Dieser Käfer krabbelt weiter

Ein selten schönes Alltagsauto. Foto: Peter Hadasch
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VON MARC KEITERLING
Wer ältere Autos liebt, hat die Bilder aus dem Jahre 2009 noch gut vor Augen. Dutzende bestens erhaltener Fahrzeuge, an der Schwelle zum sogenannten „Youngtimer“ stehend, wurden damals in den Schrottpressen der Verwerter vernichtet. Einige Exemplare konnten gerettet werden. Auf Umwegen zwar, aber legal.

Die Abwrackprämie war eine staatliche Prämie in Höhe von 2.500 Euro, die in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wurde, wenn ein altes Kraftfahrzeug verschrottet und ein Neuwagen oder Jahreswagen zugelassen wurde. Die Prämie wurde 2009 im Rahmen des Konjunkturpakets II eingeführt. Sie wurde aus dem Investitions- und Tilgungsfonds finanziert, einem Sondervermögen des Bundes.
War also ein Neu- oder Jahreswagen mit Bezuschussung des Staates geordert, war die Fahrgestellnummer des alten Wagens nicht mehr zulassungsfähig. Lediglich in Teilen konnte das Auto noch verkauft werden. Aufgrund überquellender Schrottplätze wurde aber so manches rollendes Kulturgut fix gepresst.
Volker Clanzett, schon zuvor mit einem Herz für historisches Blech ausgestattet, bekam einen Wink: „Ein blauer Mexiko-Käfer war bei einem Verwerter gesichtet worden, mit einem offenbar bestens erhaltenen `Häuschen´. Dazu mit sehr guten Chromstoßstangen, sogar das Bordwerkzeug war komplett vorhanden. Da habe ich ohne lange nachzudenken zugeschlagen. Mir war selbstverständlich klar, dass ich den VW nicht zulassen kann, weil er aus der Abwrack-Aktion kam.“
Zur Erklärung der Fahrzeugbezeichnung: Der Käfer wurde in Wolfsburg bis 1974, in Emden bis 1978 gebaut. Danach importierte das Unternehmen auf Kundenbestellung den Wagen aus Mittelamerika, wo er bei Volkswagen de Mexiko letztlich bis Juli 2003 gefertigt wurde. Mit „Häuschen“ wird die Karosserie bezeichnet, die bei den VW´s dieser Jahre auf die Bodengruppe aufgeschraubt und nicht verschweißt wurde.
Clanzett: „Letztlich handelte es sich um eine sogenannte `Verkaufslackierung´. Bei genauer Betrachtung gab es dann doch einiges am Blech zu tun.“ Bevor der 43-Jährige dies in Angriff nehmen wollte, galt es aber die Frage nach der künftigen Verwendung zu klären. In der Nähe von Kassel fand sich die Lösung. „Dort wurde eine Bodengruppe angeboten, die mit einer noch verwendungsfähigen Fahrgestellnummer versehen war. Außer dem Boden war von diesem Auto nichts mehr vorhanden, die Nummer war aber auch das Entscheidende“, so Clanzett.
Zusammengezählt: Bodengruppe mit Fahrzeugbrief vorhanden, Karosse vorhanden. Der handwerklich versierte Oberhausener ging ans Werk. Mitten in diese Arbeit hinein, krabbelte es erneut vor der Tür. Ein weiterer Abwrack-Käfer lockte und wurde ebenfalls erstanden. Dieses Exemplar war zwar arg heruntergeritten, konnte jedoch durch eine Vielzahl von benötigten Ergänzungsteilen überzeugen. Volker Clanzett: „So habe ich einige Technik-Komponenten gebrauchen können und mein Teilelager ist insgesamt ordentlich sortiert.“ 18 Monate dauerte die „Produktion des Oberhausener Volkwagens“ insgesamt.
Beim Werk in Wolfsburg wurde zwischenzeitlich eine Fahrzeug-Identitäts-Urkunde angefragt. Entsprechend der Fahrgestellnummer lieferte das Werk damit alle erwünschten Informationen zur Bodengruppe. Der Käfer wurde in Mexiko am 20. November 1983 gebaut und am 11. Januar 1984 an das VW-Vertriebszentrum Rhein-Main ausgeliefert. Farbe: Marsrot, Ausstattung: Polsterkombination Schottenkaro schwarzweiß. „Für mich war sofort klar, dass es exakt diese Kombination wieder sein sollte“, unterstreicht Clanzett. Erfreulich erfolgreich verlief die Suche nach dem korrekten Gestühl, ebenso fand sich ein Lackierer, der den konventionellen Ein-Schicht-Lack auf dem „Häuschen“ platzierte.
Wie die sprichwörtliche Speckschwarte glänzt der Mexikaner. Kaum zu glauben, dass Clanzett ihn im Alltag auf stylistisch perfekt passenden Vredestein Classic-Reifen der Dimension 155 fährt: „Nicht bei Salz auf den Straßen, aber sonst immer. Der Lack wird regelmäßig eingewachst, sonst gibt es da nicht viel zu beachten.“ Weil immer noch gilt, was einst versprochen wurde: Dieser Wagen läuft. Und läuft. Und läuft.
Clanzett und sein Käfer laufen auch auf, wenn sich am letzten Augusttag des Jahres 2013 ab 10 Uhr in Sterkrade vor dem Technischen Rathaus erstmals die „Oberhausener Schätzchen“ treffen. Zu dieser Veranstaltung finden Sie mehr hier im Lokalkompass unter den Fotogalerien.

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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