Gedicht: Sehnsucht am Nikolaustag

Ich würde mich selber sehr tief verachten,
gelänge mir denn das Ignorieren,
übersäh’ ich mit Gleichmut jenes Schmachten,
jenes endlose Staunen und Stieren,
auf all’ die bunten Waren,
auf all’ den verlockenden Tand,
und die offene Hand eines Kindes,
das von all’ dem noch nie was gekannt.

Die Schaufensterscheibe birgt Buch und Heft,
mit gar manchen heit’ren Gestalten.
Wie gerne würd’ es das Puppenkind dort
in den eiskalten, klammen Händchen halten.
Es mischen sich Tränen mit beginnender Grippe,
am Straßenrand räumt jemand mit der Schneeschippe.
Die Dämmerung senkt sich und blinkende Lichter,
die fallen auf angespannte Gesichter.

Das Mädchen wendet sich und in den Augen
stehen viel Fragen, uns’re Antwort’ kaum taugen.
Selbst Nikolaus, dessen Ehrentag ist,
manch’ armes Menschenkind scheinbar vergisst.
Und das Mädchen zieht’s dünne Mäntelchen fester,
es würde sich wünschen, für sich und die Schwester,
ein einziges Mal, wie Familie Rade,
einen ganzen Kalender, voll mit Schokolade.

Tanja Herbst

Autor:

Edith Schülemann aus Oberhausen

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