Emscher. Nun war es möglich, ein dauerhaftes Abwasserkanalsystem unterirdisch zu bauen und damit die Emscher vom Abwasser zu befreien. Die Emschergenossenschaft setzte dieses gigantische Generationsprojekt um. 2022, nach 30 Jahren Umbau, konnte die Emschergenossenschaft verkünden, dass die Emscher nun abwasserfrei ist.
Die Renaturierung gehört zu den spektakulärsten ökologischen Projekten der Bundesrepublik. Laut Umweltministerium gibt es kein vergleichbares wasserwirtschaftliches Projekt in ganz Europa.
Da, wo Platz ist, darf sie auch wieder mäandern. Auenlandschaften entstehen, Tiere kehren zurück, Menschen erleben neue Aufenthaltsqualitäten. Früher geschlossene Betriebswege werden zu Rad- und Wanderwegen ausgebaut. Die Emscherkunst begleitet seit Jahren die Emscherumgestaltung auf kulturelle Art.

Die Ausstellung basiert auf dem außerordentlich großen Bildfundus der Emschergenossenschaft. Die über 200 Fotografien im Hauptraum stammen größtenteils aus dem historischen Glasplattennegativ-Archiv der Emschergenossenschaft. Es werden nicht nur das Fortschreiten der Baumaßnahmen gezeigt, sondern auch die zur Bauaufgabe gehörenden Pumpwerke und Kläranlagen. Die Fotos zeigen sowohl die schwere, körperliche Arbeit wie auch die gewaltigen Landschaftstransformationen Interessant sind die Panoramen und vergleichende Bilder, die Vorher-Nachher-Zustände zeigen.
Die neue Emscher durch den erneuten Umbau des Emschersystems und die Renaturierung werden schließlich auch in neuen Bildmedien gezeigt. Dazu gehört das Filmprojekt "Emscherskizzen" von Christoph Hübner und Gabriele Voss. Ebenso das Foto-Projekt von Henning Maier-Jantzen, der seit 10 Jahren den Emscherumbau fotografisch begleitet.

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog im Klartext-Verlag erschienen.

Die Laufzeit der Ausstellung: vom 12.09.2022 bis 16.04.2023

Es gibt ein vielfältiges Rahmenprogramm
Weitere Infos unter www.ruhrmuseum.de

Weitere Ausstellung zum Emscher-Umbau:
Noch bis zum 06.11.2022 ist in der Mischanlage der ehemaligen Kokerei auf Zollverein die Ausstellung:
"Beyond Emscher. Fotografische Positionen aus der Gegenwart" zu sehen.
Bei Interesse, hier mein Bericht dazu.

Die folgenden Fotos entstanden bei der Vorbesichtigung.
Ich freue mich über euer Interesse.

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

43 folgen diesem Profil

9 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.