Der schöne Schein - Gasometer im Licht der Kunst

Der schöne Schein - Gasometer Oberhausen | Foto: Frank Gebauer
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Oberhausen – „Der schöne Schein“, so lautet der fast schon philosophisch gewählte Name der neuen Ausstellung im Gasometer Oberhausen.
Was ist schön? Was scheint schön zu sein? Wie haben sich die Betrachtungsweisen der Schönheit im Laufe der Jahrhunderte verändert?

Genau diesen Themen widmet sich die Ausstellung, die den Bogen über die künstlerischen Betrachtungsweisen des Himmels und der Natur an sich, des menschlichen Körpers in all seiner Sinnlichkeit, die in Schönheit gefasste Verklärung des Todes und der Vergänglichkeit, sowie über die Schönheit im Schreckens spannt.

Die auf hochglanzformatigen Fotodrucken oder als Gipsabdruck ausgestellten Exponate wollen einen Eindruck darüber vermitteln, wie sehr sich die Betrachtungsweisen der Schönheit im Laufe der Jahrhunderte verändert haben und an sich doch immer gleich geblieben sind. Angefangen bei der Himmelsscheibe von Nebra, bis hin zu modernen Künstlern wie Picasso oder Klimt spannt sich der Bogen über Bilder, die sich im kollektiven Gedächtnis unserer Zivilisation eingebrannt haben. Rubens, Dürer, da Vinci, Rembrandt, Marc, Dalí, Caspar David Friedrich, Hieronymus Bosch, Pieter Bruehgel der Ältere alle – und sogar noch viele weitere ebenbürtige Künstler – sind hier vertreten. Ein besonderes Highlight dürfte die Sixtinische Kapelle darstellen, die an der Decke der untersten Ebene angebracht wurde und die vom Boden aus auch mit einem Spiegel erforscht werden kann. Aber nicht nur in Öl gebannte Kunstwerke, sondern auch ein paar Fotografien haben es in die Ausstellung geschafft, wie etwa das berühmte afghanische Mädchen von Steve McCurry.

Wer nun kritisch anmerken mag: Aber dies alles sind ja nur Repliken und das echte – authentische – alter Gasometer Ausstellungen würde fehlen, dem sei gesagt, dass ich mich diesem Fakt auch erst mit ein wenig Skepsis genähert habe. Aber spätestens als ich es wagte den Abstand zwischen mir und den Bildern zu verringern, haben mich gerade diese Repliken in ihrem Bann gezogen.
Aug in Aug mit Nofretete zu stehen ist selbst bei einem Abguss etwas besonderes. Und hier gibt es keine großen Schlangen vor ihrer Büste, wie ich dies bei einer Besichtigung des Originals auf der berliner Museumsinsel erwarten würde. Und auch wenn ich im Auge der Mona Lisa keine geheimen Botschaften entdecken konnte, so ist es doch gerade der Fakt, dass man hier jeden Abstand zu den riesigen Bildern – die meist um einiges größer sind als das Original – auf ein Minimum verringern kann ein immenser Anreiz in diese Ausstellung zu gehen. Kann man hier doch jeden Farbtupfer des Künstlers betrachten. Man sieht wo er geschludert hat, sieht wo Hilfslinien gezogene wurden, kann die brilliante Farbgebung etwa in Rubens „Haupt der Medusa“ bewundern, wird auf die Patina der über die Jahrhunderte entstandenen Risse in der Ölfarbe aufmerksam, oder vertieft sich staunenden Blickes in wunderbare Kleinigkeiten, die bei mehr Abstand dem Auge des Betrachters entgangen wären. Allein dies ist schon Grund genug die Ausstellung zu besuchen, denn selbst wenn man das ein oder andere Bild aus seinen eigenen Favoriten vermissen mag, so wird man mit zehn anderen wunderschönen Kunstwerken dafür entschädigt. Doch wäre der Gasometer nicht der Gasometer, wenn es nicht einen weiteren Höhepunkt geben würde.

Das Highlight einer jeden Ausstellung im Gasometer, ist immer jener Moment, indem der Besucher die letzte Treppe besteigt, sich der riesige Raum mit den über hundert Meter hohen Wänden öffnet und einem die Ausmaße dieser einstmaligen Kathedrale der Montanindustrie gewahr werden.
Bisher hat es noch jedes dort angebrachte Exponat geschafft den Besucher mit Staunen zu erfüllen, oder ihn zum Träumen anzuregen. Und die gigantische Lichtinstallation der bremer Künstlergruppe Urbanscreen sollte sich nahtlos in die Reihe dieser Höhepunkte einreihen. Nicht wirklich verwunderlich, wenn man weiß, wie sehr sie die Oper von Sydney 2012 (Vivid Sydney) verzaubert haben. Ich habe dies zwar nur vom Fernseher aus betrachten können, aber selbst das hat mir schon die Kinnlade herunter klappen lassen und hier sollte dies nicht anders sein. Eine 320° Installation lässt den Besucher, durch seine fast Rundumsicht, in immer wieder neue und von spährischen Klängen begleitete, sich stetig verändernden abstrakt aber nicht unbedingt gegenstandslos gehaltenen, sich stetig bewegenden und verwandelnden Kunstwerken aus absichtlich in schwarz-weiß Kontrasten gehaltenen Linien und Punkten aufgehen. Doch sie reichen um die Architektur des Gasometers scheinbar zu verändern, ihm Vorsprünge und Vertiefungen zu geben oder in eine windumspielte Textilie zu verwandeln. Dann tanzen tausende von Punkten, scheinbar ziellos und von brownscher Molekularbewegung angetrieben im Raum, die sich plötzlich zu geometrisch festgelegten Punkten bewegen, sich zu Strichen verformen, die wie Dominosteine aufeinander reagieren. Der Betrachter verliert sich in Raum und Zeit, geht mit den Bewegungen mit, bevor er sich wieder im Gasometer findet, aber nur um sich dann erneut zu verlieren. Die Künstlerguppe nennt dies Lumentektur – wie mir die überaus charmante Janna Schmidt von Urbanscreen verriet – ein Begriff der auf ebenso einfache, wie poetische Weise widerspiegelt, worum es sich dabei handelt. Ein durch Licht (LUMIneszenz) verwandeltes Stück Architektur. Und es war nicht einfach diese düsteren Wände in ein Kunstwerk aus Licht zu verwandeln, dazu benötigte es – außer der Kreativität der Künstler – eine Menge Know-how und zudem modernste Technik.

Um ein Fazit für diese Ausstellung zu ziehen:
Das altbewährte bewährt sich aufs Neue. Die großen Präzisionsdrucke sorgen bei mir zum wiederholten Male für staunende Blicke. Und auch Urbanscreen versteht es den wunderschönen und europaweit einmaligen Ausstellungsraum in einem völlig neuem Licht erstrahlen zu lassen. Wer das verpasst ist selber Schuld.

Eintrittspreise:
Erwachsene 9 EUR, ermäßigt* 6 EUR
Öffnungszeiten:
10-18 Uhr
(Kassenschluss: 17:30 Uhr)
http://www.gasometer.de

Text: Bernd Badura
Bilder: Frank Gebauer

Autor:

Bernd Badura aus Oberhausen

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