„Keep Coolidge"
Folgen der US-Wahl 1924 für das besetzte Schmachtendorf

Heute Nacht unserer Zeit gehen die Blicke gespannt in Richtung USA: Wird eine Demokratin oder ein Republikaner ins Weiße Haus einziehen? Bei der US-Wahl vor einhundert Jahren nahm in unserem Ortsteil kaum jemand Notiz davon, denn: Schmachtendorf stand im November 1924 seit 22 Monaten unter belgischer Besatzung.

Diese Besatzung hatte das öffentliche Leben durch immer neue Verordnungen nahezu zum Erliegen gebracht: Sämtliche Vereinsleben ruhten, an die Krööß-Kirmes war nicht einmal zu denken, Lebensmittel waren knapp und es wurde ernsthaft überlegt, eine neue Währung an die Kartoffel zu koppeln, die wertbeständiger war als die in der Hyperinflation entwertete Reichsmark. Wer verbotenerweise den Bürgersteig nutzte (dies war ausschließlich der Besatzungstruppen vorbehalten), musste durchaus damit rechnen, erschossen zu werden – wie im Jahre 1923 der neun Jahre alte Willi Röters aus Königshardt, der der Aufforderung zum Spielabbruch und Verlassen des Bürgersteigs nicht schnell genug Folge leistete.

Die Wahl in Übersee gewann 1924 deutlich der Republikaner Calvin Coolidge, der im Vorjahr aus dem Amt des Vizepräsidenten heraus den verstorbenen Präsidenten Warren G. Harding beerbte. Ansonsten waren die seinerzeitigen politischen Verhältnisse in den USA überraschend anders als heute: In Texas gewannen die Demokraten, in Kalifornien die Republikaner und der heutige „Swing State“ Wisconsin ging weder an die „Grand Old Party“ noch an die „Good Democrats“, sondern (als einziger) an Robert La Follette von der „Progressive Party“.

Über die Aussage des Wahlkampfslogans darf man auch geteilter Meinung sein: Statt „Make America Great Again“ hieß es anno 1924 „Keep cool and keep Coolidge“.

Die Wahl Coolidges war ein Glücksfall für das besetzte Ruhrgebiet. Der unter ihm erarbeitete „Dawes-Plan“ regelte die deutschen Reparationszahlungen neu und führte 1925 zum Ende der Ruhrbesetzung. Besondere Verdienste um die Kinder (nicht nur) in Schmachtendorf erwarb sich auch sein Handelsminister Herbert Hoover: Der der Religionsgemeinschaft der Quäker angehörige Philanthrop gilt als Erfinder der „Quäker-Speisung“ – eine Mahlzeit, die auch hier viele hungrige Kinder gesättigt hat.

Weitere Hintergründe zur belgischen Besatzung Schmachtendorfs: https://www.lokalkompass.de/oberhausen/c-politik/vor-100-jahren-begann-die-belgische-besatzung-schmachtendorfs_a1823323

Autor:

Tobias Szczepanski aus Oberhausen

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