CORONA HAT DEN FAMILIENALLTAG VERÄNDERT
EINE MUTTER IM LOCKDOWN ERZÄHLT

Viele Eltern befinden sich seit Wochen im Dilemma. Die Schulen sind dicht, der Kita-Betrieb ist eingeschränkt, der gewohnte Rhythmus fehlt.
Wo ist der ganz normale Alltag? Kommt er überhaupt je wieder zurück?

Ich sprach mit Paula Katzner*, Mutter, Ehefrau und Arbeitnehmerin aus dem Ruhrgebiet. Dabei ist sie momentan eigentlich viel mehr als das: Lehrerin für verschiedenste Fächer, Managerin, EDV-Technikerin, Mental Coach,... um nur eine kleine Auswahl ihrer derzeitigen Tätigkeiten zu nennen.

Frau Katzner berichtet mir über den derzeitigen Lockdown und seine Auswirkungen per Zoom Interview. Sie benutzt zu Beginn einen Satz, den ich in den letzten Monaten immer wieder von unterschiedlichen Personen höre: "Es ist alles irgendwie anders geworden!"
Sie ergänzt weiter: "Wobei man ja eigentlich das ganze Spielchen schon im letzten Jahr auch kannte. Aber dieses Mal ist es sehr lange und sehr zähflüssig."

Paula Katzner ist ein sehr strukturierter und organisierter Mensch. Ihr fehlt der normale Tagesablauf. Es ist nicht mehr alles so geregelt und geplant wie es vorher war. Die Schulen sind geschlossen, die Kinder können nicht zum Sport, Termine fallen weg,... Der Tag muss umstrukturiert werden.
Auch beruflich bringt die derzeitige Situation viele Veränderungen mit sich. Frau Katzner arbeitet als Erzieherin in einer Kindertageseinrichtung. "Es ist ein ganz anderes Arbeiten als sonst. Eigentlich ist es eine reine Notbetreuung. Viele Sachen, die man vorher gemacht hat, kann man so gar nicht mehr handhaben. Der Fokus wird auf's reine Betreuen gelegt."

Die sympathische Erzieherin hat auch vor Corona nur in Teilzeit gearbeitet, so dass sie immer noch genug Zeit für Haushalt und Familie hatte. Momentan hat sie das große Glück, dass sie auf der Arbeit die Frühschichten abdecken kann, während ihr Ehemann auf seiner Arbeitsstelle später anfangen kann. So sind die beiden Kinder zuhause nicht so lange auf sich alleine gestellt. Ihr ist natürlich bewusst, dass nicht jede Familie solche Möglichkeiten hat.
Frau Katzner denkt oft darüber nach, wie sich andere Eltern und Familien in dieser Zeit fühlen. Wo es mitunter schwieriger ist, wenn man sich nicht so strukturieren kann, dass überwiegend ein Elternteil zuhause ist, wo Eltern keinen Kinderkrankenschein nehmen können, da dies auch finanzielle Einbußen mit sich bringt, wo Eltern sich nicht über bestimmte Sachen einig sind, wo nicht verschiedene Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein eigener Garten zur Verfügung stehen,...  .

Die beiden Söhne von Paula Katzner kennen den Lockdown und die geschlossenen Schulen vom letzten Jahr. Ihr Sohn Jakob, der die Grundschule besucht, geht ein Mal in der Woche zur Schule und holt sich entsprechende Materialienpakete bei seiner Klassenlehrerin ab. Das findet seine Mutter sehr gut, da die Lehrerin so immer wieder einen Kontakt mit den Schülern hat. Sie erkundigt sich nach deren Befinden und fragt wie sie mit den Aufgaben klar kommen. So gibt es wenigstens ein Stück weit persönlichen Kontakt.
Ansonsten läuft in der Grundschule natürlich auch viel über IServ (Onlineplattform der Schule). Ein Mal wöchentlich läuft eine Videokonferenz, wo sich alle sehen. Ansonsten haben die Kinder Wochenpläne, die aber in einen Stundenplan eingeteilt sind, so dass man jeden Tag weiß, was man machen muss bzw. welche Aufgaben anstehen.

Ihr älterer Sohn Jan besucht die weiterführende Schule. Dort findet alles ausschließlich nur online statt. Selbständiges Lernen, relativ wenig Videokonferenzen und viele Wochenaufgaben, die gemacht werden müssen, wo eigenständiges Arbeiten gefragt ist. Die Aufgaben müssen ein Mal in der Woche hochgeladen werden. "Es gibt zwar Sprechstunden der Lehrer und auch über Foren und Messenger werden Dinge gemacht, aber es ist natürlich etwas anderes als eine Videokonferenz."

Ihre beiden Kinder würden sich riesig freuen, wieder in die Schule zu gehen; natürlich auch um ihre Freunde und sozialen Kontakte zu haben. "Ich bin froh, wenn sich die Lage entspannt hat und die Kinder endlich wieder zur Schule können, weil sie das einfach auch brauchen. Immer nur mit dem Bruder zusammen sein, ist auf Dauer natürlich auch schwierig."
Frau Katzner und ihr Mann gucken, dass der Alltag der Kinder so strukturiert ist wie zu normalen Schulzeiten. Die Kinder stehen rechtzeitig auf und sitzen gegen 8 Uhr an ihren Aufgaben, damit auch das meiste bis zum Mittag geschafft ist. Die beiden Jungen machen ihre Schulaufgaben erst mal alleine. Paula Katzner und ihr Mann sind als Eltern natürlich involviert bei bestimmten Fragen, die nicht verstanden werden, bei technischen Sachen, die nicht klappen,... .
Wenn Frau Katzner morgens arbeiten und ihr Mann zuhause ist, kümmert der sich genau so um das Home Schooling. Die beiden teilen sich die Aufgaben. "Mein Mann ist bei uns derjenige, dem Mathe mehr liegt und ich bin diejenige, die die Kinder bei Deutsch mehr unterstützen kann. Wir teilen uns da auf und gucken, wem was mehr liegt. Das finde ich natürlich super. Ich glaube, ich würde wahnsinnig werden, wenn alles an mir alleine hängen bleiben würde."

An manchen Tagen bleibt der zweifachen Mutter für sich selbst kaum bis keine Zeit. Das Ehepaar Katzner hat aber den Anspruch, dass das mit den Schulsachen für die Kinder auch gut läuft. Sie möchten nicht, dass irgendwelche Lücken nachher entstehen.
Die leidenschaftliche Läuferin guckt, dass sie zwei bis drei Mal die Woche abends eine Stunde joggen gehen kann. Das ist ihre persönliche Auszeit. Zeit, die sie nur mal für sich hat.
Die Familie versucht das Beste aus dem Alltag zu machen und hofft darauf, dass wieder bessere Zeiten kommen.

Wenn Frau Katzner von der Arbeit nach Hause kommt, wird sie erst mal von den Kindern "überfallen". Die Kinder zeigen, was sie alles schon gemacht haben. "Als Mutter guckt man dann natürlich, ob das wirklich alles geschafft und erledigt ist. Danach steht auch direkt der Haushalt für mich an. Es muss gekocht, gewaschen und geputzt werden. Dann wird eine Mittagspause gemacht. Nachmittags sind manchmal noch Aufgaben oder andere Dinge zu erledigen. Es müssen zum Beispiel Sachen in der "Anton App" gemacht werden. Sowas kann man ganz gut mittags machen oder noch mal was recherchieren oder für Kunst muss noch das ein oder andere Bild gemacht werden."
Frau Katzner versucht ihre Söhne bei Laune zu halten und jeden Tag an die frische Luft zu bekommen, was manchmal echt schwierig ist. "Abends gibt es Zoom Meetings vom Sportverein, wo die Jungen ihr Training machen oder wir als Eltern auch schon mal. Dann gehen wir noch joggen, mit dem Hund spazieren und versuchen so den Tag mehr oder weniger gesund über die Bühne zu bekommen."

Beim Home Schooling spielt natürlich auch das technische Equipment eine wichtige Rolle. Nicht jede Familie hat dafür die finanziellen Möglichkeiten. Und wenn man zwei oder mehrere Kinder hat, die zeitgleich eine Videokonferenz haben, so braucht man auch für jedes Kind ein Gerät.
Frau Katzner weiß aus eigener Erfahrung, dass das Problem oftmals auch die Internetverbindung ist. "Schnell ist auch der Server überlastet, wenn beide Kinder zeitgleich im Internet sind."

Jakob ist im vierten Schuljahr und der Übergang zur weiterführenden Schule steht bevor. "Da machen wir uns als Eltern natürlich schon Gedanken, ob er jetzt wenigstens das letzte halbe Jahr in seiner Grundschule/in seiner Klasse verbringen kann, weil gerade die Grundschule ja doch ein bißchen behüteter ist und noch mal ein anderes Gefühl als eine riesengroße weiterführende Schule. Das wäre natürlich total schön, wenn man das dem Kind hoffentlich noch mitgeben könnte für's letzte halbe Jahr. Und bei unserem großen Sohn Jan machen wir uns natürlich auch Gedanken mit dem ganzen Stoff, wie das alles so läuft. Das sind dann nicht unbedingt Ängste und Sorgen, aber schon so Gedanken, die man sich macht, ob alles gut läuft. Und dann stellt man natürlich seine eigenen Sachen hinten an. Aber letztendlich ist es so, dass wir einfach nur total froh sind, wenn wir alle gesund sind und gesund bleiben. Und das ist wichtiger als alles andere."

Mit diesen Schlussworten möchte ich mich bei Frau Katzner für ihre offenen Worte bedanken und ihr stellvertretend für alle Familien, die durch diese schwere Zeit müssen, alle Gute wünschen.

*Name geändert

Autor:

Nina Benninghoff aus Oberhausen

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