Die Kirche im Dorf lassen - Denkmal ohne Schutz?
Schmachtendorfer halten an ihrer Kirche fest
Die evangelische Kirche an der Kempkenstraße soll aufgegeben werden und ist vom Abriss bedroht. Finanzielle Interessen vor den Interessen des Denkmalschutzes? Das wollen die Schmachtendorfer nicht hinnehmen – es regt sich Widerstand. Der sich zum Teil auch in abstrakter Form äußert.
Es ist der 15. Juni 1905, als der Bürgermeister der zum Kreis Ruhrort gehörenden Landgemeinde Hiesfeld, Emil Hausmann, die Bauerlaubnis zur Errichtung einer evangelischen Kirche unterzeichnet. Standort der Kirche: Schmachtendorf, an der heutigen Kempkenstraße, die zu diesem Zeitpunkt noch, nach des Kaisers Vornamen, den Namen Wilhelmstraße trägt. Den Bauplan hatte der Mülheimer Architekt Heidsiek bereits im Jahre 1901 ausgefertigt und jetzt sollte Schmachtendorf, nachdem man nun seit sieben Jahren eine eigene Pfarrstelle hatte, sein eigenes Gotteshaus bekommen. Nach Ausgaben von 71.884,10 Goldmark und einer knapp einjährigen Bauzeit konnten die Schmachtendorfer anlässlich des Erntedankfests am Samstag, den 30. September 1906 ihre Kirche feierlich in Empfang nehmen. Psalm 100, Vers 2, auf dem die Einweihungspredigt aufgebaut war, ist noch heute über dem Eingangsportal zu lesen: „Dienet dem Herrn mit Freuden“.
Die Jahre zogen ins Land, 1910 wurde das Pfarrhaus neben der Kirche errichtet, der erste Weltkrieg begann, endete, das Kaiserreich ging, die Weimarer Republik kam, die Weimarer Republik ging, das 3. Reich begann, der Krieg kam, eine der beiden Glocken ging, der Krieg und das 3. Reich endeten und die Kirche war stark beschädigt.
Doch die Schmachtendorfer gaben nicht auf, bauten ihre Kirche nach Kräften wieder auf. Die Einschusslöcher wurden geflickt, der Turm repariert, wodurch er sein charakteristisches grünes Dach erhielt und nach einer Eingabe von Pfarrer Barchewitz wurde der Gemeinde auch das dringend benötigte Glas zur Reparatur der Fenster zur Verfügung gestellt.
Kirche war das Zentrum der Gemeinde
Die Kirche war wieder der strahlende Gemeindemittelpunkt und ihre nunmehr drei Glocken verkündeten, was ihnen als Inschriften gegeben war: „Ich bin der Weg“, „Ich bin die Wahrheit“ und „Ich bin das Leben“. Seit den 1980er Jahren wurde der Denkmalwert des Kirchengebäudes erkannt.
Im Jahre 2015 stehen über der Kirche düstere Vorzeichen: Krampfhaft wird versucht, die Schmachtendorfer wider besseres Wissen davon zu überreden, dass die Kirche „ja nie das Zentrum der Gemeinde“ war. Der Denkmalschutz wurde erst totgeschwiegen und als er nicht mehr totzuschweigen war, sondern öffentlich wurde, kündigten Stimmen aus der Gemeindeverwaltung an, dass „man gegen den Denkmalschutz eine Klage erwägen“ würde.
Abrisspläne – nur etwas für die Tonne?
Die Schmachtendorfer sind über dieses Vorgehen erbost. Einige erwägen, Unterschriften für einen Erhalt zu sammeln. Andere drohen mit Kirchenaustritt. Und wieder andere lassen ihre Mülltonne sprechen – wie das Foto eindrucksvoll zeigt.
Wer den Abriss eines Denkmals mit mangelnder Wirtschaftlichkeit begründet, hat von Bau-kultur nichts begriffen. Mit diesem Argument ließen sich auch der Kölner Dom oder Schloss Neuschwanstein abreißen. Die Schmachtendorfer wissen das nur zu gut. Schmiede Neerferld und Mühle Möllmann gehören der Vergangenheit an. Um ihren Erhalt wurde zu wenig gekämpft. Den Fehler werden sie bei der Kirche nicht mehr machen.
Dass der Mülheimer Künstler Klaus D. Schiemann in seinem Gemälde „Schmachtendorf“ jüngst auch die evangelische Kirche gemalt hat, macht Mut. Mut, dass die Kirche auch in den nächsten Jahren noch der Mittelpunkt Schmachtendorfs bleiben wird. Mut, dass Schmachtendorfs Geschichte nicht unter die Abrissbirne gerät.
Autor:Tobias Szczepanski aus Oberhausen |
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