Karfreitag

- Liebe Schwestern, liebe Brüder!
der Karfreitag mit seiner Liturgie ist kein Tag, der Freude vermittelt.
Da ist dieser Mensch Jesus, welcher Verrat, einen unfairen Prozess und die Verurteilung zu einem grausamen Tod, Verspottung und die unsäglichen Qualen der Hinrichtung erlebt.
Während die anderen Evangelisten den Menschen Jesus mit all seiner Angst, Furcht und Schmerz schildern, legt Johannes in der heutigen Passion bereits den Schwerpunkt auf den liebevollen, souveränen göttlichen Christus.
Das ändert nichts an dem eigentlichen Geschehen: Nämlich der menschlichen Heimtücke und unvorstellbaren Grausamkeit der Menschen, welche Jesu Tod zu verantworten haben und das auf perfide Weise umsetzen.
Doch bei allem Leid, das Jesus ertragen musste, erleiden auch die Menschen die ihm verbunden sind, tiefste Verzweiflung und größte seelische Qualen .
Denken wir an Maria, die Mutter Jesu!
Denken wir an Maria von Magdala, Simon Petrus, an die anderen Jünger und Weggefährten Jesu!
Welches Leid müssen sie ansehen, aushalten!
Ihnen wird der Boden unter den Füßen entzogen.
Schauen wir auf die Geschichte der Menschheit und ganz besonders jetzt auf die aktuellen Kriegsereignisse in der Ukraine, so scheint sich in dieser Welt nichts verändert zu haben.
Und bei vielen Menschen kommt im Angesicht der menschlichen Grausamkeit, im Angesicht von schweren Krankheiten, Naturkatastrophen
die Frage auf, warum lässt der ach so gütige Gott all das Leid dieser Welt zu?
Ich habe im Laufe meines beruflichen Lebens leider eine ganze Reihe
von schlimmen Schicksalen gesehen.
Vor einigen Jahren wurde ich zu einem Einsatz in Hemer gerufen, wo mir ein drei Wochen alter Säugling leblos übergeben wurde.
Das gesamte Team kämpfte jedoch vergeblich um das Leben dieses Kindes.
Als ich letztlich die Eltern in den Rettungswagen bat und die Todesnachricht überbringen musste, fiel der verzweifelte Vater weinend auf die Knie und rief in tiefster Verzweiflung:
„Mein Gott, warum tust du mir das an?“
In solchen Momenten spürt man nur noch Verzweiflung, Hilflosigkeit, ja Gottesferne.
Im letzten Männerkreis haben wir uns über Gottesbilder ausgetauscht und festgestellt, dass diese Frage, die sogenannte Theodizee Frage Menschen
an Gott zweifeln lassen kann, ja, bis hin zur Abwendung an den Glauben
an einen guten Gott!
Wie kann ein Gott das Böse in der Welt zulassen?
Wo bleibt die schützende Hand Gottes bei Naturkatastrophen?
Warum lässt Gott schwere Krankheit und schweres Sterben zu?
Diese Fragen sind nicht neu,doch immer wieder aktuell.
Ich bin sicher, diese Gefühle, diese Ohnmacht haben auch damals die Betroffenen unter dem Kreuz des hingerichteten Jesus in voller Brutalität erlebt.
Wenn wir die Liturgie dieses Karfreitags feiern, dann werden wir an unsere Glaubensgrenzen herangebracht.
Bei den Evangelisten Markus und Matthäus wird in der Sterbeszene Jesu berichtet, dass dieser in seiner Todesnot als letzte Worte sprach: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Diese Worte aus Psalm 22,2 drücken für mich am eindrucksvollsten die Stimmung des Karfreitags aus.
Dieses Gefühl der Gottesferne, die Momente der Nichtanwesenheit von Gott in unserem Leben hat auch Jesus durchlitten.
Lassen sie uns als Gemeinde St.Martin diesen Tiefpunkt
als Teil des Lebens akzeptieren in dem Bewusstsein, dass wir unseren Glaubensweg nicht allein gehen müssen.
Denn der Karfreitag ist nicht das Ende.
Sondern der Anfang!
Amen
(Diakon i. E. Dr. Werner Heisig) - Foto: Robert Geßmann
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