Im Gespräch mit Brahumdagh Bugti
Die jüngsten Stellungnahmen von Brahumdagh Bugti, dem Leiter der Baloch Republikanischen Partei ( BRP ) zum lang andauernden Aufstand in Balochistan ( Belutschistan ) regen an, dass er einer friedlichen Lösung durch Dialog entgegensehen darf.
Der Herald interviewte Bugti, um herauszufinden, weshalb der gleiche Staat, dem er vorher gelobte, bis zum bitteren Ende zu bekämpfen, nun einen Ölzweig ( Friedensangebot ) anbietet und was er von irgendwelchen möglichen Verhandlungen erwartet.
Herald: Wie ist dieser mögliche Dialogprozess mit dem Staat/ den Sicherheitskräften zustande gekommen?
Denken Sie, weil der Staat die ökonomischen Investitionen, ausgehöhlt durch Balochistan, als wesentlich für seinen eigenen Lebensunterhalt ansieht?
Oder denken Sie, weil die Baloch - Widerstandsbewegungen etwas sind, dass der Staat sich nicht leisten kann, während er in einem Krieg in Wasiristan beschäftigt ist?
Brauhumdagh Bugti: Ich denke, die Staatsbeamten könnten die Frage besser beantworten, was sie veranlasste, mit den Balochen an einen Verhandlungstisch zu kommen.
Die Dinge, die sie erwähnt haben, könnten ein Grund sein, aber ich glaube, es war eine neue Taktik von dem Staat, Verhandlungen mit den Balochen anzubieten und eine ablehnende Antwort von uns zu erwarten. Sie könnten uns bequem als Terroristen abstempeln, örtlich und international.
Unsere Bereitschaft zu verhandeln, durchkreuzte diesen Versuch, und ihr Plan flog früh auf.
So weit, was unsere Haltung anbetrifft, sind wir politische Leute und glauben an friedliche Lösungen für alle politischen Probleme.
Es ist der Staat, der Gewalt gebraucht hat, um die politischen Forderungen der Balochen zu vernichten.
Herald: Denken Sie, nach so vielen gelebten Jahren im Exil, sind Sie in einer guten Position, um die Gallionsfigur und den Wortführer abzugeben?
Brahumdagh Bugti: Die BRP ist die größte politische Unabhängigkeitspartei in Balochistan, mit einer signifikanten Präsenz international. Ihre Führung ist in einer guten Position, um für die Hälfte der Balochen zu verhandeln.
Sicherlich gibt es eine Anzahl anderer politischer Parteien in Balochistan mit einer guten Gefolgschaft unter den Balochmassen, aber sie teilen das Ziel eines unabhängigen Balochistan mit der BRP. Da mögen einige Unterschiede
innerhalb der Parteien hinsichtlich gewisser Politik sein, was für jeden Kampf gilt, aber wir teilen die gleichen Ziele, und es wird nicht viel Zeit kosten, um auf einer Seite mit der gleichen Streitfrage zu sein - die Verhandlungen mit dem Staat eingeschlossen.
Herald: Viele Stimmen argumentieren, dass es nicht nur der Staat ist, der seine unterdrückerischen Verhaltensweisen in Balochistan ändern muß, aber auch die lokalen Machtstrukturen müssen sich ändern; dass die Nawabs und Sardars mit ihren Lehen die soziale Entwicklung geschehen lassen. Sind Sie ebenfalls der Meinung?
Brahumdagh Bugti: Die meisten der Nawabs und Sardars, bestellt auf Schlüsselpositionen in Balochistan, sind Staatshandlanger; die Gleichen von Nawab Sanaullah Zehri, Nawab Aslam Raisani und Sardar Yar Mohammad Rind, um wenige zu nennen. Können Sie irgendwelche Unterschiede zwischen der Entwicklung der Areale unter der Kontrolle dieser "patriotischen Sardare" - wie sie der Staat nennen würde - und den Nichtstammesbezirk oder den Arealen wie Dera Bugti und Kohistan Marri erkennen?
Der Staat auf der einen Hand, tadelt das Stammessystem und die Sardars für die Rückständigkeit in Balochistan, aber auf der anderen Hand benutzt er seine begünstigten Sardars, um Maßnahmen gegen den nationalen Kampf der Balochen zu treffen. Ich würde ein kleines Beispiel geben:
Da waren mehr als 100 Volksschulen, 19 höhere Schulen und eine Hochschule, beides für Jungen und Mädchen, unter der Aufsicht meines Großvaters Nawab Akbar Bugti in Dera Bugti, bis 2005. Die Hälfte der Schulen verfügte über keine Lehrer, was in die Verantwortlichkeit des Staates fiel, sie bereit zu stellen.
In Wahrheit will der Staat nicht, dass Balochen gebildet und informiert werden, aus der Angst heraus, dass, wenn die Balochen mehr gebildet und informiert sind, sie einflussreicher werden, ihre Rechte vom Staat einzufordern.
Natürliches Gas wurde von Sui 1952 entdeckt, aber die Mehrheit der lokalen Bevölkerung nutzt 60 Jahre später noch Holzfeuer, während das Gas in jede Ecke von Pakistan in Leitungen transportiert wird. Nun bekämpfen wir die weitere Erforschung und Förderung des Gas - was mein Großvater wegen der vorgehenden Erfahrungen tat - sie stempeln uns Stammesführer ab und geben uns die Schuld für die Verhinderung der Entwicklung in dem Areal.
Auf die Frage nach dem Stammessystem zurückzukommen, erinnere ich mich an den Besitzanspruch des Generals Pervez Musharraf, als er ankündigte, das Stammessystem nach dem Martyrium des Nawab Akbar Bugti abzuschaffen. Aber als es ihm mißlang, brachte er Mir Aali Bugti nach Dera Bugti und ernannte ihn zu dem neuen Chef des Bugtistammes, unter der Aufsicht der Armee. Es mißlang ihnen, ihn zu halten, als die Lokalen dem von der Armee auferlegten Sardar Widerstand leisteten, und Musharraf warf ihn raus und setzte seine vorhergehende Politik fort.
Die Frage ist dann: Wer ist die Punjabi Elite, für die Balochen zu entscheiden, was gut für sie ist und was nicht?
Sie können uns ihre ausbeuterische Politik nicht auferlegen und das Entwicklung nennen. Nehmen Sie den China - Pakistan Ökonomischen Korridor als ein Beispiel: Nennen Sie einen einzelnen Balochen, der vor der Entscheidung ins Vertrauen gezogen wurde oder sogar die Vereinbarung mit China anmeldete.
Die Antwort ist: Keiner.
Die Balochen sind ihre eigenen Herren, und sie können über ihr eigenes Schicksal entscheiden. Punjab und seine Vertreter können uns nicht gewaltsam Politik auferlegen, wie sie es versucht haben, und es ihnen in den letzten 6 Dekaden arg misslungen ist. Es ist höchste Zeit, dass der Staat seine Niederlage akzeptiert und die Rechte der Balochen respektiert, bevor er einer unangenehmeren Niederlage ins Gesicht sehen muss, wie die, was einmal Ostpakistan war.
Herald: Trauen Sie dem Wort des militärischen Establishments? Wenn eine Lösung durch Dialog erreicht wird, werden sie dann wiederkommen?
Brahumdagh Bugti: Die Frage ist nicht, ob ich zurückkommen werde oder nicht. Die Frage ist, wie aufrichtig das militärische Establishment in der Auflösung des Konflikts ist.
Ich habe im Exil gelebt, weil uns ein politischer Kampf auf unserem Grund unmöglich gemacht wurde, als ein Resultat von militärischen Operationen, Razzien gegen politische Parteien und Entführungen und Tötungen von politisch Arbeitenden.
Unsere Häuser wurden bombardiert und mein Großvater ermordet.
Meine Leute sandten mich ins Ausland, um die Welt besser zu informieren, was in Balochistan passiert. Wie ich es zuvor gesagt habe, das militärische Establishment ist nicht aufrichtig im Verhandeln mit den Balochen. Ihrem Wort kann nicht getraut werden, weil es einen lange Geschichte der Täuschung ( Betruges ) durch den Staat in Balochistan gibt. Sie spielten die Verhandlungskarte nur, um die Unterdrückung in Balochistan zu intensivieren, und unsere Bereitschaft zu sprechen sie in Unannehmlichkeiten bringt.
Herald: Wird die Rückkehr der vermissten Personen und die Umkehrung des Sektierertums Bestandteil irgendeiner möglichen Vereinbarung sein?
Oder ist es, das gegenwärtige Ziel eher kurzfristig anzusiedeln und diese Dekaden alten Probleme später in Angriff zu nehmen?
Brahumdagh Bugti: Die Militäroperation, vermisste Personen und außergerichtliche Tötungen von Balochaktivisten sind sehr ernste Streitfragen, aber sie sind nicht Teil des Problems. Das Problem ist der Konflikt zwischen dem Staat und den Balochen. Dies sind nur Folgen des Konflikts.
Als Beispiel, es gäbe keine militärische Operation, kein aufgezwungenes Verschwinden und keine außergerichtlichen Morde, wenn die Balochen aufhören würden, ihre Rechte vom Staat einzufordern.
Wenn der Staat wirklich ernsthaft den Konflikt durch politische Mittel auflösen möchte, dann sollten die Vorgänge der Militärischen Operation und die Menschenrechtsverletzungen in Balochistan gestoppt werden, um eine friedliche Umgebung für Verhandlungen zu erzeugen.
Die Unaufrichtigkeit des Staates ist an der Tatsache sichtbar, dass er auf der einer Seite behauptet, Gespräche mit den Balochen zu halten und auf der anderen Seite die militärischen Operationen in jeder Ecke von Balochistan fortsetzt.
Dutzende von unschuldigen Balochzivilisten, einschließlich Frauen und Kinder, sind von Dera Bugti und Bolanarealen während der letzten Tage im Zuge der Militäroffensive entführt worden.
Das gleiche ist der Fall der sektiererischen Gewalt. Der Staat hat sie genutzt, um Maßnahmen gegen den nationalen Balochkampf zu treffen auf der einen Hand und um religiösen Extremismus in der Balochgesellschaft zu fördern, auf der anderen. Historisch sind die Balochen ein tolerantes Volk, wenn es sich auf die Religion beläuft, und dies ist hervorgehoben durch die Tatsache, dass religiöse Minderheiten in Balochistan, solche wie Hindus, Sikhs und Christen, jahrhundertelang miteinander in Frieden und Harmonie gelebt haben.
Die friedliche Auflösung aller Aspekte dieses Konflikts ist nicht möglich, bis der Staat den Misserfolg seiner Politik in Balochistan erkennt und sich ernsthaft bemüht, fruchtbringende Verhandlungen mit den Balochen abzuhalten.
Wir werden dieses Mal nicht in ihre Falle gehen.
Autor:Claudia Wädlich aus Oberhausen |
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