Gedicht: Der Trinker

Ein Mann, dereinst gesund und offen,
voll Power und mit Zukunftstraum,
der kam in schlechte Freundeskreise,
und man erkannte ihn bald kaum.

War einst ein liebenswertes Wesen,
mitfühlend, kollegial, gerecht,
der hockte nächtelang am Tresen
hat mit dem Kumpel durchgezecht.

Zuhause weinten Frau und Kinder,
die Mutter ward’ vor Kummer grau.
Der Vater sorgte sich nicht minder,
der Sohn war schon am Mittag blau.

Die Nachbarn fingen an, zu reden,
man sah nicht mehr den hübschen Mann.
Man pflegt Kontakte nur mit Fehden
und sieht ihn voll Verachtung an.

In lichten Augenblicken schien
sein Zustand ihm sehr wohl bewusst.
Doch um die Sucht zu überwinden,
hätte er lang in Kur gemusst.

So zogen sich die Jahre hin,
arbeiten konnt’ er längst nicht mehr.
Sein Leben schien ihm ohne Sinn,
das Herz war ohne Freude, leer.

Es schloss die Mutter ihre Augen
für immer, und es ward ihm klar,
wie sehr sie bang um ihn gelitten,
weil er so tief gesunken war.

Er nahm die letzte Kraft zusammen,
fand einen Arzt, der mit Verstand,
und Nächstenliebe ihn versorgte,
ihm war die Krankheit wohlbekannt.

Nachdem sechs Monate vergangen,
da schien’s, er habe es geschafft.
Er war nicht mehr der sieche Trinker,
er hatte wieder Mut und Kraft.

Er ging zu jedem Treffen derer,
die auch dem Alkohol entsagt,
und seine Frau, die so gelitten,
hat es mit ihm noch mal gewagt.

Tanja Herbst

Autor:

Edith Schülemann aus Oberhausen

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