JEDER ZAUN HAT ZWEI SEITEN!
GABENZÄUNE IN CORONAZEITEN

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Gabenzäune - schnell und unkompliziert helfen. Doch ist es wirklich so unkompliziert? 

Oberhausen hat jetzt wie viele andere Städte auch sogenannte Gabenzäune. Dort können Menschen, die helfen möchten Tüten mit Kleidung, Lebensmitteln und Hygieneartikeln aufhängen. 
Bedürftige können sich dann etwas weg nehmen. Am besten ist, wenn die Beutel beschriftet sind, damit man weiß was drin ist und der Inhalt in die "richtigen" Hände kommt. 
Ich war am Gabenzaun in Sterkrade (Nähe Bahnhof), um dort etwas für bedürftige Menschen aufzuhängen. Natürlich habe ich dann da auch etwas Zeit verbracht, mir angeguckt, was da so am Zaun hängt und wie Bürger darauf reagieren. Eigentlich ein schöner Anblick, wo doch jeder Beutel dafür steht, etwas Leid zu lindern. Doch einige Stellen sahen echt "geplündert" aus. Aufgerissene Plastikbeutel, die nur noch in Fetzen am Zaun hingen, raus gefallenes Obst auf dem Boden, was keiner mehr aufheben wollte. 
Während ich da so stand, wurde ich von einer Frau angesprochen, die jeden Beutel "untersuchte", ob sie den Inhalt gebrauchen könnte oder nicht. Sie erzählte mir, dass sie bereits am Gabenzaun am Druckluft war, aber dort nur noch Kleidung und keine Lebensmittel mehr waren. Jetzt sei sie extra nach Sterkrade gefahren. Sie würde aber nur Beutel nehmen, wo verpacktes Essen drin sei. Obst und Gemüse ohne Verpackung kämen für sie nicht in Frage. Da hätte sie zu viel Angst, dass dort das Corona-Virus drauf sei. 

Die Gabenzäune sollen ein Ausgleich zur Tafel sein, die coronavirusbedingt schließen musste. Obdachlose und bedürftige Menschen haben jetzt viel weniger Möglichkeiten. Die Straßen und Fußgängerzonen sind überwiegend leer. Kaum Menschen, die man anbetteln kann oder die einem eine hilfsbereite Geste zukommen lassen, Pfandflaschen zum Sammeln gibt es auch kaum mehr. Wichtige Pfeiler (Hilfsangebote) für sie brechen somit weg. Die Gabenzäune können solche Defizite bedingt auffangen. 

Unterschiedlich bedürftige Menschen kommen zu den Gabenzäunen. Viele haben kein Geld, können sich keine Nahrung kaufen. Anderen fehlt es an (wetterfester) Kleidung. Manche haben keine Seife, kein Shampoo, aber auch kein Toilettenpapier zur Körperpflege. Und andere sind sogar obdachlos, haben gar nichts, wissen noch nicht mal, wo sie friedlich die Nacht verbringen können. 
Ich kann mir vorstellen, dass es für einige eine große Überwindung ist, sich unter den Blicken anderer Menschen einen Beutel abzumachen. Da sind Gefühle wie Scham und Unsicherheit im Spiel. Hoffentlich werde ich nicht gesehen. Oder sieht es zu gierig aus, wenn ich mir zwei Beutel abmache? Bin ich auch hilfebedürftig, wenn ich nicht obdachlos bin, aber ohne Arbeit und alleinerziehend drei Kinder versorgen muss? 

Ich habe gesehen, wie sich Menschen über eine einzelne Rolle Klopapier in einem Beutel gefreut haben. Habe gesehen, wie eine junge Mutter mit zwei Kindern lange dort gesessen hat und immer wieder zum Zaun hingegangen ist, wenn etwas neues aufgehangen wurde und sie glücklich war, wenn sie etwas gebrauchen konnte. 
Dieser improvisierte Zaun aus Bauelementen steht für Ehrenamt, Engament und Solidarität und lindert kurzfristig die ein oder andere Not. 

Doch so wie jeder Zaun hat auch der Gabenzaun "zwei Seiten". Ich möchte euch etwas von der negativen Seite berichten. Überlegt mal:
Was ist mit der Gefahr einer Corona-Ansteckung rund um die Sammelplätze? Kann der Infektionsschutz gewährleistet werden? Wird der Mindestabstand eingehalten? Eigentlich sollen doch Menschenansammlungen vermieden werden. 
In Hamburg gibt es seit mehreren Jahren einen Gabenzaun für Obdachlose und Bedürftige. Dieser Gabenzaun darf wegen dem Coronachaos jetzt  nicht mehr bestückt werden. Er ist sozusagen "geschlossen". Ansammlungen sollen verhindert und eine mögliche Ansteckung soll vermieden werden. 

Eigentlich skurril. In Hamburg wird ein Gabenzaun coronabedingt vorübergehend abgeschafft. In Oberhausen und anderen Städten wird er coronabedingt ins Leben gerufen. 

Desweiteren gibt es Hilfsbeutel am Zaun, deren Inhalt fragwürdig ist. Die Nahrungsmittel in den Tüten sind dem Wetter ausgesetzt. So befinden sich zum Beispiel abgelaufene Lebensmittel in den Tüten oder Produkte, deren Kühlkette unterbrochen wurde. Bestes Beispiel von gestern: Da ist  in einer Tüte ein Paket Kartoffelsalat von Homann. Soll ja bekanntlich gut schmecken und auch nicht unbedingt zu den billigsten Fertig-Kartoffelsalaten gehören. Doch, wenn dieser mehrere Stunden, vielleicht sogar Tage in der Frühlingssonne am Zaun hängt, möchte ich ihn nicht mehr essen. Warum spenden Menschen Produkte, die von der Lebensmittelüberwachung so nicht akzeptiert würden? Machen sie sich keine Gedanken darüber oder ist es ihnen egal getreu dem diskriminierenden Motto für Obdachlose und Bedürftige: "Ist doch egal, was die kriegen. Hauptsache was zu essen. Ist besser als nix." 
Dadurch können sich Menschen Lebensmittelinfektionen zu ziehen. 
Ein Obdachloser hat nicht die Möglichkeit, das Obst und Gemüse aus der Spendentüte vor dem Verzehr zu waschen. Einen Sparschäler oder ein Messer um die Schale zu entfernen, hat er  auch nicht unbedingt in der Tasche. 
Zudem kann man nicht ausschließen, dass durch fehlende Hygiene und Unachtsamkeit Coronaviren weiter gegeben werden. 

Die Kleidung in den durchsichtigen Plastikbeuteln ist auch nicht unbedingt gewaschen, so wie es eigentlich gewünscht ist. Von daher bleiben dreckige, fleckige und stinkende Pullover, Jacken und Co natürlich hängen. 
Selbst gewaschene Kleidung zieht nachts Feuchtigkeit in den Tüten. Und bei Regen und nicht richtig zugeknoteten Beuteln wird die Textilie nass und muffig. Also weitgehend ein "Ladenhüter". 

Heruntergefallene Lebensmittel bleiben oftmals auf dem Boden liegen, weil die Menschen nicht mehr dran kommen (liegt im Inneren der Zaunelemente) oder es nicht mehr möchten, weil es auf dem dreckigen Boden liegt. 
Dieses Essen wird nicht mehr verzerrt, aber lockt Ungeziefer wie Ratten und Mäuse an, wenn es über einen gewissen Zeitraum dort liegt. 

Teilweise werden Gabenzäune in Deutschland auch von Menschen geplündert, die gar nicht hilfebedürftig sind. Die nehmen die Beutel mit, obwohl sie es sich eigentlich selbst leisten könnten; für den Eigenverbrauch oder um es weiter zu verkaufen. So kommt Geld ins Portemonnaie. Die "Corona-Mafia" hat überall ihre Hände mit drin. 

Die Mitarbeiter vom Ordnungsamt haben genug zu tun und können nicht den ganzen Tag Gabenzäune bewachen. 

Die Idee hinter den Gabenzäunen ist grundsätzlich gut gemeint. Beobachtet man das ganze, so tun sich Probleme und Schwierigkeiten auf. Es gilt genau zu überdenken und gegeneinander aufzulisten. Macht es weiter Sinn? Ist es das wirklich wert? Kann ich eventuell auf andere Art und Weise helfen? 

Jeder muss sich da für sich selbst Gedanken machen. Man kann niemanden zwingen zu helfen und auch niemanden vorschreiben, dies nicht zu tun. 
Aber denkt an eure Gesundheit und die eurer Mitmenschen. 

"Einem Menschen zu helfen, mag nicht die Welt verändern, aber es kann die Welt für diesen einen Menschen verändern."

Autor:

Nina Benninghoff aus Oberhausen

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