Museumsreise in die 60er und 70er Jahre
ZERO, Pop-Art und Minimal
Von der Heydt-Museum Wuppertal, Turmhof 8, Ausstellung vom 10. April 2022 bis zum 16. Juli 2023
ZERO, Pop und Minimal - Die 1960er und 1970er Jahre
Für viele von uns kann es eine Reise in die eigene Jugend sein, andere verstehen vielleicht ihre Elterngeneration besser. Die 1960er Jahre waren ein Jahrzehnt der Revolte - alles war im Umbruch! Die Menschen befreiten sich aus den verkrusteten Strukturen der Nachkriegs- und Wirtschafts-Wiederaufbau-Zeit.
Erstmals war Urlaub und Verreisen etwas für die Massen - man kam in Kontakt mit dem "Ausland" und fremden Sitten und Gebräuchen - im Gegenzug gab es Anwerbeabkommen für die sogenannten Gastarbeiter - der Südländer wurde zum Kumpel.
Der Kommunismus blieb die "Rote Gefahr" - politisch war es der Kalte Krieg - und im fernen Vietnam war der Kriegsschauplatz für Ost gegen West. Die Fernsehserie "Ekel Alfred" bringt es auf den Punkt: Arbeiter die sich verstehen als "Er soll der Herr sein", Hausfrauen wie die "dusselige Kuh Else", Söhne wie die "linke Sozi-Socke", allgemein Verdächtige die Knoblauch essen, ...
Andere Teile der Gesellschaft stellten in Frage: Soziale Vorgaben, den Staat und die angepasste ängstliche Gesellschaft .... Die 68er waren eine weitere Zuspitzung. Es gab eine außerparlamentarische Opposition, öffentliche Diskussionen um gesellschaftliche und politische Themen, neue Formen der Meinungsäußerung wie eine neue Protest- und Demonstrationskultur.
Gleichzeitig aber auch Verträge über den Beginn einer europäischen Zusammenarbeit in Westeuropa und Freiheitsbestrebungen in Osteuropa, die militärisch unterdrückt wurden.
Die Konjunkturschwäche und Arbeitslosigkeit in der BRD führte zu Lohnkürzungen und Arbeitslosigkeit - die Wohlfahrt als Gnade des Staates wurde in "Anspruch auf Sozialhilfe" für unverschuldet in Notlagen geratene Menschen umbenannt.
Politisch motivierte Attentate erschüttern und verunsichern die Gesellschaft - das Demokratiemodell des Staates wird von der RAF herausgefordert. Ostermärsche demonstrieren für Gewaltfreiheit und Abrüstung, "Make Love not War" und die freiere Sexualmoral einhergehend mit der Antibabypille. Woodstock und der Minirock, "Bed-In" von John Lenon und Yoko Ono für Frieden und gegen den Krieg.
Wer kann sich noch an das Festival vor der Grugahalle in Essen erinnern, tausende Langhaarige im Schlafsack mit Gitarre und Lieder von Frieden und Liebe ...
und heute? Ist mit dem Haarausfall auch die positive Energie und der Drive von einst abhanden gekommen?
Die Kunstausstellung im Von der Heydt-Museum Wuppertal führt gedanklich wieder in die zerrissene, wilde, aufrührerische und wahnsinnig spannende Zeit von damals zurück.
Empfangen wird man im eigenen Kinderzimmer - Licht und Bewegung - wer auf sich hielt hatte damals ein Mobile à la Caulder unter der Decke und den Versuch eines Nagelbildes (mit Wollfäden?) als Nachahmung eines Uecker an der Wand. Sinn: Die visuelle und körperliche Wahrnehmung schärfen und den Raum einbeziehen.
Weiter geht es zum Bereich Experiment und Wissenschaft: Kinetische Skulpturen und Besucher stehen in aktiver Interaktion.
Fluxus - Kunst wird auf die Straße gebracht, ein "Happening" als Aktion für alle Sinne, Nonsens als System, witzig, subversiv. Musikinstrumente die nur quieken können, Geige spielen war als Aktion das genüssliche Zertrümmern des Holzkastens, ...
Unvergessene Nächte im Festival von Avignon kommen in Erinnerung- als selbst ein Circus sich als Anti-Circus auf den Kopf stellte... Ich hab es geliebt!
Landart - Kunst entdeckt neue Medien - mein Kopfkino lässt mich wieder am Strand Kreise in den Sand ritzen und Skulpturen träufeln...
Optical Art - Vasarely's irre optische Effekte mit geometrischen Formen - früher im Kunstunterricht nachgezeichnet und neulich noch im Baumarkt auf Tapete gesehen.
Pop Art - na klar, Andy Warhol, hier als Mao 10fach an der Wand - Kunst wurde reproduzierbar und als Siebdruck für Massen in eine andere Verständnisebene gehoben. Mein Kopfkino lässt mich wieder mit Plakafarbe am bunten Hrubbesch pinseln ...
Minimalisten - weg mit dem Dekoplunder, hin zu Klarheit und scheinbarer Objektivität - lieber kleine Details und Feinheiten beachten. Mehr Aufmerksamkeit für die Lichtenergien.
Ich habe meine Gartenmauer in "beton brut" gestaltet - die zarten Zementausblühungen und erste Flechten im Alterungsprozess rahmen die bunt blühenden Sträucher - meine Nachbarschaft Modell Alfred (s.o.) versteht es nicht, tja ...
Demokratie in der Kunst fordert, die Skulptur vom Sockel herab zu holen und neben den Betrachter gleichrangig auf den Boden zu setzen.
Kunst für alle! Das neue demokratische Verständnis bringt Kunst in den öffentlichen Raum, es gibt Straßenkunstfestivals, die Städte leben dank der Künstler die sich außerhalb der Hochkunst vom Volk fürs Volk einbringen. Der Staat zieht sogar nach und verankert in den Bauvorschriften, dass 1% der Baukosten von öffentlichen Gebäuden für Kunst im Außenbereich ausgegeben werden müssen!
Raum 10 des Rundgangs bringen uns in die nähere Vergangenheit - der Neue Realismus ist inspiriert vom Alltagsleben. Aus Amerika schwappt die bunte Pop Art herüber - wer hatte eigentlich keine "Pril-Blumen" auf irgendwelchen Fliesen kleben? Ging nicht ohne!
In der Eurozone und besonders in Paris war man etwas feinsinniger - unvergessen wie ein damals junger Klapheck ganz realistisch Maschinen mit Haarpinsel malte/zeichnete und ihnen menschliche Eigenschaften zukommen ließ - die monoton stichelnde Nähmaschine war die wütende Braut, die ihn ausschimpfte! Er hat sie übrigens trotzdem geheiratet und war lange sehr glücklich!
Jedenfalls wollte niemand in die Badewanne des Dieter Krieg eintauchen - der jedenfalls noch die Kunststudenten bis heute inspiriert!
Wuppertal bietet eine mit viel liebevoller Arbeit inszenierte Ausstellung, die zusammen mit dem eigenen Kopfkino tolle Erinnerungen weckt!
Autor:Dorothea Weissbach aus Oberhausen |
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