RWO: Tradition bewahren - Faszination weitergeben

Peter Seiwert (links, mit RWO-Vorstand Hajo Sommers) galt über viele Jahre hinweg als das „Gedächtnis“ des Vereins. Heute lebt Seiwert in Südafrika - das von ihm ins Leben gerufene Archiv wird sorgfältig verwaltet. Und nun auch digitalisiert.  Foto: Marc Keiterling
  • Peter Seiwert (links, mit RWO-Vorstand Hajo Sommers) galt über viele Jahre hinweg als das „Gedächtnis“ des Vereins. Heute lebt Seiwert in Südafrika - das von ihm ins Leben gerufene Archiv wird sorgfältig verwaltet. Und nun auch digitalisiert. Foto: Marc Keiterling
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Ein langes Wandregal voller Aktenordner, dazu zahllose Kisten und Kartons mit fein säuberlich sortiertem Inhalt. Im RWO-Vereinsarchiv zu stöbern wäre wohl für jeden Fan der Kleeblätter ein kleiner Traum, steckt doch hinter jedem Foto eine rot-weiße Geschichte und zeugt jedes Blatt Papier von einem kleinen Stück einer fast 108-jährigen Fußballtradition. Zwei junge Männer kümmern sich nun darum, das alte Material zukunftsgerecht zu digitalisieren.
Auch wenn der SC Rot-Weiß Oberhausen sicherlich zu den traditionsreicheren Vereinen im deutschen Fußball gehört, so ist das vorhandene Material keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Durch die sehr wechselvolle Vereinsgeschichte ging immer wieder vieles verloren. Gerade wenn es sportlich nicht so gut lief - so wie gerade jetzt - waren selten Zeit und Geld da um sich der Traditionspflege zu widmen. In der Gegenwart ist dies glücklicherweise etwas anders - doch vor allem der Absturz nach dem Lizenzentzug 1989 stellte in dieser Hinsicht praktisch alle Uhren auf Null, denn im allgemeinen Chaos und angesichts über Monate ausbleibender Zahlungen verschwanden unzählige Bilder, Pokale und sonstige Erinnerungsstücke für immer.
Nicht ganz zufällig wurde der Neustart daher von privater Seite vorgenommen. Peter Seiwert, Autor der drei bisher erschienenen Vereinschroniken und Mitglied des RWO-Fördervereins, trug in jahrelanger akribischer Arbeit wieder eine stattliche Sammlung zusammen. Pokale und Plakate aus der Vorkriegs- und Bundesligazeit, Trikots aus allen Epochen, eine vollständige Kollektion des Stadionmagazins, viele Fanartikel sowie unzählige Fotos und Spielberichte auf Video. Dazu skurrile Erinnerungsstücke an die großen Momente der Vereinsgeschichte wie eine Tüte Konfetti von der Aufstiegsfeier 2007 oder die Tafel mit der 3 von der Anzeigetafel der „Alten Försterei“ in Berlin, wo die Rot-Weißen mit einem 3:0-Sieg den letzten Aufstieg in die 2. Bundesliga feierten.
Im Jahr 2010 zog es Peter Seiwert für mehrere Jahre nach Südafrika und das Archiv ging nach zwanzig Jahren unter privater Verwaltung wieder in den Vereinsbesitz über, wo die Pflege der Tradition inzwischen wieder den angemessenen Stellenwert besitzt. Seit zwei Jahren verwalten nun Alexander Hörnschemeyer und Andreas Seifarth das Archiv und stehen vor ganz neuen Problemen. Denn der Zahn der Zeit ist unerbittlich. Papier vergilbt, alte Speichermedien verlieren die auf ihnen gespeicherten Informationen. Deshalb wurde begonnen das Vereinsarchiv in digitaler Form für die kommenden Generationen zu erhalten.
,,Wir haben gerade im Hinblick auf alte Speichermedien die gleichen Probleme wie viele andere Archive. Vor allem VHS- und Video8-Kassetten mit Aufnahmen aus den 80er- und 90er-Jahren sind längst an ihrer Haltbarkeitsgrenze und mussten dringend digitalisiert werden. Da liefen die DVD-Recorder wochenlang im 24-Stunden-Dauerbetrieb, denn analoge Signale können halt nur 1:1 überspielt werden und ein Spiel dauert auch da mindestens 90 Minuten. Trotz allem waren einige einzigartige Privataufnahmen von Spielen aus den Verbands- und Oberligajahren schon unwiederbringlich zerstört“, so Andreas Seifarth.
In den kommenden Monaten soll nun alles folgen was bislang nur auf Papier vorliegt. ,,Allein im Rahmen der Recherchen zu den drei Teilen der Vereinschronik hat Peter Seiwert rund 120 randvolle Aktenordner an Material zusammengetragen, dazu kommen tausende, größtenteils noch unveröffentlichte Fotos, Stadionmagazine, Zeitungsartikel und vieles mehr.
,,Wir können nicht mit Meisterschalen oder Pokalen beeindrucken, aber es gibt etwas, das uns alle an diesem Verein und seiner Geschichte fasziniert und eben diese Faszination wollen wir nicht nur bewahren sondern auch weitergeben. Was bringt es, wenn diese Dinge sicher verstaut im Keller liegen und nur von einigen Wenigen eingesehen werden können? Tradition muss gelebt werden, aber dafür muss man sich ihr bewusst werden können und diese Möglichkeit wollen wir allen Interessierten bieten“, so RWO-Vorstand Thorsten Binder. Die inzwischen vollzogene Einrichtung der Dauerausstellung im Fanprojekt auf der Marktstraße war ein erster Schritt, die Vereinsgeschichte raus aus dem staubigen Keller und zurück ins Bewusstsein der Fans zu transportieren. Binder: „Wir haben dazu viele positive Reaktionen bekommen, das hat uns gezeigt das da viel Interesse besteht, wenn man den Menschen nur die Möglichkeit gibt.“ Deshalb wird parallel zur Digitalisierung der Aufbau einer eigenen Archiv-Homepage im Internet vorangetrieben, wo viel mehr historisches Material präsentiert werden kann als in den bisherigen Archivbereichen der Vereinsseite.
Schon auf Grund des umfangreichen Materials gibt es keinen starren Zeitplan für die Umsetzung des Projekts. Andreas Seifarth: ,,Das alles läuft neben der normalen Arbeit und ist daher auch abhängig vom Verlauf der kommenden Saison, deshalb wollen wir uns da gar nicht künstlich unter Druck setzen. Wir hoffen in einem Jahr mit der grundlegenden Arbeit fertig zu sein, so das wir alles in digitaler Form vorliegen haben und auf dem neuen Online-Portal die ersten Inhalte präsentieren können. Aus dem Rohmaterial dann ein vollwertiges Archiv zu erstellen wird wohl nochmal deutlich länger dauern.“

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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