Pflege
Wer soll's machen?

Naira Pahlevanyan (Mitte) hat im April 2019 ihre Ausbildung als Pflegerin im Katholischen Klinikum Oberhausen (KKO) begonnen. Die gebürtige Armenierin hat bereits in ihrer Heimat in der Pflege gearbeitet. | Foto: KKO
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  • Naira Pahlevanyan (Mitte) hat im April 2019 ihre Ausbildung als Pflegerin im Katholischen Klinikum Oberhausen (KKO) begonnen. Die gebürtige Armenierin hat bereits in ihrer Heimat in der Pflege gearbeitet.
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Patient Pflege? Harte körperliche Arbeit, emotionale Herausforderungen und eine hohe Flexibilität schrecken viele Menschen vor einer Arbeit in der Pflege ab. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Berufsstand deshalb mit großem Aufwand attraktiver machen. In unserem Interview nahm er aber auch die Einrichtungen in die Pflicht, mehr Personal einzustellen. Doch wie reagieren diese? Wir hörten uns stellvertretend beim Katholischen Klinikum Oberhausen (KKO) um und sprachen mit Pflegedirektorin Bernadette Berger.

"Wir finanzieren nicht nur 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege. Auch jede zusätzliche Pflegekraft in den Krankenhäusern wird voll finanziert. Jetzt können die Kliniken nicht mehr sagen, dass kein Geld für mehr Personal da ist", sagte uns Jens Spahn.

Bürokratie soll abnehmen

So will er dafür sorgen, dass die Pflegefachkräfte wieder mehr Zeit mit den Patienten anstatt mit Bürokratie und Organisation verbringen. Dieser Vorschlag von der Umverteilung wird beim KKO zwar sehr begrüßt, stellt sich aber in der Praxis deutlich schwieriger dar als in der Theorie. "Es ist schön, dass er 13.000 neue Stellen finanzieren will, allerdings sind die Menschen nicht auf dem Markt", sagt Bernadette Berger. "Trotzdem sollen die Kliniken neues Personal einstellen. Geschieht das nicht, wird der Einrichtung vom Bundesgesundheitsministerium eine Geldstrafe aufgebrummt." Die Pflegedirektorin weiß, wovon sie spricht: Neben drei Kliniken betreibt das KKO drei Pflegeheime und drei ambulante Pflegedienste und ist damit größter Arbeitgeber im Gesundheitsbereich in Oberhausen.

Niemand kann gezwungen werden

"Wir vom Jobcenter versuchen jungen Menschen den Pflegeberuf schmackhaft zu machen, allerdings kann man auch niemanden zwingen. Für einen so wichtigen Job muss man zudem auch gemacht sein", sagt Josef Vogt, Sprecher des Oberhausener Jobcenters.
Doch selbst wenn sich die 13.000 Kräfte finden ließen, würde das nicht viel ändern. "Alleine wir vom KKO beschäftigen 2.200 Menschen. Wenn sie das auf alle Pflegeeinrichtungen in Deutschland hochrechnen, bleibt da nicht viel übrig", gibt Berger zu bedenken.
Immer mehr Menschen sind auf Pflege angewiesen. Das liegt daran, dass die Bevölkerung immer älter wird. Im Jahr 2017 waren in Deutschland 3,41 Millionen Menschen pflegebedürftig, Tendenz steigend.

"Lobbyisten beeinflussen Gesetzgebungsverfahren"

"Vieles wird in der Politik nur halb gedacht. Das Pflegeberufegesetz erfüllt beispielsweise nicht die EU-Richtlinien. Das ist halbherzig", ärgert sich Berger. "Das liegt daran, dass Lobbyisten das Gesetzgebungsverfahren massiv beeinflusst haben."
Dementsprechend seien auch andere Gesetze nicht bis zum Ende durchdacht. "In der neu geregelten Pflegeausbildung ist es gut, dass die jungen Menschen Einblicke in alle Berufsfelder der Pflege bekommen, was die Spezialisierung der Pflegefachkräfte begünstigt." Bislang war die Kinder-, Gesundheits- und Altenpflege in der Ausbildung getrennt. Diese soll jetzt generalisiert werden.
Aktuell bildet das KKO 115 Azubis im Pflegebereich aus, wovon 28 erst im April ihre Ausbildung begonnen haben. Bergers Leitsatz: "Die Pflege muss so durchgeführt werden, wie wir selbst betreut werden möchten." Damit das gelingt, müssen auch die Arbeitsabläufe neu überdacht werden. "Wichtig ist, dass die Dokumentationsarbeit zurück geht."

Bergers großer Traum

Zum Schluss äußert Berger ihren persönlichen Traum. "Mein Wunsch wäre, dass eine Pflegefachkraft für vier bis sechs Patienten zuständig ist." Aktuell sieht das jedoch noch ganz anders aus. In der Nachtschicht sind im KKO zwei Pflegefachkräfte im Durchschnitt für 35 Patienten zuständig.

Lesen Sie auch unsere Interviews mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Krankenpfleger Andreas Erdmann aus Oberhausen.
Alle Artikel unserer verlagsweiten Pflegeserie finden Sie hier.

Naira Pahlevanyan (Mitte) hat im April 2019 ihre Ausbildung als Pflegerin im Katholischen Klinikum Oberhausen (KKO) begonnen. Die gebürtige Armenierin hat bereits in ihrer Heimat in der Pflege gearbeitet. | Foto: KKO
KKO-Pflegedirektorin Bernadette Berger sieht den politischen Forderungen in der Pflege skeptisch entgegen.  | Foto: KKO
Autor:

Christian Schaffeld aus Oberhausen

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