Weiter warten auf die Trendwende

Der Koalitionsvertrag kann durch den Mindestlohn den Abstand zwischen hohen und niedrigen Einkommen, der zuletzt wieder gewachsen ist, vielleicht verlangsamen. Welche Regierungspolitik kann und sollte mehr gegen die zunehmende Einkommensungleichheit unternehmen. Oder ist die Große Koalition CDU/CSU SPD die beste Möglichkeit. Warum packt sie eine richtige Rentenreform nicht an und greift wieder in die Rentenkasse.

Die verfügbaren Einkommen in Deutschland sind heute deutlich ungleicher verteilt als vor 10 oder 20 Jahren. Besonders stark hat sich die Schere zwischen 2000 und 2005 geöffnet. Auch im Jahr 2011, zeigt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, ist die Einkommensungleichheit gestiegen. Schwieriger zu klären ist, was in der Zwischenzeit passiert ist und in welche Richtung der Trend zeigt. Der Abstand zwischen hohen und niedrigen Löhnen hat seit 2008 erneut zugenommen. Die Armutsquote ist mit einer Ausnahme im Jahr 2010 kontinuierlich gestiegen. Immer häufiger sind auch Erwerbstätige von Armut bedroht. Und die ärmere Hälfte der Bevölkerung kann offensichtlich deutlich weniger sparen als Anfang der 1990er-Jahre. Dadurch sinkt der ohnehin kleine Anteil der weniger Wohlhabenden am Vermögenseinkommen. Eine private Altersvorsorge ist kaum möglich.

Der Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen ging seit Mitte der 1980er-Jahre lange Zeit zurück, während das Gewicht der Kapital- und Gewinneinkommen zunahm. In Deutschland sank die bereinigte Bruttolohnquote von 1985 bis 2007 von rund 78 auf etwa 63 Prozent. In der globalen Wirtschaftskrise und danach stieg sie wieder an - bis 2012 auf 68,4 Prozent. Allerdings haben die Wissenschaftler Zweifel, dass der Trend von Dauer ist. Denn er beruht nicht nur darauf, dass seit der erfolgreichen Krisenüberwindung die Löhne im Durchschnitt wieder stärker steigen. Auch die Renditeschwäche vieler Kapitalanlagen prägt derzeit die Statistik.

Niedrige Lohneinkommen fallen zurück. Gegen die These einer zwischenzeitlich nachlassenden Ungleichheit spricht die Entwicklung von niedrigen, mittleren und hohen Lohneinkommen.

Jeder zehnte Hauptverdiener ist von Armut bedroht. Erwerbstätige tragen ein geringeres Armutsrisiko als Nichterwerbstätige oder Arbeitslose. In Deutschland ist aber auch die Quote der "Working Poor" in den vergangenen Jahren deutlich ge-wachsen. Atypisch Beschäftigte wie Leiharbeiter tragen ein besonders hohes Ar-mutsrisiko, allerdings stehen sie damit keineswegs allein. Die Armut hat vielmehr die ganze Breite des Arbeitsmarktes erfasst.

Das Armutsrisiko von Haushalts-Hauptverdienern hängt stark vom Lohnniveau der Branche ab, in der sie arbeiten. In der Energieversorgung, bei Banken und Versicherungen, der öffentlichen Verwaltung, der chemischen Industrie oder im Fahrzeug- und Maschinenbau sind weniger als 3 Prozent armutsgefährdet. Am Bau sind es hingegen gut 8, im Medien- und Verlagswesen knapp 11 und im Handel 12,5 Prozent. Stark überdurchschnittlich betroffen sind Beschäftigte in sozialen Berufen und mit 35,8 Prozent im Gastgewerbe.

Sparquote: nur oben stabil. Auch bei den Vermögenseinkommen ist die Ungleich-heit kräftig gewachsen. Das zeigt die Entwicklung der einkommensspezifischen Sparquoten. Denn um Kapitaleinkommen zu erzielen, muss erst einmal Geld zurückgelegt werden. Die ärmere Hälfte der Haushalte kann dagegen deutlich weniger sparen als noch Anfang der 1990er-Jahre.
In der Steuerpolitik plädieren die Wissenschaftler dafür, die massive Absenkung des Spitzensteuersatzes seit 1999 zu korrigieren. Daneben sei eine stärkere Besteuerung von großen Vermögen nötig, um eine weitere Polarisierung der Einkommens- und Vermögensverteilung zu verhindern.

Bei einer Koalition CDU/CSU und Grünen wird der derzeitig ausgehandelte Vertrag mit der SPD im Energiebereich modifiziert. Würden die Grünen in die Regierung gehen?

Warum sollte die CDU/CSU nicht eine Minderheitenregierung probieren, damit die Trendwende spätestens 2017 gelingt?

Das derzeitige System der Sozialversicherungsbeiträge verschärft die Ungleich-heit. Denn zum einen gebe es eine Bemessungsgrenze. Zum anderen seien Beamte und Selbstständige - Gruppen mit überdurchschnittlichem Einkommen - von der Sozialversicherungspflicht befreit. Die Umverteilung von Unten nach Oben hat also zugenommen. Der Grund: Eine Entlastung der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen ging mit einer Mehrbelastung der Beschäftigten einher.

Wer die Fakten so nicht nachvollziehen kann, hier ein Link zur Vertiefung:
http://www.boeckler.de/44681_44811.htm

Autor:

Siegfried Räbiger aus Oberhausen

Webseite von Siegfried Räbiger
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