Armut in Deutschland nimmt zu
Lebensmitteltafeln am Limit, aber Not und Hunger wachsen
Schon im Jahr 2021 galten in Deutschland 13,8 Millionen Menschen als arm, jeder Sechste. Davon sind bereits mindesten zwei Millionen Menschen auf die Lebensmittelhilfen der Tafeln angewiesen. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Kundinnen und Kunden hier um 50 Prozent gestiegen.
Die Tafeln sind eine großartige Solidaritätsleistung, aber entlarvend für den „Sozialstaat“ Deutschland. Im Jahr 1993 startete die erste Tafel in Deutschland. Seither stieg ihre Zahl und Notwendigkeit ständig an; explosionsartig übrigens in den Jahren der ersten SPD / Grünen–Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer von 1998 bis 2005, um danach ständig neue Höhen zu erreichen.
Heute gibt es 962 Tafeln in Deutschland, bei denen sich mehr als 60.000 Ehrenamtliche engagieren. Ein großartiges Beispiel der Solidarität, der Selbstorganisation und der uneigennützigen gegenseitigen Hilfe, aber auch ein Armutszeugnis für den angeblichen „Sozialstaat“ Deutschland. Kapitalismus kann niemals sozial sein und zu allen Zeiten wälzt er offen oder verdeckt die Krisen- und heute auch die Kriegslasten auf die Bevölkerung ab.
Viel gepriesen wird die Solidarität für die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flohen. Eine Hilfe und Unterstützung, die von vielen auch bereitwillig geleistet, aber eben nur unzureichend durch staatliche Mittel abgedeckt wird. Fast jede fünfte Tafel verteilt momentan Lebensmittel an doppelt so viele oder noch mehr Menschen, als noch vor einem halben Jahr. Mehr als 60 Prozent der Tafeln verzeichnen einen Zuwachs von bis zu 50 Prozent. Zu den neuen Kunden zählten vor allem Flüchtlinge aus der Ukraine, aber auch viele Arbeitslose, Geringverdiener und Rentner.
Jede dritte Tafel in Deutschland muss mittlerweile einen Aufnahmestopp für Neukundinnen und -kunden verhängen. "Die Tafeln sind am Limit", sagte der Tafel-Deutschland-Vorsitzende Jochen Brühl. Armut mache keine Sommerpause. "Wir sehen deutlich, dass es den Menschen jetzt am Nötigsten fehlt und rufen weiterhin zu Spenden für die Tafeln auf." Die Entwicklung ist dramatisch und sie hat nicht alleine mit der gestiegenen Nachfrage an den Tafeln zu tun.
Zur Situation in NRW heißt es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der FDP:
75 Prozent dieser 36 Tafeln hätten einen Aufnahmestopp gemeldet, die übrigen müssten die Lebensmittelausgabe strecken: Bedürftige können nicht mehr so häufig kommen oder erhalten weniger. Laut Landesverband unterstützen die Tafeln über 350.000 Menschen in NRW mit Lebensmitteln – die Zahl der Kunden, die bei den Tafeln Hilfe suchen, hat sich im Vergleich zu 2020 verdoppelt.
Gleichzeitig müssen die Tafeln selbst mit gestiegenen Energiekosten zurechtkommen: Auch sie müssen für Strom und Gas zahlen, ihre Transporter, mit denen sie Lebensmittel abholen, betanken.“ Auch die Supermärkte liefern weniger an die Tafeln, da die Menschen mittlerweile generell weniger einkaufen und die Märkte daher enger kalkulieren, so dass weniger für die Tafeln übrig bleibt. Und Armut, Not und Hunger im reichen Deutschland werden zunehmen. Inflation, Gas-, Strom- und Spritpreise steigern die finanzielle Schieflage vieler Menschen: schon jetzt überzieht bundesweit jeder Fünfte aufgrund steigender Preise sein Konto. Unter den 25- bis 34-Jährigen ist sogar jeder Dritte im Dispo.
Es trifft nicht nur Menschen, die auf Sozialhilfe und Arbeitslosenunterstützung angewiesen sind. Auch Rentner, Studenten oder Geringverdiener sind betroffen. Die auf Wirtschaftsauskünfte spezialisierte Auskunftei CRIF hält eine schleichende Verschuldungswelle für möglich. "Jeder dritte Haushalt in Deutschland hat kein nennenswertes Erspartes, auf das er in diesen Krisenzeiten zurückgreifen kann, um die höheren Kosten für das Heizen oder die Lebensmittel abzudecken", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in Berlin.
Die Politiker wie NRW-Innenminister Reul sorgen sich aber nicht um die Zukunft der Bevölkerung. Sie treibt eine andere Sorge um: Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, hat Sorge, dass die Stimmung im Land schlechter wird und dass Themen wie der russische Krieg gegen die Ukraine, die Energiekrise und steigende Preise den Verschwörungsgläubigen neue Nahrung geben. "Es geht jetzt nicht mehr um Protestler, sondern es geht fast um so was wie neue Staatsfeinde, die sich da etablieren", sagte der CDU-Politiker im "Frühstart" von ntv am15. August.
Eigentlich höchste Zeit für einen „heißen Herbst.
Autor:Reinhardt Meyer aus Oberhausen |
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