Neue Trends in der Malerei: Sven Drühl
Sven Drühl beweist, dass Malerei auch Landschafts- und Architekturmotive jung und frech aufgreifen kann. Romantische Bergszenen oder idyllische Ansichten eines Laubwaldes kommen bei ihm entstaubt und in die heutige Bildsprache transformiert herüber.
Drühl verbindet klassische Motive mit sachlich kühler Interpretation, Realismus mit Abstraktion und traditionelle Malmittel mit Baumarktprodukten.
Wer ist dieser Mann, der die kitschig idyllischen Romantiker derart durchschüttelt?
Sven Drühl ist ein deutscher Künstler, der 1968 in Nassau / Lahn geboren wurde. Er studierte an der Universität GH Essen sowohl Kunst als auch Mathematik - eine Fächerkombination, die stutzig macht. Nach ersten Berufserfolgen erhielt er bereits als 29-jähriger einen Lehrauftrag für Kunst in Essen. Es folgten weitere Lehraufträge in Frankfurt, Dresden, Leipzig. Drühl lebt in Berlin und wurde 2011 Gastprofessor für Malerei in China.
Die aktuelle Drühl-Ausstellung in der Kunsthalle Wuppertal-Barmen präsentiert in fünf Räumen eine Auswahl seiner 2003 bis 2013 entstandenen Werke. Hier wird die Entwicklung der unterschiedlichsten Werkserien und Motivlinien sowie seiner außergewöhnlichen künstlerischen Technik erfahrbar.
Gleich im ersten Raum begrüßt und blendet den Besucher die neue blautonige Neonarbeit des Künstlers, basierend auf einem Gemälde von Ferdinand Hodler. Drühl's Werk trägt den Titel "F.H.".
Titel sind bei Drühl programmatisch, verweist er doch mit dem Kürzel jeweils auf die kunsthistorischen Vorlagen, derer er sich bedient.
Hodler war berühmt für seine alpenländischen Bergmotive in der Zeit der Romantik. Drühl bedient sich dieser Bildvorlage, drängt Hodlers Handschrift aber gänzlich zurück, nimmt den Bildaufbau bis auf die Konturen auseinander und schafft durch die rigorose Reduzierung bei gleichzeitiger Verwendung neuzeitlicher Materialien etwas gänzlich Neues.
Durch die geschickte kuratorische Anordnung der Exponate im Raum ergänzt sich das blaue Licht mit der akzentuierenden Weißlicht-Beleuchtung und lässt auf dem benachbarten großformatigen schwarzen Gemälde der Undead-Serie Lichtreflexe arbeiten, die je nach Betrachterwinkel variieren und eine bronzefarbene Oberfläche vorgaukeln.
Dieses Werk besteht aus verschiedenen Einzelmotiven, die auf Gemälden des deutschen Romantikers Casper David Friedrichs und Paul von Ravensteins wie auch auf Fotos von Alpenlandschaften basieren. Drühl verwendet hier Ölfarbe und Silikon auf Leinwand.
Er hat eine spezielle Technik entwickelt, die an konturierte Bleiverglasungen in Kirchenfenstern oder an die populären Fensterbilder aus Windows-Colour erinnern. Mit einer Konturenpaste, Drühl verwendet hierfür Silikon, werden Linien gezogen, welche Flächen definieren und begrenzen. Nach dem Erhärten des Silikons wird Ölfarbe pastos aufgetragen. Drühl hat hierfür aus Rot, Grün und Blau einen fast schwarzen Farbton gemischt. Beim Auftrag folgt der breite Pinselstrich den Konturvorgaben, formt Berghänge, modelliert das Gelände und deutet mit ruhigen horizontalen Strichführungen einen fernen Himmel an.
Auch die weißen Landschaftsbilder im Raum leben durch die Beleuchtungsreflexe. In der "Bastard-Serie" der Jahre 2001, 2005, 2013 verwendet Drühl Silikonlinien und weiße Lackflächen, die das Raumlicht reflektieren und so einen Kontrast zu den matten Flächen aus Grundierweiß bilden.
Fläche und Linie - mehr bedarf es nicht, um Landschaften zu suggerieren, die realistisch und zum Greifen nah wirken, aber bei näherer Betrachtung aus abstrakten plakativen Farbflächen zusammengestellt sind. Drühl schafft eben keine abbildhafte Fototapete, sondern ein intelligentes Zusammenwirken kunsthistorischer Motive mit realistischer gegenständlicher Formensprache bei abstrakter Flächigkeit. Der Pinselduktus verrät bei der Verwendung von Ölfarbe den Künstler hinter dem Werk. Sofern glänzender Lack verwendet wird, tritt die Künstlerhandschrift gänzlich hinter der glatten Oberfläche zurück.
Seit 14 Jahren experimentiert Drühl mit Öl, Lack und Silikon. Ineinander fließende, farblich abgestimmte Lacke wecken mit ihren gestischen Formen beim Betrachter die Erinnerung an bläuliches Wasser oder an rötliches Blattlaub. Die Komponente des Zufalls wird gegen die mathematische Präzision der filigranen schwarzen Lack-Übermalung ausgespielt. Der starke Kontrast bringt raumandeutende Tiefe ins Bild und lenkt die Assoziationen des Betrachters.
In Drühl's Architekturgemälden der grauen Serie spürt man den Mathematiker im Maler. Sachliche, kalte technische Formen von abstrakt aufgelösten Stahlkonstruktionen oder Gebäudeteilen stehen vor optisch zurücktretenden Wolkenlandschaften, welche aus Lack in Weiß-Blau-Grau-Tönungen suggeriert werden.
Wenn Drühl auch in Serien arbeitet, sind diese nicht in sich abgeschlossen. Er greift immer mal wieder auf Motive und Techniken zurück, die er in früheren Jahren benutzt hat, stellt diese neuen Arbeiten gegenüber.
Drühls Werk ist wie ein Cocktail - gemixt, geschüttelt, gerührt. Er benutzt Fotovorlagen neben Erinnertem und kunsthistorisch Zitiertem. Er re-interpretiert, lotet die Grenzen der Abstraktion aus, testet, was Fläche und Linie in Kombination mit traditionellen Ölfarben und dezidiert kunstfernen Materialien wie Lack und Silikon leisten können.
Wie Peter Forster es im Katalog beschreibt, erzeugt Drühl mit künstlichen Materialien ein künstliches Bild, das bewusst herkömmliche Repräsentationsstrategien unterläuft und die Oberfläche der Werke betont, indem es Tiefe negiert.
Bei aller Appropriation gelingt es ihm, diesem mixend-aneignenden Stil seinen eigenen Stempel auf zu drücken und überraschende Werke von hohem Wiedererkennungswert zu schaffen.
Anlässlich der Ausstellung ist ein Katalog mit Texten von Gerhard Finckh, Peter Forster und Loop Moss erschienen, 144 Seiten, 15 €.
Es werden öffentliche Führungen mit dem Kunsthistoriker Dr. Philipp Horst angeboten, Kosten 6 €.
Informativ und spannend wird sicherlich auch die Begegnung mit Sven Drühl persönlich im Künstlergespräch am Sonntag, 10.11.2013, 15 Uhr (Kosten 6 € inkl. Eintritt).
Hier bietet sich eine gute Gelegenheit, Sven Drühl näher danach zu befragen, wie er die Malerei mit ihrer illusionistischen Haltung attackiert und ihren herkömmlichen Herstellungsprozess ad absurdum führt.
Autor:Dorothea Weissbach aus Oberhausen |
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