Rat und Hilfe – Die Beratungsstelle „Madonna“ steht Sexarbeiterinnen seit mehr als 25 Jahren zur Seite und sieht sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert

Der Verein "Madonna" bietet in seinen Räumen an der Alleestraße regelmäßig Beratungen an.
  • Der Verein "Madonna" bietet in seinen Räumen an der Alleestraße regelmäßig Beratungen an.
  • hochgeladen von Nathalie Memmer

„Madonna“, bereits 1991 von Sexarbeiterinnen und Frauen aus anderen Berufen gegründet, hat sich längst als Treffpunkt und Beratungsstelle für in der Prostitution tätige Frauen etabliert, als deren Interessenvertretung der an der Alleestraße ansässige Verein sich versteht. Derzeit bestimmt nicht zuletzt das seit gut einem Jahr geltende neue Prostitutionsgesetz die Arbeit der Sozialarbeiterin Astrid Gabb, die zur Leitung von „Madonna“ gehört, und ihrer Kolleginnen.

„Das Prostitutionsgesetz von 2002 hat Sexarbeiterinnen deutlich gestärkt, weil sie nun endlich ihre Bezahlung einklagen können“, blickt Gabb zurück. Der Begriff „Sexarbeiterin“ dürfte für viele immer noch ungewohnt klingen, auch wenn er schon aus den 1970er Jahren stammt. Er soll die Prostituierten als Subjekte ernst nehmen. Und gerade diese Wertschätzung sieht die Beraterin durch das neue Gesetz, das am 1. Juli 2017 in Kraft getreten ist, gefährdet. Das Gesetz schreibt eine Anmeldepflicht vor. Zunächst müssen sich die Frauen beim Gesundheitsamt beraten lassen. Das Ordnungsamt klärt den Aufenthaltsstatus und prüft, ob eine Krankenversicherung vorliegt. Sexarbeiterinnen ohne Migrationshintergrund verfügen meist über eine Krankenversicherung – schließlich herrscht in Deutschland seit 2009 Versicherungspflicht.

Hürden bei der Krankenversicherung

Ganz anders sieht es bei Frauen aus Rumänien oder Bulgarien aus, wie Gabb aus ihrer täglichen Arbeit weiß: „Die Vorversicherungszeit im Heimatland wird meist nicht bestätigt. Den betroffenen Sexarbeiterinnen steht deshalb nur die private Krankenversicherung offen, die für sie jedoch zu teuer ist. Ohne Krankenversicherung dazustehen, ist schon bei eher harmlosen Erkrankungen wie Herpes oder Grippe ein Problem. Bei einer Schwangerschaft geraten die Frauen dann erst recht in Schwierigkeiten.“
Ist die Hürde der Beratung beim Gesundheitsamt und der Überprüfung beim Ordnungsamt genommen, erfolgt die Anmeldung als Prostituierte und der „Hurenausweis“ wird ausgestellt. Juristen und Beratungsstellen kritisieren das Verfahren nicht zuletzt wegen Mängeln beim Datenschutz.

Bei der praktischen Umsetzung des Prostitutionsgesetzes gibt es Probleme

Die Beraterinnen bei Madonna stehen jedoch auch vor ganz praktischen Problemen: Zwei Drittel der in Bochum in der Prostitution tätigen Frauen verfügen nicht über hinreichende Deutschkenntnisse, um einer Beratung über Medikamente und Verhütung folgen zu können. Obwohl das Prostitutionsgesetz bereits ein Jahr in Kraft ist, wird erst seit wenigen Wochen eine Sprachmittlung angeboten. „Das Gesetz“, kritisiert Gabb, „sollte gerade Sexarbeiterinnen in prekären Lagen helfen, diese Gruppen wurden jedoch bislang nicht bedient. Ob sich das durch die Sprachmittlung bessert, bleibt abzuwarten – die bisherigen Erfahrungen reichen noch nicht aus, um dazu eine Aussage zu treffen.“
Gabb sieht das Gesetz allerdings auch noch aus anderen Gründen kritisch: „Frauen, die keine Bescheinigung, also keinen 'Hurenausweis', haben, müssen fürchten, an die Behörden gemeldet zu werden. Bordellbetreiber könnten sie erpressen und mehr Miete verlangen.“ Ob das Gesetz tatsächlich geeignet ist, Menschenhandel zu bekämpfen, bezweifelt Gabb. „Allein schon die Beratungspflicht schafft ein Machtgefälle“, gibt Gabb zu bedenken und erklärt, „die Frauen fühlen sich ausgeliefert. Sie wollen den 'Hurenausweis' und geraten unter Stress. Das Prostitutionsgesetz läuft ins Leere.“ Diese Einschätzung werde auch von Verbänden wie Caritas und Diakonie geteilt.

Soziale und berufliche Orientierung

Daneben kommen bei „Madonna“ aber natürlich auch all die Fragen auf den Tisch, die in allen Frauenberatungsstellen auf der Tagesordnung stehen: Wie finde ich einen Kita-Platz für mein Kind? Wo gibt es bezahlbare Wohnungen? Wie baue ich Schulden ab? - „Das Entscheidende ist für die Frauen“, so Gabb, „dass sie bei uns offen über die Sexarbeit sprechen können. Manche wollen den Job wechseln und fragen sich, ob Arbeitszeugnisse und Abschlüsse aus ihren Heimatländern in Deutschland anerkannt werden können. Auch Fragen nach Hartz IV und den Möglichkeiten, eine Ausbildung zu machen, spielen in unseren Beratungen eine Rolle.“
Neben den Sexarbeiterinnen steht „Madonna“ natürlich auch allen Frauen offen, die mehr über das Thema erfahren möchten. „Am besten eignet sich dazu unser Mittwochscafé, das jede Woche von 16 bis 19 Uhr stattfindet“, lädt Gabb alle interessierten Frauen ein.

Infos
Die Beratungsstelle „Madonna“, Alleestraße 50, ist unter Tel.: 68 57 50 zu erreichen.
Beratungen finden montags von 9 bis 11 Uhr, mittwochs von 16 bis 19 Uhr, freitags von 11 bis 13 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung statt.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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