Ludwiggalerie Schloß Oberhausen
Fotografien von Barbara Klemm: Schwarz-Weiß ist Farbe genug
Barbara Klemm ist eine der bedeutendsten Fotografinnen der Nachkriegszeit. Für die Ausstellung "Schwarz-Weiß ist Farbe genug - Fotografien 1967 bis 2019" in der Ludwiggalerie Schloß Oberhausen hat sie ca. 150 Fotografien ausgesucht und deren Hängung persönlich begleitet. Es ist eine beeindruckende Schau geworden.
Seit den 1960ern dokumentiert Barbara Klemm mit ihrer Kamera politische und kulturelle Ereignisse weltweit und vor allem in Deutschland. So ist denn die Ausstellung auch eine Reise in die deutsche Nachkriegsgeschichte. Die Ausstellung beginnt mit Aufnahmen zu den Studentenrevolten in den 1960er Jahren, mit Fotos von Politikern bei Parteitagen, von Wahlsiegen und Wahlniederlagen. Von 1970 bis 2005 ist Barbara Klemm als Redaktionsfotografin für die Ressorts Politik und Feuilleton bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der FAZ, fest angestellt. Sie reist in die DDR, fotografiert zum Thema Leipziger Messe oder bei den Arbeiterfestspielen Erfurt. Neben den offiziellen Terminen findet sie noch Zeit, ihre persönlichen Motive im DDR-Alltag festzuhalten. Sie begleitet die politische Annäherung zwischen Ost und West. Intensiv hält sie die Ereignisse rund um den Mauerfall und die Wiedervereinigung fest. Alle Fotos in schwarz-weiß und ohne Blitzlicht. Falls nötig, kann sie in der Dunkelkammer die Tonwerte korrigieren.
Bildikonen der Zeitgeschichte
Viele ihrer Fotografien sind zu Bildikonen geworden und haben sich in unser Gedächtnis geprägt. Da ist zum Beispiel der sozialistische Bruderkuss beim Treffen von Leonid Breschnew und Erich Honecker in Ost-Berlin 1979. Doch anders als ihr Kollege, der den Kuss mit einem Teleobjektiv aufnimmt, fängt sie die gesamte Szenerie ein.
Ein symbolträchtiges Foto gelingt ihr beim Treffen von Breschnew und Brandt 1973. Breschnew besucht als erster sowjetischer Staatschef die Bundesrepublik - ein Ausnahmeereignis. Auf dem Foto erkennt man zuerst Brandt. Breschnew sitzt eingereiht unter Beratern, Dolmetschern, Politikern, die sich um ihn und Brandt beugen. Das Ganze wird zu einem Gruppenbild, das die Ostpolitik jener Zeit widerspiegelt.
Das Gespür für eine besondere Situation und der schnelle, sichere Blick für die Komposition eines Fotos ermöglichen ihr im passenden Augenblick auf den Auslöser zu drücken. So gelingen ihr Momentaufnahmen, die das damalige Zeitgeschehen dokumentieren und die bis heute nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren haben.
Jedes Foto erzählt Geschichte, hat aber zugleich auch eine eigene Entstehungsgeschichte. Beim Presserundgang weiß Barbara Klemm zu jedem Foto noch ganz genau wie es entstand. Es ist ungemein spannend, ihr zuzuhören. Es ist anstrengend gewesen gute Fotos zu machen. Nach einem Fototermin hätte sie sich häufig so gefühlt als hätte sie Kohlen geschüppt, meint sie lächelnd. Eine Portion Glück war manchmal auch dabei.
Als Wolf Biermann 1976 in Köln auftritt, steht sie hinter der Bühne, anders als ihre Kollegen, die ihn frontal aufnehmen wollen. Als sich Biermann dann plötzlich umdreht, völlig überwältigt von so viel Zuspruch und Applaus, kann sie ihn mit seinem Publikum im Rücken fotografieren. Wieder einmal,- wie so oft bei ihr, sagt hier ein Foto mehr als tausend Worte.
"Who is who" in der Portraitfotografie
Als sie zufällig Andy Warhol im Frankfurter Städel entdeckt, weiß sie ihre Chance zu nutzen. Das dann entstandene Foto mit dem eher unbeholfenen Andy Warhol vor Tischbeins Gemälde „Goethe in der römischen Campagna“ zeigt einmal mehr, wie stimmig ihr Gefühl für Komposition ist. Das Foto mit Andy Warhol gehört zur Reihe der Portraits von Künstler/innen. Ein Highlight der Ausstellung. Hier reihen sich prominenente Namen aus verschiedenen, kreativen Metiers aneinander: Simone de Beauvoir, Elfriede Jelinek, Golo Mann, Ernst Jünger, Richard Serra, Joseph Beuys, Neo Rauch, Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll und viele andere. Bei diesen Aufnahmen konnte sie sich mehr Zeit nehmen, besuchte sie die Portraitierten doch meist in deren privatem Umfeld oder Atelier.
Ihr Interesse an Menschen mit kreativen Berufen sowie ihr Blick für Komposition kommen nicht von ungefähr. 1939 in Münster geboren, wächst Barbara Klemm mit fünf Geschwistern in Karlsruhe auf. Hier hat ihr Vater, der Maler Fritz Klemm, eine Professur an der Kunstakademie. Auch ihre Mutter Antonia, Gräfin von Westphalen, hat Malerei studiert. Barbara Klemm absolviert eine Ausbildung in einem fotografischen Portraitstudio. Bereits mit 19 Jahren geht sie nach Frankfurt und arbeitet als Klischografin im Fotolabor der FAZ. Schon bald übernimmt sie kleine Reportagen. Es dauert nicht lange und ihre Fähigkeit bleibt bei der FAZ nicht unentdeckt. 1970 wird sie als Redaktionsfotografin für die Ressorts Politik und Feuilleton fest angestellt. Diese Tätigkeit übt sie bis zu ihrem Ruhestand 2005 aus. Bis zuletzt fotografiert sie analog und in schwarz-weiß. Mehrfach wird sie für ihre Arbeiten ausgezeichnet, u.a. mit dem Dr. Erich Salomon Preis der Gesellschaft für Photografie. Barbara Klemm ist aufgenommen in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Neben vielen Preisen und Auszeichnungen ist sie Mitglied der Berliner Akademie der Künste. Als Honorarprofessorin lehrte sie an der Fachhochschule Darmstadt.
Rückblickend sagt Barbara Klemm, dass man ihr als Frau diesen Beruf nicht zugetraut hätte. Offensichtlich eine Fehleinschätzung. Sie empfand es als Vorteil, konnte sie doch so unbehelligt arbeiten und mit ihrem Talent und Können alle überraschen.
Zur Ausstellung ist ein Booklet erschienen
Laufzeit vom 22. Januar bis 07. Mai 2023
Infos zum Besuch der Ausstellung und zum Rahmenprogramm
unterwww.ludwiggalerie.de
Die Fotos entstanden während des Presserundgangs
Weitere Infos unter den Bildunterschriften
Viel Vergnügen beim Anschauen und beim Besuch der Ausstellung!
Autor:Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg |
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