FH Dortmund
Bessere Blutdruckbestimmung mit dauerhaftem Monitoring
Eine neue, bessere Methode zur Blutdruckmessung hat Fabienne Sahl entwickelt und damit den ersten Master-Abschluss des jungen Studiengangs Biomedizinische Informationstechnik an der FH Dortmund erreicht.
Zunächst eine Korrektur: „Blutdruckmessung“ ist genau genommen der falsche Begriff, denn für eine Messung müsste der Blutdruck direkt innerhalb der Arterie ermittelt werden. Das passiert aber nur während Operationen und auf Intensivstationen. Alle anderen Methoden, die den Blutdruck von außen abnehmen, heißen deshalb korrekt „Schätzung“.
► Fachbereich Informationstechnik
► Studiengang Biomedizinische Informationstechnik (Master)
► Studiengang Biomedizintechnik (Bachelor)
Das gilt auch für die bekannteste Methode mit der aufblasbaren Manschette um den Oberarm. Die besitzt einen großen Nachteil: Der für die Schätzung nötige Luftdruck presst die Arterie zusammen, sodass zwischen einzelnen Schätzungen mehrere Minuten vergehen müssen, damit die Gefäße sich wieder auf die normale Größe ausdehnen können. Die Ermittlung einer Blutdruckkurve, also die lückenlose zeitliche Abbildung des pulsgetriebenen Blutkreislaufs, ist damit nicht möglich.
Weil diese Kurve aber viele wichtige Informationen über das Herzkreislaufsystem und den Gesundheitszustand der untersuchten Person bergen würde, wäre eine einfache und zuverlässige Methode zu ihrer Schätzung für Ärzt*innen sehr hilfreich.
Ihre Aufgabe: Die Formel finden
Hier setzt Fabienne Sahls Forschungsidee an. Als Signalempfänger dienen drei Sensoren am Oberarm. Diese messen den Druck, der sich beim Puls durch das Ausdehnen der Arterie durchs Gewebe nach außen ausbreitet. Sahls Aufgabe bestand unter anderem darin, eine Formel (mathematisch: eine „Übertragungsfunktion“) zu finden, mit deren Hilfe sich die empfangenen Signale in eine medizinisch brauchbare Blutdruckkurve umwandeln lassen.
Fabienne Sahl bediente sich dafür eines „tiefen neuronalen Netzwerks“ der künstlichen Intelligenz, kurz: einer KI. Vereinfacht gesagt, speiste sie die KI mit den Daten der Drucksensoren. Die KI passte dann die Übertragungsfunktion an, sodass diese wiederum auf Grundlage der Drucksignale den Blutdruck schätzen konnte. Gleichzeitig ermittelte Fabienne Sahl den Blutdruck mit der bereits anerkannten, zuverlässigen „Volume-Clamp-Methode“. Anschließend verglich sie die Blutdruckschätzung mit den Volume-Clamp-Werten und justierte die Funktionsweise der KI nach – sodass die Übertragungsfunktion Blutdruckschätzungen durchführen kann, die mit den Volume-Clamp-Werten übereinstimmten.
Viele Vorteile und ein Hindernis
Die Suche nach einer einfachen, zuverlässigen Methode zur Schätzung der Blutdruckkurve beschäftigt viele Forscher*innen weltweit. So wurden in den vergangenen Jahren einige hoffnungsvolle Methoden gefunden, darunter auch einige KI-gestützte, doch sie alle haben den einen oder anderen Nachteil: zum Beispiel einen zu großen Datenhunger oder intransparente Rechenwege.
Fabienne Sahls Methode besitzt den Charme, von diesen Nachteilen deutlich weniger stark betroffen zu sein. Zudem erlaubt die Übertragungsfunktion Rückschlüsse auf die individuelle Beschaffenheit des Oberarmgewebes, die aus medizinischer Sicht wertvoll sind.
Die Methode ist ein vielversprechender Ansatz – und das Ergebnis einer erfolgreichen Masterarbeit –, aber noch nicht ausgereift. Als Pferdefuß erwiesen sich die Sensoren, deren Daten sehr störanfällig sind. Doch das könnte sich bald ändern: In ihrer Promotion an der FH Dortmund möchte Fabienne Sahl die Lösungsansätze, die sich aus ihrer Masterarbeit ergeben, ausarbeiten.
► Promotionskolleg der FH Dortmund
Referenz: Die Volume-Clamp-Methode
In ihrer Arbeit diente Fabienne Sahl die Volume-Clamp-Methode als Referenz. Diese funktioniert über eine Blutdruckmanschette am Finger, die sich mit Luft füllt. Anders als bei der Oberarmmanschette passt sich der Luftdruck dem Pulsschlag an, sodass er den Schwankungen in der Arterie präzise entgegenwirkt und dadurch der Druck zwischen Manschette und Arterie durchgehend gleichbleibt. Doch auch diese Methode, die unter den nicht-invasiven Varianten als genaueste gilt, hat Nachteile: So ist mit ihr zum Beispiel kein dauerhaftes Monitoring möglich, weil auch durch sie die Arterien zusammengedrückt werden.
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