WAS EIN WIRRWARR
ANDERS IST NORMAL UND JETZT WIEDER ANDERS

An Fronleichnam sagte der Priester in der Kirche, dass wir Fronleichnam dieses Jahr anders feiern als sonst. Dieses kleine Wörtchen anders klang noch eine Zeit in mir nach.
Muss das eigentlich nach über einem Jahr Pandemie noch erwähnt werden? Seit über einem Jahr ist alles anders. Ein langer Zeitraum, in dem sich vieles verändert hat. Zu Beginn war es anders, aber dann wurde ein normal daraus. Corona ist in unseren Alltag eingezogen. Tagtäglich halten wir uns an Regeln und Auflagen. Irgendwann war es nicht mehr anders, sondern der normale Alltag. Haben wir nicht trotz aller Sorgen und Nöte versucht ein halbwegs normales Leben zu führen? 

Um noch einmal auf das Fronleichnamsfest zurück zu kommen: Wir haben es letztes Jahr auch schon anders als sonst gefeiert. Und dies war auch mit anderen kirchlichen Festen so, z. B. Ostern, Pfingsten und Christi Himmelfahrt. 

So ein kirchliches Fest, war 2020 für viele Menschen eine völlig neue Erfahrung, da es anders gefeiert und begangen wurde. In diesem Jahr kannten wir dieses andere Fest, dieses andere Feiern doch noch vom letzten Jahr. Somit war es doch dieses Jahr irgendwie normal, dass wir es erneut anders erleben und feiern.
In eigener Sache möchte ich gerne anmerken, dass sich die katholische Kirche in Oberhausen einiges hat einfallen lassen, um die Christen in einer Zeit ohne Gottesdienste, wo man Feste anders feiert, zu erreichen. Durch dieses Anders wurden meiner Meinung nach auch Menschen erreicht, die sonst nicht so viel mit Kirche zu tun hatten. Wir haben gesehen: Kirche kann auch anders. 

Normal steht für alltäglich und natürlich auch der Regel entsprechend.
Das Beispiel mit den kirchlichen Festen in Bezug auf anders und normal lässt sich in ganz vielen Bereichen finden. 

Beispiel Supermarkt:
Zutritt nur mit Einkaufswagen und Mundschutz, begrenzte Personenzahl - all dies war für uns zu Beginn von Corona anders. Aber dann wurde es alltäglich und der Regel entsprechend; also normal. 

Beispiel Veranstaltungen und Freunde und Familie treffen:
Kein Kino, keine Kneipe, kein Theater, kein Konzert, kein Picknicken mit seinen Lieben am See mehr. 
Was erst unvorstellbar war und unsere Freizeitgestaltung in ein völlig anderes Licht rückte, wurde alltäglich und der Regel entsprechend; also normal.

Es gibt unzählige Beispiele, wo anders zu normal wurde.
Man könnte auch sagen, dass wir seit dem letzten Jahr eine neue Normalität leben; und das in allen Lebensbereichen: dem Familienleben, dem Arbeitsleben und dem Sozialleben. 
Ganz klar hat diese neue Normalität Vorteile gebracht, aber auch viele neue Probleme geschaffen und bestehende Probleme verstärkt.
Die Pandemie hat bestimmte Gruppen härter und heftiger getroffen als andere. Demzufolge wuchs auch die Ungerechtigkeit.
Corona und die neue Normalität stellen uns vor große Herausforderungen mit wirtschaftlichen, gesundheitlichen, sozialen und psychischen Krisen. 

Ist die neue Normalität also die einer Krise???

Und jetzt verändert sich dieser normale Alltag, diese neue Normalität wieder. Dabei leben wir doch seit über einem Jahr mit ihr. 
Also wird aus normal nun doch wieder anders?!?
Haben wir jetzt vielleicht sogar eine Normalität 2.0?

Die Zahlen gehen zurück, immer mehr Menschen sind geimpft, Restaurants und Biergärten haben wieder geöffnet, Schüler gehen wieder jeden Tag in die Schule zum Präsenzunterricht, der Home Office Mitarbeiter kehrt zurück ins Büro,...  . 

Sind wir wirklich alle schon wieder bereit für diese Veränderung, für dieses erneute anders? 

Oder wollen wir noch irgendwie an diesem Corona Anders festhalten und noch nicht in die alte Normalität zurückkehren? Wie viel "früher" wollen wir überhaupt wieder? 

Es gibt bestimmt Menschen, deren Leben sich durch Corona entschleunigt hat, wenn auch gezwungenermaßen. Deren normaler Alltag vor der Pandemie anstrengend, herausfordernd und auch überfordernd war. Dieser normale Alltag wurde durch "Alles ist plötzlich anders" verbessert, entschleunigt und weniger verpflichtend, dafür aber als wohltuend empfunden. Vielleicht hat Corona sie auch in gewisser Weise vor einem Burn Out gerettet. Sie haben hoffentlich erkannt, dass in ihrem Leben etwas anders laufen muss. 

Bestimmte Branchen und Menschen wurden richtig hart von Corona getroffen. Seit Wochen, seit Monaten müssen sie um`s Überleben, um ihre Existenz kämpfen. Für sie hätte es schon viel schneller wieder anders laufen sollen. Die alte Normalität wurde so sehr erwartet und herbei gesehnt.

Fakt ist, dass es ein Prozess ist, sich wieder an die alte Normalität zu gewöhnen bzw. sich wieder in den anderen Alltag einzufügen. 
So lange war alles anders. Jetzt muss man sich erst wieder an das Normale gewöhnen. 
Der Alltag wird wieder ein anderer. Beruflich und privat wird es für viele wieder anders laufen. Die Rückkehr zur Normalität wird nicht ganz so einfach werden. 

Ist es nicht verständlich, wenn eine Mutter sich immer noch sorgt, wenn ihr Kind jetzt wieder mit allen anderen 25 Schülern im gleichen engen Klassenraum sitzt? 
Ist es nicht verständlich, wenn sich der Mitarbeiter komisch fühlt, wenn er sich jetzt wieder mit seinen Kollegen ein Büro teilen muss? 

Waren die ganzen Corona Auflagen vielleicht nicht sogar auch für den ein oder anderen eine willkommene Art und Weise zu etwas "Nein" zu sagen, etwas zu umgehen? War Corona vielleicht sogar etwas wie eine Standardausrede?
Ich würde ja gerne wieder ins Sportstudio gehen, aber es ist ja leider seit Wochen geschlossen. Schade. Ich wäre ja gegangen. 

Auf den Geburtstag der Schwiegermutter habe ich nicht wirklich Lust. Gut, dass es Kontaktbeschränkungen gibt. So brauche ich nicht hingehen. 

Gut, dass ich im Home Office bin. So brauche ich mich nicht jeden Tag auf der Arbeit mit dem ätzenden Kollegen rum ärgern und das längst überfällige Gespräch mit ihm führen. 

Vielleicht hat Corona einige Menschen auch zum Umdenken gezwungen. Vielleicht haben einige von uns erkannt, was wirklich wichtig ist. Zeitdruck, Stress und soziale Verpflichtungen waren normal. Durch die Pandemie und somit eine andere Normalität haben sie gesehen, dass es auch anders geht. Lernen wir durch das alte Normal ein neues Normal bzw. ein neues Anders? 
Setzen wir andere Prioritäten? Gehen wir nicht mehr jedem Problem aus dem Weg? Sagen wir ehrlicher unsere Meinung? Gönnen wir uns jetzt sogar mehr Auszeiten für uns selbst?

Was ist normal, was ist anders?
Der Definition sind keine Grenzen gesetzt. 

Die Hauptsache ist ja, dass wir alle gesund durch bzw. aus der Krise kommen.

Autor:

Nina Benninghoff aus Oberhausen

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