Cafè Philosophique privat
In meiner Heimatstadt an der Saar gibt es monatlich einmal offiziell ein philosophisches Cafè, wo grübelnd über wichtige philosophische Thesen diskutiert wird – von Epiktet über Aristoteles bis hin zu Voltaire haben sie dort das Leben in seinen reichhaltigen Facetten schon abgehandelt.
Aber was ich heute erlebte, sprengte alles bisher Dagewesene. Nach meinem samstäglichen Einkauf auf dem Wochenmarkt gehe ich wie immer in das schöne alte Jugendstil-Kaffeehaus in der Innenstadt in der Nähe der Kirche und gönne mir zwei Tassen Cappuchino. Das Kaffeehaus ist voll und ich nehme Platz an einem Tisch, wo bereits drei Herrschaften sitzen. Eine ältere Dame mit verfusseltem Haar unterhält sich lebhaft mit einem Herrn, der im Stil des englischen Gentleman gekleidet ist und einer jungen hübschen Frau, der die Lebensfreude aus den Augen strahlt.
Ich fasse es nicht, als ich meine Ohren in deren Richtung weite, was ich dort heimlich mit lausche.
Sie unterhalten sich über Facebook und die Nachteile, die entstehen können, wenn Freundschaften zu wildfremden Menschen geknüpft werden über dieses soziale Netzwerk. Nachteile insofern, das die ältere Dame über Facebook einen Mann kennengelernt hatte, der sich als Freund der Gartenarbeiten entpuppte, was so ganz nach ihrem Sinn war. Sie selbst schien einen großen Garten zu besitzen mit allerlei Kräutern und Blumen, den sie allerdings nicht in der Lage war zu pflegen, weil sie keine Ahnung von Gartenarbeit hatte. Sie hatte den Garten von ihrer kürzlich verstorbenen Tante geerbt und nun war sie völlig hilflos angesichts der Blumenpracht, die schon weit über den Zaun wucherte.
Mit dem Gärtner vom Facebook hatte sie offensichtlich monatelang gechattet über die diversen Möglichkeiten, die Pflanzen einerseits zu beschneiden und sie andererseits zu erhalten. Was zugegebenermaßen sehr schwierig schien. Über die Monate waren sie sich auch über das Telefon nähergekommen und erzählten sich kleine Geschichten aus ihrem Alltag. Der Gärtner betrauerte am Telefon den Tod seines kürzlich verstorbenen weißen Kaninchens und die Frau konnte diese Trauer gut nachempfinden, weil ihr Wellensittich ebenfalls das Zeitliche gesegnet hatte. Vom Foto her waren sie sich sympathisch und so war es beiden ein Anliegen, sich doch mal persönlich kennenzulernen, nicht zuletzt, damit der Gärtner mal ein Auge auf die Blumen werfe und ihr vielleicht mit Rat und Tat zur Seite stehen könne.
Aufgeregt schnatterte die Dame über das stattgefundene Treffen und konnte sich über die Diskrepanz ihrer Vorstellungen von dem Gärtner und dessen realen Auftreten nicht mehr einkriegen. Das deren beider Wirklichkeit eine unterschiedliche Wirklichkeit war, war dem Gespräch schon nach wenigen Minuten zu entnehmen. Es wurde Watzlawick zitiert und dessen Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ und es entstand eine lebhafte Diskussion darüber, ob die voneinander gebildeten Konstrukte tiefer in der Seele verankert seien, als der oberflächlich gewonnene Eindruck voneinander.
Besonders irritiert schien die verfusselte Dame über einen Ausspruch ihres Gärtnerfreundes, den sie in einer Gärtnerzeitung gelesen hatte, die sie beide im Abo hatten. Der Ausspruch hatte so was ähnliches zum Inhalt, wie „Rosen, Veilchen, Nelken – alle Blumen welken. Nur die Blumen der Wahrheit nicht – deshalb bearbeite ich fremde Gärten nicht.“ Es wurde nun heftigst darüber diskutiert, was das zu bedeuten hatte. Ob der Garten der Frau damit gemeint war oder ob das eine Plattitüde des Gärtnerfreundes von Facebook war und das es insgesamt doch eher unsittlich sei, sich über solche Foren zu begegnen, weil man ja nie wisse, ob der Gärtner nicht am Ende der Mörder sei.
Ei, so einen schönen Morgen hatte ich in dem Caféhaus schon lange nicht mehr erlebt. Zur Krönung des ganzen machte es plötzlich im Handy der verfusselten Dame „Pling“ und aufgeregt schrie sie „Ich habe eine SMS – vielleicht sogar von dem Gärtner, weil ich den fragte, was das meinte, was er dort schrieb !“ Alle drei starrten auf die Bildfläche vom I-Phone und da stand doch tatsächlich geschrieben „Wer dreimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment, wer es aber viermal wagt dem droht schon bald der Hochzeitstag. Gruß und Kuss, dein Julius“.
Nachdem die drei Personen aus ihrer Salzsäulen-Erstarrung erwacht waren, fingen sie erstmal furchtbar laut an zu lachen und dann ging die Philosophie über das Leben weiter. „Ja, das ist ja mal ein Ding“, rief die Verfusselte „der ist ja richtig lustig – vielleicht ist er ja doch ein harmloser Mensch, der sich verstrickt hat ?“
Nun wurde der englische Gentleman aber sehr energisch. So eine SMS sei ein Unding. Das ginge ja nun gar nicht. So etwas inhaltsloses habe er ja noch nie gehört und das alles sei ihrer nicht würdig und sie solle schnellstens ihren Garten verkaufen oder einen Parkplatz daraus machen, bevor der nächste philosophische Gärtner bei ihr anlande und ihr das bisschen Verstand was sie habe, nun auch noch verwirre.
Das waren harte Worte und ich mußte nun wirklich grinsen, weil ich das Ganze urkomisch fand. Da sitzen doch tatsächlich drei erwachsene Leute und unterhalten sich wie Teenies über Facebook und fiedeln auf ihren I-phones herum und reden über die virtuellen Welten, so wie seinerzeit die Dichter über ihre ersten großen Reisen mit der Pferdekutsche nach Italien redeten.
Zwischendrin wurde es dann noch heftiger, weil der Gärtner persönlich dann auch nochmal anrief und die Verfusselte mit dem Handy nach draußen wankte und mit einem Schein auf dem Gesicht zurück kam in das Lokal, als habe sie das Christkind gesehen.
Den Rest habe ich mir erspart, weil ich selber einen Anruf von Schatzi bekam, der mir mitteilte, er habe so langsam Hunger und wann ich denn endlich heimkomme mit den versprochenen Austernpilzen.
Wir leben in einer verrückten Welt – finden Sie nicht auch ?
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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