Stadtgeschichte, Industrie und Verkehr: Der Torbogen über die alte Duisburger Straße
Stadtgeschichte, Industrie und Verkehr: Der Torbogen über die Duisburger Straße
Vorwort: Relikte aus der Vergangenheit. Ja, das gab es mal und ist heute noch indirekt zu sehen. Der Torbogen wurde in den 1890ern gebaut. Es gibt, wie bei vielen anderen Dingen aus der Vergangenheit, keine Fotos oder detaillierten Hinweise über den Torbogen. Es existiert aber ein Foto, das den oberen Teil des Reliktes zeigt. In einigen Karten ist er auch eingezeichnet. Eine Akte mit Maßen zum Torbogen lag mir vor. Es war ein Entwurf mit statischen Berechnungen zum Torbogen. Eine Erzählung eines Hüttenarbeiters aus den 1950ern beschreibt das Szenario um den Torbogen. Eine schöne Geschichte, die viele Hinweise zu dem Torbogen und anderen Dingen gab. Diese Schilderung kannte ich schon viele Jahre, so wie das Relikt. Bis vor kurzem war ich noch nicht im Besitz der Akte und der Karten. So fügte sich die Erzählung sehr gut in die Karten und Fotos ein. Es ist wahrscheinlich für viele nicht so wichtig, aber ich finde den Torbogen interessant. Hier sieht man deutlich, wie eng Industrie und Leben zusammen hingen. Im Laufe der Jahrzehnte veränderte sich der Torbogen, leider konnte ich erst ab den 1950ern zeigen, wie er sich verändert hat. Wann und warum man es später wieder änderte, kann ich bedauerlicherweise auch nicht sagen. Vielleicht finde ich bei meinen Recherchen später noch etwas dazu. Das würde ich dann auch posten.
Eine etwas längere Beschreibung des Areals, damit ihr mal miterleben könnt, wie es früher einmal war, so kann man es sich etwas besser vorstellen. Die Karten und Bilder untermalen es nochmal zum besseren Verständnis. Nehmt euch bitte die Zeit dafür, es durchzulesen. Vielen Dank.
- Zeitungsbericht aus den 1900er. Die ersten Flugversuche am Schlackenberg. Hierüber berichten ich in einen eigenen Artikel.
- Karte 1895
- Karte 1901
- Der Torbogen 2024
- Der Torbogen und linker Flügel 2024
- Der Torbogen, Plateau und rechter Flügel
- Die Mauer vom Titelbild 1900 sind hier noch zu sehen 2020. Die Mauer ist mittlerweile zugewachsen.
- Ausschnitt vom Titelbild. Mauer am Wasserturm 1900
- Hier die Geschichte von Wilhelm aus dem Kahmen er war Pensionär und hatte bei der GHH, HOAG gearbeitet. In den 1950er hatte er darüber gesprochen.
Dort, wo in der Nähe der Zeche Oberhausen, der ehemaligen Zeche Königsberg, die Köln-Mindener Eisenbahn die Essener Straße kreuzt, wurde in den 1850er Jahren neben den Aufbereitungsanlagen und den Kokereien die ersten Hochöfen gebaut. Diese Anlagen machten eine Überbrückung der Eisenbahn notwendig. Gleichzeitig wurden die Abfälle der Hochöfen darüber hinweggeschlafft und jenseits der Eisenbahn abgelagert. Ob man diese Ablagerungen - Schlacken usw. mit der Steinhalde der Zeche vereinigen wollte, ist nicht bekannt. Die Besiedelung der Lipperheide hatte begonnen, und auf die Dauer wäre man - hätte man dies unberücksichtigt gelassen - bestimmt auf große Schwierigkeiten gestoßen. Deshalb übernahm man im Hinblick auf diese Tatsache zur Ablagerung der Hochofenschlacken im Laufe der Jahre mehr und mehr das große Gelände westlich der Mülheimer Straße, zwischen Duisburger Straße und Köln-Mindener-Eisenbahn. Die sumpfige Niederung war wie geschaffen zum Ankippen der Schlacke.
Der Schreiber dieser Zeilen wohnte in der Nähe des alten Walzwerks. Sein Schulweg führte acht Jahre lang, von 1881 bis 1889, an dieser täglich wachsenden Schlackenhalde vorbei. Die [ehemalige] Heerstraße (Meiderich-Steeler Provinziallandstraße, heute Duisburger Straße/Essener Straße), zog sich vom Walzwerk halblinks hin, wo jetzt das Werksgasthaus steht, und weiter, wo sich der Torbogen im Berg befindet, talwärts, lief etwa zwei Kilometer in schnurgerader Richtung bis zu der Kurve hinter der Glashütte Funke-Becker, und ging dann in eine wunderschöne Allee über. Die ersten 300 bis 400 Meter dieser Allee waren mit hohen, knorrigen, pyramidenartigen Schwarzpappeln gesäumt, weiterhin waren es hochragende Silberpappeln.
Karte 1893
Karte 1883
Gleich unterhalb der Kreuzung Mülheimer Straße lag links eine Schäferei inmitten eines Birkenwäldchens. Obwohl das Haupthaus noch bewohnt war, stand der große Schafstall leer. Mit der fortschreitenden Besiedelung der früheren Heidelandschaft zogen die Schafe ab. Weiter unterhalb lag ein idyllisches Schieferhäuschen in einem Obstgarten, von einer fast undurchsichtigen Hecke umgeben. Hier wohnte der Stallmeister des Walzwerkes, Steuber. Rechts an der Straße lag zuerst Ackerland, dann folgte dichtes Tannengebüsch bis zur Eisenbahn, die nach Sterkrade führte. Kurz vor der Eisenbahn war ein Viereck in den Tann gerodet und mit einem Zaun umgeben. Hier lag der Oberhausener Kommunalfriedhof. Jenseits der Eisenbahn, unweit des heutigen Schlachthofes, lag links die Schule Sektion IIIb, später Josefschule genannt. Rechts weiter im Gelände lag der Hammer Neu-Essen.
Wir Kinder von der Walz, so genannt, weil wir in der Richtung des Walzwerkes wohnten, mussten diesen Weg zweimal am Tag, morgens und nachmittags, zurücklegen, außer mittwochs und samstags nachmittags. Das Gebiet an der Walz, das zur Schule Sektion IIIb gehörte, erstreckte sich bis zur Zeche Oberhausen. Erst im Jahre 1888, als die Knappenschule bezugsfertig war, wurde die Essener Straße „halbiert“. Die Kinder, die östlich der Plackebahnstraße, der späteren Kasernenstraße und heutigen Hultschiner Straße, wohnten, gehörten nun zur Knappenschule, während das Gebiet westlich dieser Straße nach wie ‘vor zur Schule IIIb gehörte. (Ende der 1890er wurde aus Sektionen, wie man Oberhausen aufgeteilt hatte, die heutigen gebräuchlichen Adressangaben). So ist es zu verstehen, dass uns Kindern auf dieser Straße am Schlackenberg vorbei alle Vorkommnisse, fast jeder Baum und Zaunpfahl bekannt waren.
Das mühevolle Verladen und Kippen der Schlacken aus kleinen Loren, die auf flachen Wagen standen, hatte bald aufgehört. Die Betriebserweiterung der Eisenhütte machte auch einen größeren Abtransport von Schlacken notwendig. Damals begann in großem Maße, was man heute scherzhaft „Oberhausener Alpenglühen“ nennt. Die rot glühende Schlacke ergoss sich wie ein Lavastrom die Berghänge hinunter. Durch die dauernde Anschüttung kam aber der Berg der Straße immer näher, da wurde es schon gefährlich. Oft durchbrach die Schlacke die Umzäunung und blieb im Straßengraben oder gar mitten auf dem Fahrweg liegen. Beim morgendlichen Schulgang sahen wir häufig solche „Durchreißer“ auf der Straße. Wurde nach der Schulzeit abgeladen, so mussten wir einfach zusehen bis zum letzten Wagen. Die älteren Burschen sparten sogar schon mal die Notdurft während der Pausen auf, um auf dem Heimweg auf den heißen Schlackenbrocken einen Miniatur-Vulkanausbruch entstehen zu lassen.
Doch auch beim Abkippen zuzuschauen, war nicht ungefährlich. Von der rollenden Schlacke flogen manchmal kleinere Stückchen bis über die Straße hinweg. Es wurde Abhilfe geschaffen. Innerhalb der Abzäunungen wurde ein tiefer Graben ausgeworfen. Über diesen Graben kamen die Brocken nicht, sie blieben darin liegen und häuften sich an. Der Graben füllte sich stellenweise mit Wasser. Rollte nun ein glühend heißer Koloss da hinein, so gab es eine gewaltige Detonation und einen für uns Jungen interessanten Dampfschwaden. So kam der Berg in seiner ganzen Länge der Straße immer näher. Daher wurde sie am Wasserturm überbrückt. Rechts an der Straße konnten indessen die Ablagerungen fortgesetzt werden. Als auch hier der Schlackenberg ein großes Massiv angenommen hatte, wurde die Straße vom Walzwerk aus hinter den neu angeschütteten Berg her verlegt.
Die Bewohner der Schäferei mussten ausziehen, der Stallmeister Steuber seine kleine, stille Villa verlassen. Der Friedhofsgärtner Oskar Theile legte in der Straßburger Straße seine Gärtnerei an. Das Germania-Denkmal, das auf dem Friedhof stand, setzte man [1922] auf den Westfriedhof, und der zugemauerte Torbogen sperrte die Straße ab. Der große innere Raum füllte sich bald aus. Die schöne Pappelallee mit allem, was dazu gehörte, wurde unter der Schlacke begraben.
Hier endet die Erzählung.
- Ein Bild aus dem Jahre 1889
- Hier eine Collage mit Karten, die den Torbogen bis ins Jahr 1937 zeigen. Danach wird er nicht mehr verzeichnet.
- Luftbild-Collagen
- Luftbild-Collagen
Autor:Martin Grundmann aus Oberhausen | |
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