Bedingt pressetauglich
Bedingt pressetauglich
Über den Arbeitskampf der Eisenbahner oder den Streik der Erzieherinnen wurde in den Anzeigenblättern (Wochen-Anzeiger, Stadt-Anzeiger, Stadt-Spiegel…) der Westdeutschen Verlags- und Werbegesellschaft sowie der Ostruhr Anzeigenblattgesellschaft (Funke Mediengruppe) in der Vergangenheit oft und gern berichtet. Auch die Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns oder gar Schwarzarbeit und diesbezügliche Kontrollen der Zollbehörde bei anderen Firmen fanden Eingang in den redaktionellen Teil dieser Blätter. Wenn es aber im eigenen Haus brodelte, hüllte man sich lieber in Schweigen.
Als beispielsweise im vergangenen Dezember und erneut im Januar des laufenden Jahres die Zeitungszustellerinnen und -zusteller der Funke Logistik in Hagen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen streikten, war das natürlich kein Thema für die überörtlichen Redaktionen. Ebenso fand die Tatsache, dass im vorletzten Februar – zum ersten Mal in der Firmengeschichte – bei der Westdeutschen Verlags- und Werbegesellschaft ein Betriebsrat gegründet wurde, keine Beachtung.
Der nachfolgende Leserbrief wurde mir am 27.07.2015 persönlich vom verantwortlichen Redakteur des Wochen-Anzeigers in Oberhausen mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Bericht gegen seinen Arbeitgeber gerichtet sei und dass er im Falle einer Veröffentlichung selbst seine Papiere abholen könne und ihm fristlos gekündigt würde…
Leserbrief zum Artikel im Wochen-Anzeiger vom 25.07.2015: „Zoll im Einsatz – Mehr Mindestlohn-Kontrollen in den ‛dunklen Lohn-Ecken’ in Oberhausen“.
Eine der gesuchten „dunklen Lohnecken“ können Sie beim Wochen-Anzeiger selbst finden. Den Zustellern (Boten) des Anzeigenblattes wird aufgrund der von den Verlagsgesellschaften bei den politisch Verantwortlichen durchgesetzten gesetzlichen Ausnahmeregelung der Mindestlohn noch bis zum Jahr 2017 verweigert.
Aktuell und offiziell erhalten die Zusteller 6,38 Euro Stundenlohn. Doch die oft unerfüllbaren Zeitvorgaben (Normen) des Arbeitgebers (Westdeutsche Verlagsgesellschaft/Funke Logistik/GMK) reduzieren in der Praxis für die Mehrzahl der Boten diesen Niedriglohn erheblich. Es werden mehr Arbeitsstunden geleistet als bezahlt.
Mehr als 6000 Zusteller arbeiten allein im Ruhrgebiet und den angrenzenden Regionen für die Tochtergesellschaften der Funke Mediengruppe. Bereits die hier erzielten Lohneinsparungen belaufen sich bis Ende 2016 auf geschätzte 15 Millionen Euro. Dabei verlegt der milliardenschwere Konzern in Deutschland, Österreich und Ungarn 30 Tages- und Wochenzeitung sowie 100 Anzeigenblätter, ist beteiligt an Radiogesellschaften und diversen Logistik-, Marketing- und Kommunikationsunternehmungen, Buch- und Zeitungsverlagen...
In der Risikoanalyse des letzten Geschäftsberichtes (Jahresabschluss 2013) der Funke Mediengruppe vom 22.05.2014 (nachzulesen im Bundesanzeiger) wird auch der Mindestlohn der Zusteller genannt und die Notwendigkeit formuliert, die Mehrkosten teilweise durch Vergrößerung der Zustellbezirke und somit Verringerung der Anzahl der Boten aufzufangen.
Die Lohnpolitik des Zeitungsverlags bedeutet für die Zusteller Einkommens- und Kaufkraftverlust, für die Arbeitsagenturen aber Mehrausgaben, denn im Ruhrgebiet sind 60% der Boten zugleich Empfänger von ALG-Leistung.
Reinhard Gebauer
Im April des laufenden Jahres wurde der nachfolgende Artikel aus dem gleichem Grund im Wochen-Anzeiger Oberhausen nicht abgedruckt.
Wochen-Anzeiger : Zusteller unzufrieden
Auch in Oberhausen sucht die Firmengruppe Funke Medien (ehemals: WAZ) aktuell wieder Zusteller für ihr kostenloses Wochenblatt („Wochen-Anzeiger“).
Das kommt nicht von ungefähr. Vermehrte Kündigungen seitens von Zustellern aufgrund von Unzufriedenheit über die schlechten Arbeitsbedingungen und die schlechte Bezahlung sind die Ursache.
Bereits in der Vergangenheit waren schlechte Bezahlung, fehlerhafte Abrechnungen, unzureichend entlohnte Wartezeiten, ungünstige Ablagestellen (unbezahlte lange Wege beim Nachholen der Zeitungspakete) Gründe von Beschwerden und Kündigungen. Bis zum Jahreswechsel setzte sich der Arbeitslohn aus einem vom Arbeitsgeber bestimmten Grundlohn plus Gewichtszulagen und Zulagen für Parallelverteilungen von Zusatzprospekten sowie einer Pauschale von 5 Euro im Monat für Wartezeiten an der Abladestelle (bei verspäteter Anlieferung der Zeitungspakete durch den Spediteur) zusammen. Im Verhältnis zur erbrachten Arbeitszeit kam damit aber niemand über 7 Euro Stundenlohn.
Die neue Mindestlohngesetzgebung hat daran nichts geändert. Im Gegenteil, die Bezahlung der Zusteller hat sich seitdem sogar verschlechtert. Durch gesetzliche Ausnahmeregelungen zahlt Funke Medien über ihren Ableger GMK in Essen den Zustellern aktuell lediglich 6,38 Euro Stundenlohn. Das sind 75% des gesetzlichen Mindestlohns. Die Gewichtszulagen und andere Zulagen sind entfallen. Ab dem 1. Januar 2016 ist die Firma GMK gesetzlich verpflichtet, den Zustellern 85% des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen.
Auch an der zuliefernden Spedition spart die Firma. Es wurden Verteilungsbezirke zusammengelegt oder gar Bezirke ohne eigene Abladestelle geschaffen (Folge: weitere Wege für die Zusteller). Geringe Fahrzeuggrößen oder Fahrzeuganzahl machen Mehrfachfahrten zur Druckerei in Essen erforderlich (Folge: Stundenlange Wartezeiten für die Zusteller). Fahrer, die sich beim Abladen der Zeitungspakete verzählen (Folge: Behinderung der Arbeit der Zusteller).
Seit der Umstellung auf Stundenlohn streiten zudem viele der Zusteller mit dem Arbeitgeber um die Berechnung und die Anerkennung der geleisteten Arbeitsstunden. Funke Medien setzt die Arbeitszeiten der Zusteller möglichst niedrig an und gibt damit Akkordzeiten vor ohne Akkordlohn zu zahlen. Mehrere Zusteller suchen daher derzeit Rechtsbeistand und erwägen eine Klage vor dem Arbeitsgericht.
Mit einer Unterschriften-Aktion wollen die Zusteller zusätzlich nun folgenden Forderungen Nachdruck verleihen:
1. Wir fordern gerechte Bezahlung (den gesetzlichen Mindestlohn)
2. Wir fordern eine faire Stundenabrechnung (keine Akkordarbeit zu Dumpinglöhnen)
3. Wir fordern Verbesserungen hinsichtlich der Ablagestellen und die Anerkennung der Nachladezeiten als Arbeitszeiten
Reinhard Gebauer
Die Unterschriften-Sammlung war insoweit erfolgreich, als dass spontan 30 der 50 von mir persönlich im Stadtgebiet angesprochen Boten unterschrieben und 10 weitere aufgrund der von mir verteilten Flugblätter. Die Rechtsfolge war, dass ich von der GMK als Bote bei Fortzahlung der Bezüge bis zum Vertragsende (30.06.2015) von der Arbeit freigestellt und mein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde. Desweiteren wurde mir das Auslegen von Flugblättern an den Ablageplätzen vom Vertriebsleiter der Funke Logistik in Essen unter Androhung von Rechtsfolgen verboten.
Das gleiche Schicksal erlitten zwei Jahre zuvor zwei Botinnen, die in Osterfeld Flugblätter an den Ablageplätzen auslegten, worin sie ohne Angabe von besonderen Gründen um einen Rückruf der Boten baten. Hätten sie zu einer Versammlung zwecks Gründung eines Wahlausschusses zur Wahl eines Betriebsrates eingeladen, wären sie vom Betriebsverfassungsgesetz gedeckt gewesen.
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Autor:Reinhard Gebauer aus Oberhausen |
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