Vor 125 Jahren
Unglückliche Liebe trieb ersten evangelischen Pfarrer Schmachtendorfs zum Freitod im Wald
Groß war die Freude im Hiesfeld des Sommers 1898, als für den Außenbezirk Mittelbauerschaft (das heutige Oberhausen-Schmachtendorf) endlich ein evangelischer Geistlicher gefunden werden konnte, der sich künftig dem Geschick dieses wachsenden Gemeindebezirks annehmen und den von den Bewohnern gewünschten (und durch große Spendenbereitschaft unterstützten) Kirchbau vorantreiben sollte:
Auf den Beschluss der größeren Gemeindevertretung der Evangelischen Kirchengemeinde Hiesfeld vom 20. Mai 1898, eine Hilfspredigerstelle für den Außenbezirk zu schaffen, folgte von Seiten des Königlichen Konsistoriums der Vorschlag mehrerer Kandidaten, aus deren Kreis am 12. Juni 1898 die Wahl auf den Synodalvikar Bernhard Rohkohl aus Wesel fiel. Bereits im Juli folgte die Bestätigung der Wahl, die Amtseinführung in der Hiesfelder Kirche unter Pfarrer Diederichs am 25. Juli 1898.
Die Hiesfelder Kirche war dabei nicht Rohkohls Hauptpredigtstätte, sondern, da es in Schmachtendorf noch keine evangelische Kirche gab, ein Raum in der (heute abgerissenen) Martinischule an der Waldhuckstraße. Hier war es durch variable Wände möglich, zwei Klassenräume zu einem Gottesdienstraum zu vergrößern. Trotz dieser Möglichkeit nicht mehr als ein Behelf. Das erkannte auch die evangelische Gemeinde und plante, es den Katholiken, die 1898 ihre Schmachtendorfer Kirche errichteten, gleichzutun, und in der Mittelbauerschaft nun auch ein evangelisches Gotteshaus zu bauen.
Doch es sollte schnell anders kommen, als geplant. Denn der junge Synodalvikar Rohkohl war in seiner Weseler Heimat eine Liebschaft mit einer Bürgerstochter eingegangen, die sich im Laufe ihrer Verlobungszeit einen „derartigen Fehltritt erlaubte“ (so schrieben später zeitgenössische Zeitungen), dass die Liebschaft gelöst werden und die Bürgerstochter mitsamt ihren Eltern den Weg der Auswanderung nach Amerika wählen musste.
Zu viel für den jungen Hilfsprediger. Den Verlust der großen Liebe und das Platzen der für den 18. Dezember 1898 angesetzten Hochzeit verwand der Geistliche nicht, der vor 125 Jahren vom heutigen Schmachtendorf in die Wälder bei Dortmund fuhr und dort mit einer Schusswaffe am 22. Dezember 1898 seinem Leben ein Ende setzte.
Der Selbstmord brachte es am Heiligabend 1898 auf die Titelseite der örtlichen Zeitung, die den jungen Geistlichen rückblickend wie folgt charakterisierte: „Rohkohl war als Mensch und Geistlicher in Wesel und später in Hiesfeld allgemein geachtet und beliebt, sodass die Teilnahme an seinem unglückseligen Ende allgemein ist. Man begreift zunächst nicht, wie ein so ruhiger und solider Charakter, der dazu von einer positiv christlichen Überzeugung getragen war, auf diese furchtbare Lösung des Konfliktes verfallen konnte. Es bleibt nichts anderes als die Annahme übrig, dass die herbe Erfahrung seinen Geist umnachtet hat. Die Begebenheit erscheint umso schrecklicher, als der Unglückliche der einzige Sohn einer alten Witwe ist.“
Die traurige Nachricht schaffte es derweil sogar auf den Pfaden seiner Herzensdame nach Übersee: Am 26. Januar 1899 berichtete der „Nebraska Staats-Anzeiger“ über die vorweihnachtliche Schreckensbegebenheit in der kleinen Gemeinde Hiesfeld-Mittelbauerschaft.
Diese Entwicklung warf auch die Fortentwicklung des evangelischen Lebens im heutigen Schmachtendorf um mehrere Jahre zurück: Erst 1901 konnte mit Carl Schäfer erneut ein Hilfsprediger angestellt werden, der später erster Pfarrer der neu gegründeten Evangelischen Kirchengemeinde Schmachtendorf wurde. Der Kirchbau ließ sogar noch weiter auf sich warten und folgte 1905/06 mit dem Bau der heutigen Kirche an der Kempkenstraße.
Autor:Tobias Szczepanski aus Oberhausen |
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