Ein Sportsmann durch und durch
Vor 50 Jahren wurde RWO-Legende Lothar Kobluhn Bundesliga-Torschützenkönig
Die Fußball-Europameisterschaft läuft auf vollen Touren. Nach dem eindrucksvollen Sieg der deutschen Mannschaft gegen Titelverteidiger Portugal macht sich vor dem Spiel gegen Ungarn Hoffnung auf einen letztlich erfolgreichen EM-Verlauf für die deutsche Elf breit. Erinnerungen an glanzvolle Turnierzeiten werden wach. Erinnerungen an Fußball-Ereignisse vor exakt 50 Jahren sind zurzeit auch bei vielen Oberhausenern Gesprächsthema.
Allerdings haben längst nicht alle mehr auf dem Schirm, was vor einem halben Jahrhundert viele RWO-Fans mit Stolz erfüllte und manche Zeitgenossen ungläubig staunen ließ. RWO-Urgestein Lothar Kobluhn wurde 1971 Torschützenkönig der Fußball-Bundesliga.
Ihn hatte niemand auf der Rechnung, denn eigentlich hatte Gerd Müller, der „Bomber der Nation“ und Bayern-Goalgetter, ein „Abo“ auf diesem Titel. Zwei Jahre vor Lothar Kobluhn und drei Jahre nach ihm war das auch so, nur vor 50 Jahren halt nicht. Gerd Müller war darüber so sauer, dass er viele Jahre kein Wort mit seinem Nachfolger und Vorgänger sprach. Bis heute ist der Oberhausener übrigens der einzige Defensivspieler, der jemals Torschützenkönig in der bundesdeutschen Eliteklasse wurde.
Kobluhn schrieb
Fußballgeschichte
Aber noch ein weiteres „Alleinstellungsmerkmal“ trifft auf ihn zu. Er war der erste Spieler der deutschen Fußballgeschichte, der mit der neu eingeführten Roten Karte bestraft wurde. Das war 1970. Beides ist bei den meisten Menschen wohl in Vergessenheit geraten, auch das „Drum und Dran, Hin und Her“ um die Torjägerkanone, die jedem Torschützenkönig „eigentlich“ zusteht. Die aber wurde Lothar Kobluhn vom Sportmagazin Kicker zunächst vorenthalten. Denn das Jahr, in dem die RWO-Vereinslegende Top-Torschütze war, war zugleich das Jahr des Bundesliga-Skandals, der den Fußball in unserem Land nachhaltig aufwühlte.
Fakt war, dass der Kicker die Überreichung der Torjägerkanone verweigerte. Denn es hätte ja sein können, dass gekaufte Spiele zu Kobluhns Torerfolgen beigetragen hätten. Lothar Kobluhn, ein Sportsmann durch und durch, hatte das immer von sich gewiesen, zu Recht, wie die Geschichte lehrte.
Eine späte Geste der
Wiedergutmachung
Über dreieinhalb Jahrzehnte später hat er sie doch bekommen, die Kanone. Exakt an seinem 65. Geburtstag, was als Geste der späten Wiedergutmachung gewertet wurde. Lothar Kobluhn war – natürlich – am Ende der Saison 1970/71 menschlich tief getroffen. Er war halt immer jemand, der das Mensch sein und Mensch bleiben immer hochgehalten hat. Zwischenzeitlich hatte er mit dem Fußball abgeschlossen. Aber Erinnerungen kann man nicht löschen. Zu seinen engen Weggefährten hatte er bis zu seinem Tod im Januar 2019 immer engen Kontakt.
Zu ihnen gehörte natürlich die Aufstiegsmannschaft von 1969, aber auch die Verantwortlichen des RWO-Förderverein. Der Vorsitzende Alfons Fiedler, dessen „Vize“ Wolfgang Feldmann und Rolf Schmidt, der als Archivar die Erinnerungen an Höhen und Tiefen im Vereinsleben festhält, hatten immer einen ganz engen Draht zu Lothar Kobluhn. Noch heute gibt es regen Kontakt mit seinem Sohn Dirk. Im Gespräch mit dem Wochen-Anzeiger haben sie natürlich die Kuriositäten um die Überreichung der Torjägerkanone im Blick. Es habe Lothar auch geschmerzt, dass der damalige Vereinsvorstand nicht um seine Kanone gekämpft habe. Dass hatte zur Folge, dass dieser dann lange Jahre nicht mehr zu „seinem“ RWO ging.
Stolz und große
Dankbarkeit
Letztlich wurde dann aber einiges wieder gut. Dass Lothar Kobluhn überhaupt Torschützenkönig wurde, hat er selbst einmal so auf den Punkt gebracht: „Wenn ich sehe, was unsere Stürmer oft zusammenspielen, dann hält mich nichts mehr, dann muss ich vorne rein.“ Vorne auf dem Spielfeld war Lothar Kobluhn gerne, vorne im Rampenlicht eher weniger. Dennoch steht er noch heute oft im Mittelpunkt, und zwar in Gesprächen und Zusammenkünften ehemaliger Weggefährten. Auf dem Platz war Lothar immer brandgefährlich, außerhalb des Spielfelds ein verträglicher, angenehmer Mensch.
Dass Rot-Weiß Oberhausen ihn in „stolzer Erinnerung“ halten wird. Ist verständlich und vor allem richtig. Gerade jetzt, genau 50 Jahre nach seinem Erfolg als Torschützenkönig, haben Fiedler, Feldmann und Schmidt noch einmal dankbar die Räume des RWO-Archivs betreten und für unsere Redaktion durchstöbert. Es „kobluhnt“ an allen Ecken und Enden. Lothar und sein älterer Bruder Friedhelm haben gemeinsam Vereinsgeschichte geschrieben. Die wird der Förderverein natürlich ganz besonders bewahren und fortschreiben. Schließlich war, ist bleibt Lothar Kobluhn stets jemand, an den sich dankbar und gerne erinnert, nicht nur als Torschützenkönig vor 50 Jahren.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.