Ein Team vom Friedensdorf befand sich letzte Woche in Kabul
Eine heikle Mission

Jan Jessen, Birgit Hellmuth, der afghanische Partner-Arzt und Claudia Peppmüller. | Foto: Friedensdorf International
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  • Jan Jessen, Birgit Hellmuth, der afghanische Partner-Arzt und Claudia Peppmüller.
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Zuletzt im Februar 2019 ist Claudia Peppmüller, Pressesprecherin des Friedensdorfes Oberhausen, in Kabul gewesen, um genesene Kinder wieder zurück zu ihren Familien zu begleiten. Seit vergangenem Jahr jedoch wurden aufgrund der Corona-Krise keine afghanischen Kinder mehr aufgenommen. Das sollte sich in diesem Sommer ändern. Am 9. August flogen Claudia Peppmüller, ihre Kollegin Birgit Hellmuth sowie NRZ-Reporter Jan Jessen als Begleiter nach Kabul, um sich eine Vorstellung von Kindern zu machen, die man Ende des Monats zur medizinischen Behandlung ins Friedensdorf bringen wollte. Was wie ein Routinebesuch begann, endete als lebensgefährliche Mission. Wir sprachen mit Claudia Peppmüller über ihre Eindrücke.

Frau Peppmüller, warum befanden Sie sich in Kabul?
Wir wollten mit diesem Vorflug verletzte und kranke Kinder auswählen, um sie zur medizinischen Versorgung Ende August zu uns ins Friedensdorf zu holen. Da während der Corona-Krise im vergangenen Jahr die Krankenhäuser keine Möglichkeiten sahen, unsere Kinder zu behandeln, und wir auch noch nicht geimpft waren, hatten wir seit über einem Jahr keine Neuaufnahmen. Nachdem sich die Lage entspannt hat, haben die Krankenhäuser wieder grünes Licht gegeben.

Haben Sie nicht mit einer so kritischen Situation gerechnet?
Nein überhaupt nicht. Wir haben geahnt, dass die Taliban das Land einnehmen werden, aber nicht so schnell. Auch unsere Partner vom Roten Halbmond, bei denen wir unterkamen und die uns die ganze Zeit zur Seite standen, waren überrascht von der Schnelligkeit des Taliban-Vormarsches. Wir hätten frühestens im September damit gerechnet.

Wie haben Sie die Situation vor Ort erlebt?
Wir haben natürlich mitbekommen in den ersten Tagen dass die Taliban bis Kabul vorrückten. Da wir aber am Montag, 16. August wieder zurückfliegen wollten, sind wir davon ausgegangen, dass der Rückflug noch möglich ist. Sonntag hörten wir die ersten Schüsse, da dachten unsere Partner noch, das wären geplatzte Reifen. Dann aber merkte man, wie still es in der eigentlich lauten Stadt wurde. Wir haben uns dennoch entschlossen, noch in Ruhe die Unterlagen für die Kinder fertig zu machen und sind dann ins Gästehaus des Roten Halbmondes gefahren, wo wir untergebracht waren.

Wie ging es weiter, als klar war, dass die Taliban die Macht ergriffen haben? Hatten Sie Angst um Ihr Leben?
Wir haben die Nacht im Beisein unserer Partner verbracht, die nie von unserer Seite gewichen sind. Wir haben ihnen voll vertraut und gemacht, was sie gesagt haben, und sie haben uns vertraut,. dass wir nichts Leichtsinniges machen. Man wird eigentlich erst nervös, wenn die Partner nervös werden. Auf einmal kam am Sonntag jemand rein und sagte, wir müssen uns verstecken, weil jemand in unsere Richtung fliehen würde. Aber letztlich waren es als Taliban verkleidete Afghanen, die plündern wollten. Mit Angst kann ich gut umgehen, ich kenne dieses Gefühl von klein auf. Ich werden in solchen Situationen eher sehr ruhig und besonnen und lasse die Angst nicht zu. Birgit hat auch schon viele Jahre Erfahrung in Begleitung von Kindern in Krisengebieten, und Jan, der über unsere Arbeit berichten wollte, ist Irak-verbunden. Wir waren ein Spitzen-Team. Noch Sonntag sind wir dann sofort der Deutschen Botschaft gemeldet worden, wo wir waren, und auch den Taliban, denen über den Roten Halbmond erklärt wurde, dass wir die Kinder nur zur medizinischen Behandlung ausfliegen, aber auch wieder zurückbringen. Als die Taliban vor 20 Jahre an der Macht war, haben wir mit deren Duldung auch mit unserer Arbeit fortsetzen können.

Wie kamen Sie zum Flughafen?
Wir hatten Berichte gehört, wie belagert der Flughafen war. Deshalb haben wir im Gästehaus gewartet, nachdem klar war, dass die regulären Flüge nicht stattfanden. Als am Montag die Gerüchte umgingen, dass die ersten Bundeswehr-Maschinen wieder umdrehen mussten, kamen die ersten Zweifel, ob wir auch wegkommen. Am Dienstagmorgen erhielten wir die Nachricht, dass wir am selben Tag ausgeflogen werden sollten. In einem Auto des Roten Halbmondes sind wir durch die Stadt zum Flughafen gefahren worden, das war nochmal kritisch. Am Flughafen haben wir mit unseren Pässen gewunken und sind damit gut durch das Tor gekommen. Aber die Zustände waren unglaublich. So viele Menschen strömten zum Tor und versuchten, durch zu kommen. Die Menschen hatten Todesangst in den Augen, die Kinder schrien und weinten.. Auch den Bundeswehr-Soldaten war anzusehen, dass sie sehr betroffen waren durch die Situation.

Wohin sind Sie dann geflogen?
Zunächst nach Usbekistan. Wir saßen mit sehr gemischten Gefühlen in der Militärmaschine. Auf dem Flug, auf dem auch viele Frauen und Kinder waren, saß ein afghanischer Übersetzer mit seiner Frau, Kindern und der Tante hinter uns. Vor dem Abflug hat die Tante so geweint, dass ich sie erst mal in den Arm genommen habe und zusammen mit ihr geweint habe. Später ist sie zusammengebrochen und hatte kurze Zeit keinen Puls mehr. Die Kinder mussten alles mit ansehen, das war grausam. Sie hat mir als Dankeschön hinterher einen Ring geschenkt, den ich heute noch trage. In Usbekistan mussten alle einen Corona-Test machen, das hat Stunden gedauert. Dann ging es weiter nach Frankfurt, auch da mussten wir erst einen Corona-Test machen, alle wurden gründlich überprüft. Wir waren froh endlich am Mittwochmittag in unserer Dinslakener Zentralstelle angekommen zu sein.

Wie fühlen Sie sich inzwischen?
Langsam kommt der Adrenalinspiegel wieder herunter. Es dauert nach diesen Erlebnissen am Kabuler Airport einfach länger bis man zu Hause ankommt. .

Wie geht es nun weiter?
Das geplante Ausfliegen der Kinder am 31. August kann aufgrund der anhaltenden chaotischen Situation am Flughafen und der unsicheren Wege in die Provinzen nicht stattfinden. Wir müssen schauen, wie sich die Situation entwickelt. Aber wir haben vor, wenn die Taliban es zulassen, unsere Arbeit vor Ort fortzusetzen, der Roten Halbmond wünscht unsere Hilfe auf jeden Fall. Eigentlich sollten Ende August auch einige der wieder genesenen Kinder aus Oberhausen zurückgeflogen werden, das müssen wir erst mal aufschieben. Aber alle wollen zurück zu ihren Eltern.. Alle 17 afghanischen Kinder wollen nach ihrer Genesung zurück zu ihren Eltern. Und das ist auch das Ziel unserer Arbeit, sie wieder mit ihren Familien zu vereinen.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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