Schachfreunde Eisenheim

Gaststätte Heinrich Keuschen, Provinzialstraße (Sterkrader Straße), Ecke Kasernenstraße (Fuldastraße)
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  • Gaststätte Heinrich Keuschen, Provinzialstraße (Sterkrader Straße), Ecke Kasernenstraße (Fuldastraße)
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Schachfreunde Eisenheim

Eisenheim, die älteste Arbeiter-Siedlung im Ruhrgebiet, erbaut (1846-1901) von der Gutehoffnungshütte, ist seinerzeit Wohnstätte für Werktätige der Hütten- und Zechenbetriebe, Schmelztiegel für Zuwanderer, Lebensraum kinderreicher Familien und Ort gewachsener Sozialbeziehungen. Dort ist das Schachspiel in den 1920er und 1930er Jahren eine beliebte und kostengünstige Freizeitbeschäftigung. Viele Männer erlernen das Brettspiel als Soldat im ersten Weltkrieg. Zuhause bringen sie es den Söhnen bei. Gespielt wird in den Wohnungen, im Hofgang, an den Ställen oder in den Lauben der Gärten hinter den Häusern – wo es nach umgegrabener Erde und Komposthaufen, Kaninchenstall und Taubenschlag, Schweinestall und Misthaufen sowie nach Tabakrauch und Bier riecht.

Im Jahr 1931 entschließen sich die Schachspieler der Kolonie, ihrem Steckenpferd ein festes Zuhause zu geben und einen Verein mit dem Namen „Schachfreunde Eisenheim“ zu gründen. Das genaue Datum der Gründung ist unbekannt. Alle bekannten Mitglieder sind mittlerweile verstorben. Zur Darstellung der Vereinsgeschichte mussten Zeitungsberichte herangezogen werden.

Der früheste bekannte Artikel stammt aus dem örtlichen „Generalanzeiger“ und datiert vom 02.12.1931. Er gibt Nachricht von einem Schachwettkampf der „Schachfreunde Eisenheim“ gegen den „Schachklub Sterkrade“ im Lokal Neifer, Dorstener Straße. Darin werden folgende Eisenheimer Spieler genannt (Brettfolge): Heinrich Bressem, Johann Markovic, Adolf Bressem, Heinrich Spiller, Heinrich Wahl, Anton Pewny, Max Grachowski, Johann Merten, August Kaminski und Stanislaus Kubial. Alle Genannten wohnen in Eisenheim. Mit Ausnahme des selbstständigen Schuhmachers Heinrich Spiller und des Polizeianwärters Heinrich Bressem, sind sie Bergleute oder Hüttenarbeiter.

Zeitungsmeldungen nennen damals gewöhnlich nur die Familiennamen der Sportler; die Vornamen beruhen auf den Angaben nachgeborener Zeitzeugen wie Egon Spiller, Sohn des Heinrich Spiller, oder Helga Ringeler, geb. Bressem, Tochter des Adolf Bressem, sowie eigener Nachforschungen anhand alter Einwohner-Adressbücher. Egon Spiller und Helga Ringeler steuerten auch drei der hier gezeigten Fotos bei. Die Auffindung der frühesten Nachricht und 16 weiterer von den Eisenheimer Schachfreunden verdanken wir dem Oberhausener Schachhistoriker Erich Noldus, der im Stadtarchiv 25 Jahrgänge (1920-1945) von Tageszeitungen nach Meldungen über lokale Schachereignisse durchsah. „Ranneforths Schachkalender“ (Archiv: Hans-Jürgen Fresen, Bochum) verzeichnet den Eisenheimer Schachcluberstmals im Jahr 1932. Dort ist auch das Spiellokal genannt: Restaurant „Rininsland“. Das Einwohner-Adressbuch Osterfeld 1931-1932 nennt: „Rininsland, Konrad, Wirt, Provinzialstraße 34“.

Ein Lokalwechsel wird für das Jahr 1934 ersichtlich: „Ranneforths Schachkalender“ 1934 nennt das Restaurant „Keuschen“ an der Provinzialstraße; die „National-Zeitung“ berichtet am 04.02.1934 von einer Versammlung der Eisenheimer Schächer im „Westfälischen Hof“ – und von einem neuen Vorstand. Vereinsführer: Heinrich Spiller. Mitarbeiter: Georg Pierburg, Johann Markowitz, Theodor Bremmekamp und Heinrich Lenz.

Heinrich Bressem und sein jüngerer Bruder Adolf gehörten zu den Spitzenspielern des Vereins. Von Adolf Bressem ist überliefert, dass er bereits als Kind in Eisenheim das Schachspiel allein durch das Zuschauen bei den Erwachsenen erlernte. In drei Wettkampfberichten des Jahres 1933 („Generalanzeiger“) ist von dem jugendlichen Schachspieler Bressem die Rede. Im gleichen Zusammenhang wird sein Name zuletzt am 22.03.1936 in der „National-Zeitung“ genannt (Vorbericht zum Meisterschaftsspiel: SK Turm Osterfeld – Schachfreunde Eisenheim). Die Zeitschrift „Der neue Tag“ meldet am 20.10.1940: Dem Unteroffizier Adolf Bressem, Eisenheimer Straße 3c, wurde das EK (Eisernes Kreuz) verliehen. Nach dem 2.Weltkrieg wird Adolf Bressem als Kriminalbeamter Arbeitskollege von Heinz Bramhoff, damals stärkster Spieler des SK Turm Osterfeld 1921, tritt jedoch keinem Schachverein mehr bei.

Ein weiterer starker Spieler der Eisenheimer ist Wilhelm Kostelnik, Stadteinzelmeister Oberhausen 1937, damals wohnhaft an der Kottenstraße 1. Trotz intensiver Suche ist von ihm kein Bild auffindbar. Freunde und Verwandte des Wilhelm Kostelnik möchten sich diesbezüglich bitte bei mir melden.

Der „Generalanzeiger“ informiert am 02.04.1932: „In der B-Klasse des Schachbezirks spielen auch die Osterfelder Vereine: Schachklub Turm Osterfeld 1921, Schachklub Osterfeld 1926 und Schachverein (Schachfreunde) Eisenheim.“ Am 05.05.1932 folgt ein Bericht über den Schachwettkampf der Schachfreunde Eisenheim gegen den SK Turm Osterfeld 1921, den die Eisen-heimer mit 2:11 Punkten verlieren.

Dass der Schachsport, insbesondere während der nationalsozialistischen Herrschaft, nicht unpolitisch blieb, soll die nächste Meldung verdeutlichen. „Generalanzeiger Oberhausen“ vom 02.08.1933: „Gleichschaltung bei den Eisenheimer Schächern. Der Schachverein Schachfreunde Eisenheim hielt im Vereinslokal „Rininsland“ eine außerordentliche Versammlung ab. Der Vorsitzende Spiller machte die Versammlung mit den neuen Richtlinien des Großdeutschen Schachbundes vertraut und stellte dann mit dem Gesamtvorstand die Ämter zur Verfügung. Zum Führer des Vereins wurde dann einstimmig Richard Döring gewählt. Döring bestimmte folgende Spieler zu seinen Mitarbeitern: Stellvertretender Führer: Heinrich Spiller; Schriftführer und Propagandawart: Johann Markovic.“

Die „Richtlinien des Großdeutschen Schachbundes“ bedeuten: Verbot aller Vereine des Deutschen Arbeiterschachbundes und Ausgrenzung der katholischen Vereine. Verbot aller „wilden Vereine“. Ausschluss aller Kommunisten und aller Juden. Ablösung der alten Vereinsvorstände und Einrichtung einer neuen Leitung nach dem „Führerprinzip“. Wahl eines Mitglieds der NSDAP zum Vereinsführer oder Bestimmung eines solchen Führers von außerhalb.

Mit der Durchsetzung dieser Richtlinien ist der Schachkreisleiter Heinrich Bruns beauftragt. Auf der Jahresversammlung der Schachfreunde Eisenheim, Anfang Februar 1934, fällt ihm die Aufgabe zu, einen neuen Vereinsführer zu ernennen. Er ernennt Heinrich Spiller. Heinrich Bruns handelt auf Veranlassung der NSDAP-Kreisleitung. Propagandaleiter Hugo Döll verkündet am 04.02.1934 in der „National-Zeitung“ die Ziele der „Gleichschaltung“ und verlangt die bedingungslose Mitarbeit aller beim Aufbau des „neuen Staats“.

Die Schachfreunde Eisenheim können als „verspäteter“ Verein gelten; ob die Spieler zuvor Kontakt haben zu örtlichen Arbeiterschachvereinen – hier wäre in diesem Zusammenhang der Arbeiterschachclub „Eintracht“ Oberhausen (1923-1933) zu nennen –, ist unbekannt. In den revolutionären Jahren nach dem ersten Weltkrieg kommt es auch im Ruhrgebiet zu einer Gründungswelle von Schachvereinen; zugleich erfahren die Vereine ein hohes Maß an Politisierung. Den bürgerlichen Vereinen, einschließlich der katholischen, sind die Arbeiterschachvereine an Mitgliederstärke ebenbürtig. Letztere möchten den Schachsport in den Dienst des „Klassenkampfes“ stellen. Ab dem Jahr 1933 versuchen die Nationalsozialisten, alle Vereine nach ihrer politischen und ideologischen Gesinnung auszurichten.

Ein Bericht der „National-Zeitung“ nennt am 22.03.1936 die Namen zweier weiterer Eisenheimer Spieler: (Wilhelm) Röwer und (Karl) Steik. Die letzte bekannte Zeitungsmeldung stammt vom 10.11.1937; „Der neue Tag“ berichtet darin vom Abschluss der Oberhausener Stadtmeisterschaft im Schach und vom Sieg des Eisenheimers (Wilhelm) Kostelnik. Im Jahr 1938, Wehrmacht und Reichsarbeitsdienst haben bereits viele junge Männer eingezogen, stellen auch die Schachfreunde Eisenheim den Spielbetrieb ein.

Reinhard Gebauer

Autor:

Reinhard Gebauer aus Oberhausen

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