Bella Italia - Historische Fotografien und Gemälde in Wuppertal

Dr. Ulrich Pohlmann vom Münchener Stadtmuseum, Sammlungsleiter Fotografie, erläutert ausgewählte Fotografien
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Sie haben noch keinen Urlaub gebucht? Kommen Sie doch mit auf die klassische Italien-Route der Bildungsreisenden früherer Jahrhunderte!

"Italien ist eine Sirene, die leicht auf immer fesselt, wen sie in ihren Arm gelockt hat" schrieb schon 1903 der Reiseführer der Edition Mayer in "Mit dem Rundreisebillett durch Italien".

Die Ausstellung "Bella Italia" im Museum Von-der-Heydt in Wuppertal lässt vom 10.7.2012 bis zum 9.9.2012 historische Reiseerlebnisse nacherleben.

Das mediterrane Italien - kaum eine andere europäische Kulturlandschaft hat in den vergangenen Jahrhunderten auf Künstler, Schriftsteller und Gelehrte eine vergleichbare Faszination ausgeübt.
Die Schönheit der Natur und das reiche Kulturerbe zogen Reisende aus nördlichen Breiten schon früh in ihren Bann. Dabei wurden nur zu gerne ökologische und soziale Missstände ausgeblendet, wenn nur die romantisierende Stimmung des "dolce far niente" erhalten blieb.

Johann Wolfgang von Goethe schrieb 1787 in sein Reisetagebuch "Italien ohne Sicilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist der Schlüssel zu Allem".
Auf Goethes Spuren entwickelte sich der Reisetourismus - zunächst kamen wagemutige Alleinreisende, wie z.B. der Marquis de Sade 1776, Theodor Fontane 1874 und Friedrich Nietzsche 1876. Schon bald folgten organisierte aber immer noch beschwerliche Rundreisen bis in den Raum Neapel.
Die klassische Route einer Bildungs- und Vergnügungsreise verlief über Norditalien mit Verona, Turin, Mailand, Genua und Venedig nach Florenz, Rom, Neapel und Pompeji.
Der Süden Italiens und Sizilien wurden wegen der beschwerlichen Anreise (es gab noch keine Eisenbahnlinien), den Choleraepidemien (vgl. den Roman "Tod in Venedig"), der Gefährdung durch Naturkatastrophen (z.B. Vulkanausbrüche des Vesuvs bei Neapel und des Ätnas auf Sizilien) und möglichen Überfällen durch vagabundierende Räuberbanden nur gelegentlich aufgesucht.
Erst mit dem Aufkommen der organisierten Gruppenreise durch Reiseveranstalter änderte sich ab 1870 das Reiseverhalten auf der "Grand Tour". Inzwischen waren auch Reiseführer in Buchform auf dem Markt, die Besichtigungsvorschläge und Verhaltenstipps gaben.

Die aktuelle Ausstellung "Bella Italia" folgt den Stationen der klassischen "Grand Tour". Sie zeigt aber auch im Kapitel "Risorgimento" den wechselvollen und langwierigen Prozess der politischen Einheit Italiens seit 1815 (Neuordnung der Machtverhältnisse in Europa im Wiener Kongress nach der Abdankung Napoléons) über die Einigungskämpfe unter Führung von Giuseppe Garibaldi und die Ausrufung des Nationalstaates Italien als konstitutionelle Monarchie 1861 bis zu den Kolonialkriegen in Abessinien (Äthiopien).

Vom 10.7. bis zum 9.9.2012 werden 210 Originalfotografien und Gemälde aus dem Zeitraum von 1815 bis 1900 präsentiert.
Die Gemälde aus der Sammlung des Von der Heydt-Museums sind in der Spätromantik, also einer Zeit vor Erfindung der Fotografie, entstanden.
Die historischen Fotografien, von mehr als 50 der bedeutendsten in- und ausländischen Fotografen aufgenommen, stammen aus der Sammlung Dietmar Siegert und aus der Sammlung Fotografie des Münchener Stadtmuseums.
Der Diplom-Fotoingenieur Dietmar Siegert sammelt seit der 1970er Jahre Fotografien mit einem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert und konnte im Ausstellungskontext die Werkgeschichte verschiedener Fotografen der Frühzeit rekonstruieren.
Die Münchener Fotosammlung zählt mit einem Bestand von über 850.000 Fotografien zu den führenden fotografischen Sammlungen in Europa.

Dr. Gerhard Finckh, Direktor Von der Heydt-Museum, erklärt, dass die von ihm, Dr. Pohlmann und Dietmar Siegert konzipierte Ausstellung bewusst einen Dreiklang aufbaut.
1. Die frühen Fotografien kontrastieren mit den romantischen Gemälden: Es geht um die Frage, welches das realistischere Medium ist.
2. Die Fotografien stehen aber auch in Wechselwirkung mit den Gemälden: Die frühen Fotografen wählen gezielt Aufnahmestandorte nach gemalten Landschaftsansichten aus. Fotografie wird Hilfsmittel der Maler, sie wird Erinnerungsstütze für Gemäldekompositionen. Effekte wie Koloration sind mit den damaligen technischen Mitteln noch nicht machbar - der Maler muss nachträglich mit Aquarellfarbe "handkolorieren". Und wenn sich bewegende Motive wie z.B. Schiffe aufgrund der langen Belichtungszeiten nicht mehr erkennbar sind, wird der Grafiker bemüht, der die fotografierte Hafenansicht mit eingezeichneten Schiffen "nachbearbeitet".
3. Fotografie und Gemälde werden durch Poesie ergänzt: Auf großen Wandtafeln zeigt die Ausstellung Zitate früher Reisender und Empfehlungen der damaligen Reiseführer. Wenn man die Fotografien und Reiseberichte miteinander vergleicht, dann stehen diese häufig in einem Spannungsverhältnis zueinander. Während die Schriftstücke auch von der täglichen Mühsal des Reisens berichten, blenden die Fotografen Eindrücke wie Schmutz, Lärm und die Folgen der modernen Urbanisierung weitgehend zugunsten eines harmonischen antiquarischen Erscheinungsbildes aus.

Dr. Ulrich Pohlmann, Sammlungsleiter Fotografie beim Münchener Stadtmuseum, erläutert anschaulich, wie sich die frühe Fotografie technisch entwickelte.
Angefangen hat alles mit der Daguerreotypie (1837 bis ca. 1860). Eine silberbeschichtete Kupferplatte wurde lichtempfindlich gemacht, indem sie Joddämpfen ausgesetzt wurde. Bei der Belichtung entstand ein latentes Bild, das anschließend über Quecksilberdämpfen sichtbar gemacht wurde. Fixiert wurde in einer Salzlösung, um die verbliebenen unbelichteten Silbersalze aufzulösen. Die so hergestellten Unikate bestachen zwar durch Brillanz und Detailzeichnung, konnten aber nicht vervielfältigt werden.
Mit der Kalotypie (1839 bis ca. 1850) wurde ein Negativ/Positiv-Verfahren entwickelt. Die Empfindlichkeit des Papiers wurde gesteigert, indem unmittelbar vor der Belichtung in der Kamera das Blatt mit einer Silbergallonitratlösung eingestrichen wurde. Nach einer Belichtungszeit zwischen 10 Sekunden und 10 Minuten entstand das noch nicht sichtbare Bild. Dieses entwickelte sich erst nach erneutem Auftragen der Silbergallonitratlösung und musste fixiert werden. Von den so entstandenen Negativen konnten im Auskopierverfahren immerhin schon beliebig viele Positive hergestellt werden.
Die Ausstellung zeigt, welche unterschiedlichsten Tonwerte sich bei der Verwendung von Albuminpapier (1850 bis ca. 1900) ergaben - gestochen scharfe Bildern auf braunrotem Bildton, der sich durch eine Goldtonung zu Braunviolett ändert. Die Bildweißen sind gelblich verfärbt.
Salzpapierabzüge (1840 bis ca. 1860) sind die frühesten Positive. Nach der Fixage konnte eine Goldtonung erfolgen, die den rotbraunen Bildton in violettbraun veränderte, die Bildweißen blieben weiß. Durch ein Experimentieren mit der Belichtungszeit konnte der Bildton zu neutral grau-schwarzen Tönen oder einem Stich ins Bläuliche verändert werden. Allen Salzpapierabzügen ist ein nicht ganz scharfes Abbild mit einer poetisch weiche Stimmung eigen.
Dr. Pohlmann verweist auf allerneuste Tendenzen amerikanischer Fotokünstler, diese alten Spezialtechniken wieder aufleben zu lassen.

Eine hochinteressante Ausstellung, die Erinnerungen an den eigenen Italienurlaub aufkommen, Landschaften und Genreszenen wiedererkennen und mit der erinnerten Gegenwart vergleichen lässt.
Zudem verblüfft es jeden Hobbyfotografen aus dem Zeitalter der digitalen Bilder, wie eine alte Fotoausrüstung aussieht, wie das kiloschwere und zerbrechliche Equipement transportiert wurde und mit welchen chemischen Mitteln, Beleuchtungszeiten und Papiersorten experimentiert wurde, um solche Prachtstücke zu erhalten, die auch heute noch nichts von ihrer Frische eingebüßt haben.

Der zur Ausstellung erschienene Bildband im Vierfarbendruck gibt die differenzierten Tonwerte der historischen Fotografien sehr gut wieder und enthält auch Informatives zur Geschichte der Fotografie.

Am Sonntag, den 8.7.2012 wird die Ausstellung um 11.30 Uhr eröffnet. Zur Eröffnung sprechen Dr. Gerhard Finckh, Direktor Von der Heydt-Museum, und Dr. Ulrich Pohlmann, Münchener Stadtmuseum, Sammlungsleiter Fotografie.

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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