Das erste Leben der Angela M. - Rezension -
Das Buch sucht den Schlüssel in Angela Merkels Vergangenheit und will der Legendenbildung vorbeugen. In sechs Kapiteln beleuchten die Autoren den Kontext, in dem die heutige Bundeskanzlerin aufwuchs, wie sie dann 1991 Ministerin in Kohl´s Kabinett wurde. Spekulationen bleiben durch das Fehlen von Zeitdokumenten und damit das Angewiesen Sein auf Zeitzeugen.
In der Einleitung steht im ersten Absatz markant: “Ihr Denken strebt nach Ordnung, nichts soll dem Zufall überlassen bleiben. Erfolg ist ihrem Verständnis nach niemals glückliche Fügung, sondern immer nur die Bestätigung einer gründlichen Kalkulation: Erfolg ist für sie das nüchterne Ergebnis einer aufgehenden Gleichung.“
Es ist ein Buch, das manches über die mächtigste Frau der Welt erzählt, fast 25 Jahre nach Mauerfall, aber auch viel über die Lebenswirklichkeit in einem anderen deutschen Staat.
WESTART berichtete über "Das erste Leben der Angela M.": Das Buch war auf der Bestsellerliste des Spiegels.
Ein Aufklärungsbuch?
Merkels Selbstauskünfte werden den Recherchen gegenübergestellt. Dem Leser obliegt die Einschätzung, dieser mag seine Vorurteile bestätigt sehen.
- Vor dem Lesen des Buchs wusste der interessierte Staatsbürger bereits, dass Merkel in der brandenburgischen Provinz aufwuchs, dass sie Pastorentochter war und fleißig Naturwissenschaften studierte, bevor sie 1989 in die Politik "stolperte" und später im Kabinett Helmut Kohls landete. Wer in der DDR lebte, der kann sich erinnern, wie der Herbst 1989 alles durcheinander wirbelte, Karrieren beendete und neue begannen - vieles zufällig, unabsichtlich, überraschend - nicht dagegen bei Angela Merkel.
- Oder der Leser erkennt ein Viertel Jahrhundert später, wie ein totalitärer Staat versuchte in seinem Sinne zu steuern und nichts dem Zufall überlassen wollte. Der Staat wird durch einzelne Menschen repräsentiert, die das zielgerichtete Handeln verinnerlicht haben. Dies ist aber mehr oder wenig systemimmanent für alle Regierenden und wird es, hoffentlich auch unter Beachtung humanitären Grundverständnisses, sein.
An der friedlichen Revolution in der DDR hatte sie nicht teilgenommen, sondern sie verfolgte sicherlich wie andere von Millionen DDR - Bürgern die Geschehnisse in Leipzig und in den größeren Ballungsgebieten. Ein Vorwurf kann nicht erhoben werden. Viele, die aktiv bei der friedlichen Revolution dabei waren, hatten ein Ziel, die Erneuerung der sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Viele glaubten ehrlich an ein Weiterbestehen der DDR oder an eine Konföderation mit der BRD im Endziel einer friedlichen und auf gegenseitiger Achtung beruhenden Vereinigung.
Ein Geschichtsbuch!
Die beiden Autoren haben jeden Satz wohl überlegt, dies zeigen die Fundstellen und Anmerkungen auf 36 Seiten und das sechsseitige Namensregister. Das Buch ist ein Muss, will man das Leben in der DDR teilweise nachvollziehen und verstehen.
Es hilft auch ansatzweise, die Verhältnisse in abgewandelter Form in der Ukraine zu verstehen und zu hinterfragen. Eine gut beleumundete, intelligente und exzellent russisch sprechende Regierungschefin ist prädestiniert aus Ihrer Kenntnis und Erfahrung zu zeigen, dass ihre derzeitige Stellung nicht nur Selbstzweck ist. Ein Abwarten auf den Augenblick des Scheiterns der möglichen Mentoren zum Ausbau der Macht kann politisch nicht immer Opportun sein. Welches Ziel verfolgt die Kanzlerin in Europa, der Ukraine, in der Welt.
Das erste Leben der Angela M.
Günther Lachmann, Ralf Georg Reuth 2013 Piper-Verlag
336 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag ISBN: 978-3-492-05581-9
Autor:Siegfried Räbiger aus Oberhausen | |
Webseite von Siegfried Räbiger |
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