Sterkrader Wald historisch
Von Münzfälschern und Sparkassenräubern

Zunächst zur historisch korrekten Klarstellung: Der Dunkelschlag ist nicht identisch mit dem Sterkrader Wald, auch wenn in Schmachtendorf und Umgebung seit Generationen beide Begriffe synonym verwendet werden. „Dunkelschlag“ war ursprünglich ein Begriff aus der Forstwirtschaft und ein ebensolcher Schlag war der Waldteil zwischen Hiesfelder und Weseler Straße. Ein „Schlag“ ist dabei forstwirtschaftlich der Waldbezirk, der zu einer bestimmten Zeit aufgeforstet und auch wieder abgeholzt (eben „geschlagen“) wurde. Entfernt man aus dem angelegten Schlag so viele Bäume, dass die verbleibenden sich mit den Spitzen der äußersten Äste berühren und in gleicher Entfernung bleiben, spricht die Forstwirtschaft vom „Dunkelschlag“.

Während der Sterkrader Wald heute vor allem Aufmerksamkeit durch den geplanten Ausbau des Autobahnkreuzes erhalten hat, war er auch in den Jahren zuvor Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung und Presseberichterstattung. Diese soll im Folgenden einzeln näher beleuchtet werden.

Die ältesten Presseberichte aus den 1850er Jahren befassen sich ausschließlich mit dem angebotenen Holz, das eben aus dem „Dunkelschlag“ geschlagen und über die regionale Presse entsprechend zum Kauf angeboten wurde. Um die Jahrhundertwende wurden vor allem Kinder davor gewarnt, sich ohne Schuhe in den Wald zu begeben, da „die warmen Tage auch die Kreuzottern, bekanntlich die einzigen Giftschlangen Deutschlands, aus ihrem Winterschlummer aufgeweckt“ haben und Kinder schon mehrere Exemplare im Sterkrader Wald gesichtet hätten.

Die Apachen von Hamburg

Geradezu filmreif aber war, was sich im September und Oktober des Jahres 1929 im Sterkrader Wald abspielte: Das Ruhrgebiet und das angrenzende Bergische Land wurde mit falschen Fünfmarkstücken überschwemmt, die Fälschungen nur sehr schwer zu erkennen. Herkunft des Falschgeldes: Eine Falschmünzerwerkstatt mitten im Wald. Ein Bergmann, ein Metzgergeselle und ein „Reisender“ aus Oberhausen hatten sich bandenmäßig zusammengefunden und stellten fortan Falschgeld her, indem sie sich „zu diesem Zweck einen geeigneten Platz im Dunkelschlagwalde bei Hiesfeld“ aussuchten und sich, nachdem sie das Material in den Wald geschafft hatten, „um Mitternacht an die Arbeit“ begaben. Der erste Herstellungsort war zu feucht, die Stücke gelangen nicht, man wechselte innerhalb des Waldes, bis ein geeigneter Platz gefunden war. Das Falschgeld gelangte bis Düsseldorf und Gelsenkirchen.

Doch als schließlich alles aufgeflogen und Falschgeldstücke sowie Herstellungsgeräte von der Kriminalpolizei aus dem Waldboden gegraben und sichergestellt waren, wurde die Geschichte zur richtigen Räuberpistole: Im Prozess 1930 gab der Metzgergeselle seine Tat zwar zu, erklärte jedoch, die Falschmünzerei nur studienhalber betrieben zu haben, schließlich sei er Filmautor und brauchte die Erfahrungen für seinen geplanten Filmroman „Die Apachen von Hamburg“. Die Richter am Oberhausener Schöffengericht zeigten wenig Verständnis für das künstlerische Ansinnen und schickte alle drei ins Gefängnis statt auf die Leinwand. Auf den Roman wartet die Nachwelt noch heute.

Ein Jahr später richteten sich Sparkassenräuber im Waldstück häuslich ein, von wo aus sie ihre Überfälle auf die Sparkassen in Hiesfeld und Friedrichsfeld planten. Sogar ein Motorrad hatten sie zu diesem Zweck in den Wald geschafft. Diese Verbrecherkarriere endete in einem Feuergefecht in Voerde und schließlich ebenfalls hinter schwedischen Gardinen.

Leider war die Polizei der damaligen Zeit nicht bei allen Verbrechen so unnachgiebig in der Strafverfolgung wie bei den vorgenannten Delikten. Die brutale Vergewaltigung dreier waldbeersammelnder Mädchen im Alter von 9 bis 11 Jahren im Jahre 1929 bleib ebenso ungesühnt, wie die Vergewaltigung einer Siebzehnjährigen ein Jahr zuvor. Im letztgenannten Fall konnte der Täter wenigstens ermittelt werden.

Autobahnbau in der NS-Zeit

Den letzten großen Auftritt in der Presselandschaft vor dem zweiten Weltkrieg hatte der Sterkrader Wald, als in den Jahren 1934 bis 1936 der Autobahnbau 30 Morgen Hochwald forderte und sich die Schneise in einer Breite von 26 Metern durch den Wald fraß. Der Duisburger General-Anzeiger stellte hierzu am 29. Juli 1935 fest: „Der Sterkrader Wald wird zwar durch die Autobahn in zwei Hälften geteilt, aber die Notwendigkeit war nicht zu umgehen.“ Andere Zeitungen äußern sich ähnlich schwammig. Die Formulierungen passen zum Dilemma, vor dem die nationalsozialistische Regierung in solchen Fällen stand: Einerseits den Fortschritt propagieren, andererseits den Wald als „Quelle allen Deutschtums“ zu stilisieren. Ein wirkliches Interesse am Wald hatte die NS-Regierung derweil nur, wenn es darum ging, den Ertrag zu steigern. „Wir müssen versuchen, soviel wie möglich aus dem deutschen Wald herauszuholen“, ist ein Zitat Hermann Görings überliefert.

Für die Schmachtendorfer Kinder dieser Zeit war der Autobahnbau eine willkommene Abwechslung: Sie schauten den großen Maschinen gern und neugierig bei der Arbeit zu. Findige Anwohner der Hiesfelder Straße wussten diesen Kinderansturm gut zu nutzen: Sie verkauften Eis aus dem Küchenfenster.

Heute sind all diese Geschichten längst Teil der Vergangenheit, der Wald ist erschlossen, seit 1950 ist er im Besitz der Stadt Oberhausen, die ihn für eine Million DM vom Freiherrn von Nagell als Erholungsraum für die Bevölkerung erwarb. Zeuge dieser vergangenen Zeit ist der gewaltige Baumstumpf am Bürgermeistersweg in der Nähe des Parkplatzes Hiesfelder Straße. Ob er, wie die Legende besagt, tatsächlich einmal der Grenzbaum zwischen den Gemeinden Hiesfeld und Sterkrade war, lässt sich heute nicht mehr final klären. Mit Blick auf alte Karten könnte es aber stimmen.

Autor:

Tobias Szczepanski aus Oberhausen

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