ERDE IN LEERSTEHENDEM BÜROHAUS
"ABSORPTION" IN ESSEN

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Schaut man durch die Fenster des leerstehenden Bürogebäudes in der Essener Innenstadt, so kommt einem der Anblick im ersten Moment komisch vor. Was ist da los?

Erde soweit man sieht.

Helfer/innen haben in diesem einstigen Bürogebäude, welches zuletzt von einer Sparkasse genutzt wurde, rund 30 Zentimeter hoch Erde verteilt.

Doch warum das Ganze? Was hat es damit auf sich? Die Erde in dem geschichtsträchtigen Gebäude gehört zur Installation des  US-Künstlers Asad Raza unter dem Motto "Absorption". Die Aktion läuft parallel zur Ruhrtriennale bis zum 25. September.

Erde entsteht als Gemisch aus Sand, Lehm und Kompostanteilen. Dieser Boden wird immer wieder von Helfern umgegraben und bewässert. Diese Helfer/innen werden auch "Cultivators" (Kultivator*innen) genannt und sind während der Laufzeit des Projektes vor Ort und werden die Erde ständig weiterbearbeiten. Diese wird gefiltert, in ihre Bestandteile zerlegt, analysiert und neu zusammen gemischt.

Angereichert wird die Erde von in der Region gesammelten Bestandteilen wie z. B. Taubenkot, Koks aus der Kokerei Hansa, Klärschlamm von der Emschergenossenschaft, Kaffeehäutchen, Haaren aus Friseursalons, Kakaoschalen oder Gerste einer Essener Brauerei. Es gibt aber auch fein gehexeltes  Verpackungsmaterial aus dem Folkwang Museum und geschredderte Kostüme der Ruhrtriennale, die in den Boden mit eingearbeitet werden.
Der Künstler sagt, dass all das im Boden absorbiert und wieder zu einer einheitlichen Substanz werden soll. Damit wolle er die industriellen Trennungsprozesse umkehren.

Die "Cultivators" stehen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Sie informieren über die verschiedenen Bestandteile der Erde und beantworten Fragen. Es war mir eine Freude, diese netten Menschen kennenzulernen.
Natürlich musste ich auch die Erde anfassen und in die Hand nehmen. Diese Erde fühlt sich ganz anders an als gekaufte Erde in den Säcken aus den Geschäften. Was ein Unterschied. Sie sieht zudem anders aus und riecht auch anders.

Ich durfte verschiedene Bestandteile wie Kaffeehäutchen und Kakaoschalen anfassen und riechen. Kaffeehäutchen erinnern mit ihrer Optik zum Beispiel an Fischfutter, aber riechen natürlich viel besser und fühlen sich ganz weich und angenehm in der Hand an.

Der Geruch der Erde, das Anfassen und Fühlen und auch das Laufen über die Erde sind schon ein Erlebnis für sich. Es gab auch schon Besucher, die barfuß über die Erde gelaufen sind oder sich darauf gelegt haben um diese intensiver zu spüren.

Aber auch der Ort ist ein besonderer. Ein leerstehendes Bürogebäude; im übertragenen Sinne so etwas wie ein "Lost Place". Und dann ist der Boden darin voller Erde.
Erde in einem Haus, Erde in verschiedenen Zimmern. Beonders für Kinder ist dies neben den Sinneserfahrungen wie fühlen und riechen auch ein Anblick, der eigentlich überhaupt nicht passt. Bei vielen Familien werden die Schuhe ausgezogen bevor sie die Wohnung bzw. das Haus betreten, damit der Boden schön sauber bleibt. Und hier? Hier ist er "dreckig". Alles voller Erde. Stuhlbeine, die durch die Erde nur noch halb zu sehen sind, Schränke und Türen, deren unterer Teil mit Erde bedeckt ist.

Von einem "Cultivator" weiß ich, dass auch schon Kinder da waren, die gerne dabei geholfen haben, den Boden umzugraben. Kinder lernen, dass die Erde nicht "Dreck"ist, sondern fruchtbarer Boden.
Von daher finde ich, dass diese Installation ein absolut lohnenswertes Erlebnis für die gesamte Familie ist.

Vor Ort bekommt man auch kleine Stoffbeutel, wo man sich Erde abfüllen und mitnehmen kann.

Nach dem Ende der Installation wird ein Teil der neuen Erde (von Asad Raza "Neosoil" genannt) anlässlich des 700-jährigen Jubiläums der Stadt Bochum durch die "Cultivators" als Schenkung in den Botanischen Garten der Ruhr-Universität Bochum gebracht. Aber auch an Kleingartenvereine und soziale Einrichtungen wird Erde, die übrig bleibt, verschenkt. Es soll kein Abfall zurück bleiben.

In einem Raum ist die Klangarbeit "Ten Years Alive on the Infinite Plain" des Künstlers Tony Conrad zu hören.

Die Kunststudentin Maria Renee Morcales Garcia bereichert die "Absorption" mit einer performativen Toninstallation. Sie formt Ton zu Kugeln, die am Ende behutsam kaputt gemacht und in die Erde eingearbeitet werden.

Kaputt machen ist eigentlich das falsche Wort. Aber was ist es dann? Ist es eine Art sanfte Zerstörung?  Man kann sogar sagen, dass es eine Art Transformation ist; also ein Prozess der Veränderung.

Geöffnet ist die Ausstellung noch bis zum 25. September (mittwochs bis sonntags von 12-19 Uhr).
Die Adresse ist Pferdemarkt 5-7 in 45127 Essen. Der Eintritt ist kostenlos.

Autor:

Nina Benninghoff aus Oberhausen

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