Ortsgeschichte
Schmachtendorf in den 70ern: Aufbruchsstimmung im Norden

3Bilder

Die 1970er waren eine Ära des Umbruchs, auch für das beschauliche Schmachtendorf. Die Parole "Die Zukunft Oberhausens liegt im Norden!" sollte weitreichende Veränderungen bringen. 1966 musste die historische Mühle Möllmann nach fast einem Jahrhundert weichen, gefolgt von der Dorfschmiede Neerfeld und den umliegenden Gebäuden im Jahr 1967. Der Schmachtendorfer Heimatverein führte in jenen Jahren der Veränderung zwei entscheidende Bürgerbefragungen durch - eine 1973, um die Wünsche der Einwohner zu erkunden, und eine weitere 1976, um die Zukunftspläne für die Stadt zu konkretisieren.

Ein starker Wunsch war die In der ersten Bürgerbefragung von 1973 war die Etablierung eines Wochenmarktes in die Ortsmitte. Dieser Traum wurde 1976 auf dem "Schmachtendorfer Stern" in Form Realität und ist es an diesem Standort, der inzwischen seit über 30 Jahren zum Schmachtendorfer Marktplatz ausgebaut ist.

Aber nicht nur der Marktplatz war ein zentrales Anliegen. Die Ergebnisse von 1973 ergaben, dass die Schmachtendorfer sich vor allem eine vielseitig nutzbare Veranstaltungsstätte oder ein Bürgerhaus, ein Hallen- und/oder Freibad, ein Gesundheits- oder Ärztezentrum sowie eine Volkshochschule wünschten. Die Veranstaltungsstätte wurde erst 45 Jahre später mit der Umnutzung der Kirche Kempkenstraße Realität, Schwimmbad und Volkshochschule nie.

Befragungsergebnisse anno 1973

Kritikpunkte und Herausforderungen: Wo drückte der Schuh?

Doch nicht alles glänzte in Schmachtendorf. Die Befragungen von 1973 und 1976 brachten auch Kritikpunkte ans Tageslicht. Etwa 70 % der Befragten waren mit der Verkehrssituation am frisch fertiggestellten "Schmachtendorfer Stern" unzufrieden. Unzureichende Busverbindungen nach Holten und Hiesfeld, der „als für den Stadtteil völlig unangebracht“ bewertete Bau von Hochhäusern an der Oranienstraße, Verkehrsprobleme am Holtener Bahnhof und Belästigungen durch Geruchs- und Lärmimmissionen von Autobahn und Ruhrchemie waren ebenfalls Themen, die die Schmachtendorferinnen und Schmachtendorfer bewegten.

Bereits 1976 der Verkehrslärm mit 33,55 % der größte Kritikpunkt war. Ein Beispiel dafür, wie auch in Schmachtendorf Umweltaspekte in den Fokus der Dorfbewohner rückten.

Eine Buslinie durch die Kempkensiedlung? Ein Blick in die Vergangenheit

Eine heute geradezu skurril anmutende Anekdote aus jener Zeit ist die geplante Buslinie 21 durch die Kempkensiedlung. Dieser Vorschlag sah vor, dass Busse von der Hiesfelder Straße kommend über Schmachtendorfer Straße, Fortstraße, Oranienstraße, Norbertstraße und aufgrund der Straßenenge als Einbahnstraße durch Kempkenstraße bzw. Am Tüsselbeck fahren sollten. Dies erforderte die Umwandlung von Kempkenstraße und Am Tüsselbeck in Einbahnstraßen und eine Verbreiterung der Norbertstraße um 1,0 bis 1,5 Meter. Die STOAG gab damals bereits ihre Zustimmung, doch das Projekt wurde nie umgesetzt. Heute betrachtet, hätte eine solche Linienführung wahrscheinlich erhebliche Verkehrsprobleme verursacht, insbesondere angesichts der heutigen Fahrzeuggrößen und -mengen.

Auch ein Stück Zeitgeschichte: Die "Schmachtendorfer Zeitung" brachte es in den 1970er-Jahren immerhin auf neun Ausgaben.
  • Auch ein Stück Zeitgeschichte: Die "Schmachtendorfer Zeitung" brachte es in den 1970er-Jahren immerhin auf neun Ausgaben.
  • hochgeladen von Tobias Szczepanski

Das Fazit: Entwicklung und Veränderung

Im März 1977 wurden die Ergebnisse beider Bürgerbefragungen in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro für Architektur, Städtebau und Entwicklungsplanung Dratz und Sachweh sowie der Stadt Oberhausen zu einer umfassenden Rahmenplanung für Schmachtendorf zusammengefasst. Dies führte zur Schaffung des Bebauungsplans Nr. 36, der eine umfassende Neuordnung des Gebiets zwischen Buchenweg, Auguststraße, Schmachtendorfer Straße, Autobahn, Am Tüsselbeck, Norbertstraße, Oranienstraße und Forststraße vorsah.

Viele der damaligen Wünsche der Bürger wurden verwirklicht, während andere bis heute unerfüllt blieben. Ein Blick auf die Ergebnisse von 1973 zeigt, dass Schmachtendorf nun über ein breit gefächertes Angebot von Haus- und Fachärzten, ebenso über Veranstaltungsräume und einen Wochenmarkt verfügt. Kinderspielplätze sind vorhanden, aber es besteht weiterhin Ausbaubedarf. Als weiterführende Schule bekam Schmachtendorf zwar kein Gymnasium, aber 1982 mit der Heinrich-Böll-Gesamtschule eine eigene weiterführende Schule. Auch die Kindergärten wurden und werden kontinuierlich erweitert. Ob die Nachfrage der damals ebenfalls gewünschten, aber nicht gebauten Tennis- und Minigolfplätze nach wie vor vorhanden wäre, ist fraglich. Vorhanden sind hingegen Parks und Grünanlagen, die aber – im Falle des Parks hinter der Heinrich-Böll-Gesamtschule – dringend einer Überplanung und Aufwertung bedürfen.

Unberücksichtigt blieben die Wünsche vor allem der älteren Befragungsteilnehmer nach Krankenhaus oder Altentagesstätte. Wenn im Zuge des Ausbaus des Autobahnkreuzes Oberhausen die Brückenbauwerke abgerissen und erneuert werden müssen, könnte sich die Frage nach der Erreichbarkeit der Krankenhäuser auch heute erneut stellen.

Ausblick: Die heutigen Wünsche der Schmachtendorfer Bevölkerung

Auch wenn – oder gerade weil - 50 Jahre seit der ersten Bürgerbefragung vergangen sind, bleibt die Frage spannend, welche Wünsche die heutige Bevölkerung von Schmachtendorf äußern würde. Die Veränderungen und Entwicklungen, die seit den 70er-Jahren stattgefunden haben, bilden die Grundlage für die Zukunft. Vielleicht wäre es gerade jetzt an der Zeit, erneut eine vergleichbare Befragung durchzuführen?

Autor:

Tobias Szczepanski aus Oberhausen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.