Gedicht: Die Frau ist weg

Er sitzt still vor seinem Schreibtisch,
vor ihm an dem Kandelaber
brennen Kerzen, unruhig flackernd,
und er grübelt „wenn“ und „aber“.
Nach dem Streit, dem uferlosen,
ist sie fortgerannt mit Schimpfen,
seine angetraute Hälfte,
dabei muss die Katz’ zum Impfen.

Muss der Pudel hin zum Trimmen,
muss der Wellensittich baden,
muss der jüngste Sohn zum Schwimmen,
zum Geburtstag ist geladen
auch die kleine Tochter heute
und dann kommen noch die Leute,
um den Schrank zu reparieren
und das rost’ge Schloss zu schmieren.

Muss der Sperrmüll raus für morgen,
bei der Nachbarin was borgen,
muss die Post zu dem Notar.
Ach ja, richtig, denn da war
Noch der ries’ge Berg zu bügeln,
und der Übermut zu zügeln,
den die Kinderschar entwickelt,
Sohn heult laut, er sei bepickelt.

Muss der Kühlschrank ausgewaschen,
repariert die Jackentaschen,
muss wer – ohne laut zu fluchen –
nach verlor’nem Schlüssel suchen.

Muss man die Kartoffeln schälen
mit dem Wirsing sich abquälen,
alle wollen Kohlrouladen,
wo ist denn dafür der Faden?
Niemand hier besorgt die Eier,
morgen ist Geburtstagsfeier.
Großmama wünscht sich die Torte
mit dem Deko, feinster Sorte.

Dies muss alles, und noch mehr,
wer erledigt das nun, wer?
Denkt er, und macht sich von dannen,
denn es warten seine Mannen,
die Kollegen schon beim Sport.
Mutter ist noch immer fort.

Jeder fängt zu ahnen an,
wie viel sie jeden Tag getan.

T.Herbst

Autor:

Edith Schülemann aus Oberhausen

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