Sabine Moritz - verstörende Gemälde mit deprimierender Strahlkraft
Am Sonntag, 9.3.2014 um 11.30 Uhr wird die Ausstellung der deutschen Malerin und Grafikerin Sabine Moritz in der Von der Heydt-Kunsthalle Wuppertal eröffnet.
Das Museum versteht es, auch in Zeiten leerer öffentlicher Kassen mit wenig Personal aber dafür mit hohem persönlichen Engagement, in der Kunsthalle stets etablierte Gegenwartskünstler zu präsentieren. Im Rahmen des Programms zur Gegenwartskunst konnten mit der Firma Becker und der Firma Coroplast auch für diese spannende Ausstellung wieder Sponsoren aus dem Wuppertaler Raum gefunden werden, so dass die Realisierung einer neuen, überraschenden Ausstellung überhaupt erst möglich wurde.
Die Künstlerin Sabine Moritz vermittelt in fünf Museumsräumen, wie im Kopf abgespeicherte Erinnerungsbilder nicht nur ihr Werk sondern unser aller Erleben der Gegenwart beeinflussen.
Die Gemälde und Zeichnungen von Frau Moritz leben von der Ambivalenz von Malweise und Motiv. Ästhetisch schöne und handwerklich gut gemalte Gemälde erzählen von Krieg, Gewalt, Düsternis und Trostlosigkeit.
Sabine Moritz legt ihren Gemälden eigene Erfahrungen zugrunde, kleidet diese in eine allgemeingültige Form und weckt so durch vielfältige Assoziationsmöglichkeiten auch unser Interesse.
Sabine Moritz wurde 1969 in der DDR als Tochter eines Chemieingenieurs geboren und wuchs im Plattenbau-Viertel von Lobeda auf. Nachdem ihre Mutter einen Ausreiseantrag gestellt hatte, konnte die Familie zwei Jahre später ausreisen. Frau Moritz war damals 16 Jahre alt. Als 20-jährige begann sie ihr Kunststudium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und wechselte 1991 an die Kunstakademie Düsseldorf, wo sie zunächst bei Markus Lüpertz und später bei Gerhard Richter studierte. Nach ihrem Studienabschluss heiratete sie 1995 ihren Kunstprofessor Gerhard Richter, mit dem sie auch drei gemeinsame Kinder hat. Frau Moritz lebt seit 1994 in Köln.
Wie sie selbst sagt, hatte sie sich die Ausreise aus der DDR als Kind wohl auch selbst gewünscht, musste sich dann aber erst einmal mit dem für sie einschneidenden Wechsel ihrer Lebensumstände auseinander setzen.
Ihre Bleistiftzeichnungen aus den Jahren 1991/92 erscheinen wie eine Aufarbeitung der Kindheit. Dunkle Bleistiftlinien umkreisen, bezeichnen und bannen einzelne Objekte aus fernen Tagen quasi "Schwarz-auf-Weiß" aufs Papier. Die weitgehende Missachtung der Regeln von Proportion und Perspektive unterstreicht dabei noch die Aussage "Kindheit".
Im nächsten Raum finden wir Blumen und Häuser, gemalt in den Jahren von 2003 bis 2010.
Isolierte Blumen in zurückgenommener Farbigkeit scheinen kein Leuchten zu wagen, so sehr zieht der graue, düster wirkende, nicht ausgemalte Hintergrund das Motiv in seinen Bann. Die harmlosen Blumen vermitteln eine gespannte Ruhe, lassen mit ihrem "Grau" aber auch ein ungewisses Grauen erwarten.
Frau Moritz sagt, sie arbeite mit Erinnerungen an ihre Kindheit, an Familienmitglieder und Begebenheiten, mit Postkarten, Fotoalben und Pressemitteilungen, welche in ihrem Leben Spuren hinterlassen haben.
Man fragt sich, ob es im Leben von Frau Moritz keine schönen Erinnerungen gegeben hat.
Das Bild zweier Kinder beim Kanuausflug auf einem See gerät bei ihr nicht zum spaßigen Sommervergnügen, sondern zur gespannten Atmosphäre in Grautönen. Es gibt keine fröhlich gluckernden Wellen, sondern lockendes bleischweres Wasser. Während das vordere Kind noch ein Paddel festhält, klammert sich das hintere Kind nur fest. Man paddelt weg, weg von trostlosen Flachbauten, von kahlen Bäumen, hin in eine unbegrenzte Wasserfläche im Vordergrund.
Der Betrachter meint, eine geradezu expressiv anmutende Lebensangst zu spüren, die ambivalent aufgehoben wird durch einen leichten, tupfenden Farbauftrag. Dieser im Impressionismus entwickelte Maleffekt schafft aber auch keine Heiterkeit ins Bild zu bringen, zu sehr lastet die fast monochrome Farbigkeit in Grautönen und blassem Sepia.
Dann gibt es das Gemälde mit dem Titel "Binz" von 2003. Wer hier Ostseeromantik erwartet, kennt Frau Moritz schlecht. Ein großes tristes Gebäude füllt den hinteren Bildraum aus, im Vordergrund ist die Straßenkreuzung mit kahlen, gestutzten Platanen.
Wer schon mal selbst auf Rügen war erkennt die heutige Jugendherberge an der Strandallee wieder.
Nur während ich selbst diesen Ort als lebendig, farbenfroh und warm gestimmt in Erinnerung habe, erscheint das Erinnerte bei Frau Moritz menschenleer, gespenstisch kalt und in fast ausgeblichenen Grau-Ocker-Tönen.
Sie erzählt dazu, ihre Brüder seien dort zur Kinderkur gewesen und hätten ihr eine Postkarte mit der Hausansicht geschickt. Vielleicht habe sie auch dort sein wollen - sie wisse es nicht.
In den drei weiteren Museumsräumen hat sich Frau Moritz von Motiven aus der Vergangenheit gelöst und stellt sich der Gegenwart. Sie sagt, sie wisse nicht mehr genau seit wann, aber plötzlich seien diese Themen für sie aktuell gewesen: Krieg, Waffentechnik, Schiffe und Hubschrauber.
Durch die Transformation der Pressefotos auf die Leinwand schafft Sabine Moritz Distanz zum Motiv, verfremdet und überhöht es gleichzeitig.
In dem 2006 entstandenen Gemälde "Aurora" schwirren Kampfhubschrauber in geringer Höhe wie Libellen über eine Steppenlandschaft, im Vordergrund gibt durchschnittener Stacheldraht den Blick frei. Pastellfarben geben dem Bild etwas Weiches und Zartes.
Darf man Krieg, Aggression und Gewalt so ästhetisch schön darstellen? Spontan denkt man an die Krisenherde weltweit. Die Menschen erleben die existenzielle Bedrohung durch diese Waffentechnik sicherlich nicht so spielerisch leicht.
Frau Moritz sagt, sie will keinesfalls Ästhetisieren, sondern Waffentechnik in der Natur zunächst nur "neutral" darstellen. Sie thematisiert Gewalt und Grauen, indem sie konkrete Bildaussagen explizit weglässt. Jedes technische Gerät kann für Hilfs- und Rettungseinsätze ebenso benutzt werden wie für Zerstörung und Tötung.
Die Erinnerungen, welche die abgebildeten Objekte hervorrufen, sind im kollektiven Gedächtnis derart stark verankert, dass eine weitergehende Abbildung der Zerstörungshandlung nicht erforderlich ist. Man sieht den Kampfhubschrauber, den Flugzeugträger, die Militärlastwagen und schon assoziiert jeder Betrachter seinen eigenen Horrorfilm.
Sabine Moritz lässt uns in eine düstere Zukunft schauen.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen mit Texten von Gerhard Finckh, Magdalena Kröner, Jan Thorn-Pricker und Beate Eickhoff, Museumspreis 15 €.
Neben öffentlichen Führungen gibt es auch ein von Frau Dr. Eickhoff moderiertes Künstlergespräch am 27. April 2014, 15 Uhr, bei dem Sie Sabine Moritz selbst kennen lernen können (Kosten jeweils 6 € inklusive Eintritt).
Autor:Dorothea Weissbach aus Oberhausen |
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