Schmachtendorf
Gestern Pilsken, heute Cocktails: Die "Meier-Bude"

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Sie gehören in der kindlichen Erinnerung an das Ruhrgebiet einfach dazu und gehören zur aussterbenden Art: Die Rede ist von Trinkhallen. Freunde kommen und gehen, das erste Eis oder die erste Tüte Bonbons aber bleibt im Kopf. Und das über Generationen. Eine Institution der frühen Nachkriegszeit, die sich mit neuem Konzept die Zukunft erobert hat, ist in Schmachtendorf die Meier-Bude.

Idyllisch liegt sie, etwas zurückversetzt am Ende eines Platzes, der an der Kreuzung zwischen Oranien- und Flandernstraße liegt: Die Meier-Bude in Schmachtendorf, heute Pottshaker’s Cocktail-Kiosk. Früher lag sie mal an einer wichtigen Kreuzung, die Bergische Hufe war noch die Forststraße und verband sich hier mit der Dudelerstraße. Heute zeugen davon nur noch Luftbilder. Und die Erinnerungen in den Köpfen.

Zeitung für den Vater, Tabak für den Opa und stolze Kinderaugen mit der gemischten Tüte für zehn Pfennig, später dann das erste Moped, die erste Freundin und die Flasche Bier. Nach der Maloche schön das Feierabendbierchen genießen und der Blick in die bereitliegende Bild-Zeitung erzählt dem Besucher im kleinen Dorf aus der großen weiten Welt in einer Zeit, wo es noch kein Internet gibt: Präsident Kennedy ermordet, der Mond ist jetzt ein Ami, Deutschland ist Weltmeister, die Mauer ist offen. Jede Generation hat ihre Erinnerungen.

In der Blütezeit der Ruhrindustrie ist sie der Ort des Anstoßens nach Schichtende, in der Zeit des Zechensterbens Treffpunkt und Austausch: Was, wenn jetzt auch unser „Pütt“ dichtmacht? „Erst stirbt die Zeche, dann stirbt die Stadt“, steht 1997 auf einem Plakat der Bergbaugewerkschaft. Die Zechen sterben, die Stadt nicht, sie muss sich neu erfinden, wie auch die Trinkhallen, deren Bedeutung zunehmend schwindet. „Glückauf, der Steiger kommt“, heißt es im Steigerlied, aber der kommt nicht mehr und auch sonst wird das einstmals wichtige Trinkhallensortiment von Supermarkt und Tankstellen übernommen.

Irgendwann schließt auch die Meier-Bude nach verschiedenen Besitzer- und Betreiberwechseln. Der Platz bleibt leer, kurzzeitig ist eine Fußpflege untergebracht, kurzzeitig gibt es auch den Versuch, sie als „Meier-Bude 2.0“ wieder zum Leben zu erwecken. Kontinuität kommt erst ab 2021 wieder hinein, als Kevin Beigang mit seinem „Pottshaker“ einzieht. Die alte Bude wird gestrichen, aufgehübscht, kurz: wachgeküsst und zum Leben erweckt.

Wo früher Bier, Bonbons und Bildzeitung zum Repertoire gehörten, werden heute Cocktails angeboten – mit Erfolg. Schon das Logo vom „Pottshaker“ verheimlicht die frühere Bergbautradition nicht. Seine Cocktailkreationen, angelehnt an alte Eissorten, brachten ihn sogar ins Fernsehen. Auf den Feiern im Dorf ist sein Cocktailstand einer der am meisten besuchten, auch der Vorplatz wird wieder zum Leben erweckt: Freiluft-Kneipenquiz im Frühjahr und Sommer, sinnliche Weihnachtsbegegnung zur Winterzeit.

Die Meier-Bude in Schmachtendorf ist also sinnbildlich für das gesamte Ruhrgebiet: Um die Zukunft zu gestalten, muss man sich von Zeit zu Zeit verändern. Und so ist es im Leben: Freunde kommen und gehen, und manche kommen „anne Bude“ neu dazu, das erste Eis oder die erste Tüte Bonbons aber bleibt im Kopf. Beim Autor war es in den 90er-Jahren – Schumi war frisch gebackener Weltmeister und die Formel 1 hier wortwörtlich in aller Munde – ein Eis im Format eines roten Rennwagens, der nach Himbeere schmeckte. Oder Kirsche. Manche Erinnerungen verschwimmen in der Nostalgie eben doch.

Autor:

Tobias Szczepanski aus Oberhausen

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