Neue Ausstellung im Museum Wuppertal ist zugleich gesellschaftspolitisches Event

Das Von der Heydt-Museum Wuppertal lädt ab dem 7. Oktober 2018 zur neuen Ausstellung "Blockbuster-Museum" ein. Was hat ein Museumsevent und speziell diese Ausstellung mit Politik zu tun?

Der Museumleiter Dr. Gerhard Finkh weist in der Einladung darauf hin, dass das Institut für Museumsforschung weit mehr als 100 Millionen Besucher in (nur) 4699 deutschen Museen, darunter auch das Von der Heydt-Museum Wuppertal, ermittelte, – allein für das Jahr 2016! 100 Millionen Besucher in Ausstellungen und Sammlungen in nur einem Jahr, eine fast unvorstellbar riesige Zahl, zeigt nicht nur das immens große Interesse der Bevölkerung an Kunst und Kultur, Geschichte, Natur und Technik, 100 Millionen Museumsbesucher bedeuten auch eine Verpflichtung für Wissenschaftler, Sammlungsleiter und Ausstellungsmacher.

Die Ausstellung „Blockbuster – Museum“ im Von der Heydt-Museum geht Fragen nach wie „Wie entsteht eine Ausstellung, eine Sammlungspräsentation?“ und „Was sind, und was wollen, sollen und können Museen für eine moderne, offene Gesellschaft leisten?“. Anhand ausgewählter Meisterwerke aus der reichen Sammlung des Von der Heydt-Museums will die Ausstellung das Ineinandergreifen unterschiedlichster Menschen und ihrer Ansichten im täglichen Museums- und Ausstellungsbetrieb erfahrbar machen, einerseits um damit zu zeigen, dass Ausstellungen nicht aus einer zufälligen und beliebigen Aneinanderreihung von Objekten bestehen, andererseits, um etwas von der Faszination weiterzuvermitteln, die von bedeutenden Kunstobjekten ausgeht.
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Soviel verkündet der Museumstext. Wir Besucher werden in eine Ausstellung eingeladen, die sich ab dem 7.Oktober 2018 mit der Konzipierung und Durchführung von musealen Massenveranstaltungen auf allerhöchstem Niveau befasst.
Sie ahnten es bereits, es ist nicht bloss damit getan, ein paar bunte Bilder eines bestimmten Künstlers oder einer Themengruppe an die Wand zu hängen und die Türen aufzusperren.
Das Von der Heydt Museum ist nicht nur eines der führenden Häuser, es hat unter der Leitung von Dr. Finkh sogar mehrfach den Titel "Museum des Jahrs" errungen.
Dr. Finkh ist auch persönlich ausgezeichnet worden für seine hervorragende Arbeitsleistung - sogar vom französischen Staat mit dem Titel "Ritter der schönen Künste" für die deutsch-französiche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Völkerverständigung durch Kunst.

Eine Museumsausstellung steht immer im Spannungsfeld zwischen Sammeln und Bewahren, Konservieren und Vorzeigen, staatlichem Bildungsauftrag und modernem Unterhaltungsanspruch, nahem sinnlichem Erleben der Werke und Sicherheitsbedenken, Versicherungskosten und Niveau der Veranstaltung, Raumkonzept und Belichtung, Transport, Aufbau, Texten, Vermarktung des Events, ...
Der Besucher erfährt, was alles an Arbeitsschritten und Verhandlungen während der rund dreijährigen Vorlaufzeit im Hintergrund ablaufen, bevor es überhaupt zu einer Ausstellungseröffnung kommen kann.
Und eine qualitativ hochstehende Ausstellung präsentiert nicht nur die ausgewählten Exponate, sondern bezieht auch den politischen, soziologischen und historischen Kontext mit ein.
Sie ahnen es bereits - wenn ein Museum sich mit sich selbst beschäftigt, ist auch diese Ausstellung über das Machen von Ausstellungen mehrschichtig angelegt.
Die Fakten sind: Es ist Dr. Finckhs letzte Ausstellung vor dem wohlverdienten Renteneintritt, sie muss kurzfristig eine aus Finanzgründen abgesetzte Ausstellung ersetzen und sie findet im Oktober 2018 statt.

Zunächst einmal erfährt der Besucher Spannendes aus dem Count-Down bis zur Eröffnung, aber auch die politischen Entscheidungsträger lernen, welcher gewaltige Aufwand eine langfristige und verlässliche Planung erforderlich macht, und schließlich wird dem künfigen Amtsnachfolger in der Museumsleitung der Start erleichtert, wenn Entscheidungsträger gefordertes Niveau und entstehende Kosten abschätzen können.

Auf der Meta-Ebene verweist der Eröffnungstermin Anfang Oktober nicht nur zufällig auf den Tag der Deutschen Einheit und die anstehenden Wahlen in einigen Bundesländern.
Hier spannt sich auch der Bogen zur geplanten, vorbereiteten und abgesetzten Ausstellung mit dem erinnerten Titel "Von der Französiche Revolution zur Freiheit des Abendlandes".

Bundeskanzlerin Merkel wird im Sommerinterview gefragt, warum so wenig Interesse an "Europa" besteht. Vielleicht aus dem gleichen Grund, warum für die abgesetzte Ausstellung kein Geld bereitstand - Interessemangel aus Unkenntnis des erkämpften und so gewachsenen historischen Kontextes, der unsere heutigen Freiheiten überhaupt ermöglicht.
Wir heute in Deutschland sind frei von etwas und frei zu etwas - wir haben insbesondere die Freiheit des Staatengebildes, der individuellen Person, der Religionswahl, der Religionsausübung, der Meinungsäußerung, der Presse.
Und wir haben auch die Freiheit zum künstlerischen Ausdruck, zur eigenen Gesetzgebung, zur Verwaltung unserer Lebensumstände einschließlich der Regelungen zur Bestrafung, zur Hoheit über den eigenen Körper und die Freiheit zum selbständigen Denken und Handeln.
Diese Freiheiten sind von Generationen unserer Vorfahren und der der anderen europäischen Länder über Jahrhunderte entbehrungsreich errungen worden, damit wir sie auskosten, nutzen und zumindest bewahren.

Der Kultur-Auftrag, der auch die Bewahrung der Freiheits-Kultur beinhaltet, ist in Verfassungen verankertes Staatsziel - und zugleich Arbeitsgrundlage und Auftrag für die deutsche Museumslandschaft.
Somit ist die im Oktober anstehenden Ausstellung „Blockbuster – Museum“ als Ausstellung über die Arbeitsweise von Museen ein ganz besonderes Politikum und darüber hinaus unbedingt sehenswert.

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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