Eltern-Kind-Beziehungen
Ohne Vater wird man kein richtiger Mann? Falsch!
Ein Junge kann ohne Vater zu einem glücklichen Mann heranwachsen. Ein Junge kann ohne Mutter zu einem glücklichen Mann heranwachsen. Diese Schlussfolgerungen legt ein Forschungsprojekt von Prof. Dr. Katja Nowacki nahe, das vielfältige Familiengefüge in den Blick nimmt.
In einem Forschungsprojekt untersuchte Prof. Nowacki, Dekanin des Fachbereichs Angewandte Sozialwissenschaften der FH Dortmund, in Kooperation mit Prof. Dr. Katja Sabisch von der Ruhr-Universität Bochum die Einstellungen junger Männer mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zu Gender und LSBTIQ.
Unerwartetes Ergebnis
Dabei ergaben sich überraschende Erkenntnisse über die Beziehungen junger Männer zu ihren Eltern. Prof. Nowacki: „In der Studie haben wir rund 1000 junge Männer befragt, darunter auch Studierende der FH Dortmund, wie zufrieden sie mit ihrer Männlichkeit sind.“ Die Fragen lauteten beispielsweise: Verstehen Sie sich als typischen Mann? Würden Ihre Peers, also Ihre gleichaltrigen Freund*innen und Bekannte, es in Ordnung finden, wenn Sie sich mit Sachen beschäftigen würden, die eher als Mädchen- beziehungsweise Frauensachen gelten? Wie viel Druck spüren Sie von Ihren Eltern und Ihren Peers, dass Sie sich wie ein „typischer Mann“ benehmen sollen?
Weitere Fragen zielten darauf ab, wie die Befragten ihre Beziehungen zur Mutter und zum Vater bewerten. Ergebnis: Je positiver sie diese Beziehungen beschrieben, desto zufriedener sind sie auch mit ihrer Männlichkeit. Das sei zunächst nicht verwunderlich: „Wir wissen aus der Bindungsforschung, dass positive Beziehungen zu Eltern und Peers dazu führen, dass junge Männer weniger Druck verspüren und weniger die Sorge haben, kein richtiger Mann zu sein“, ordnet Prof. Nowacki ein. „Aber erstaunlich am aktuellen Ergebnis ist Folgendes: Dieser positive Effekt ist bei Müttern nicht schwächer als bei Vätern.“
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Mütter können alles – Väter auch
Die Beziehung zur Mutter habe sogar einen noch größeren Effekt auf die Zufriedenheit als die anderen Beziehungsformen. Das liege vermutlich zum Teil daran, dass die Mütter nach wie vor meist die wichtigste Bezugsperson für junge Männer sind. Dennoch lasse sich daraus Folgendes ableiten: „Wenn eine positive Beziehung zur Mutter einen ausreichend starken positiven Effekt auf die Männlichkeit des Sohnes hat, dann ist die tradierte Gewissheit, nur der Vater mache einen Jungen zum richtigen Mann, falsch.“
Das spreche ausdrücklich nicht gegen Väter, unterstreicht Prof. Nowacki. Aber es zeige, dass Kinder, die nur bei der Mutter oder bei zwei Müttern aufwachsen, sich genauso gut entwickeln können wie andere. Das Gleiche gelte für Kinder von nur einem Vater oder von zwei Vätern.
Elternrollen sind divers
Für die Frage, ob ein junger Mann mit sich zufrieden ist, zähle daher im Wesentlichen die Qualität der Beziehung zur primären Bezugsperson oder zu den primären Bezugspersonen, die die Bedürfnisse abdeckt bzw. abdecken, die in der klassischen Rollenverteilung auf Mutter und Vater verteilt sind – unabhängig vom Geschlecht.
Es gibt noch eine weitere Konsequenz. Gegner*innen von Gleichstellung und Gleichberechtigung argumentieren oft, dass Frauen keinen beruflichen Erfolg anstreben sollten, weil sie in der Familie für die Kindererziehung gebraucht würden. Auch dieses Klischee sieht Prof. Nowacki widerlegt: Die Überwindung der klassischen familiären Rollenverteilung sei keine Bedrohung für die Entwicklung der Kinder – zumal die klassische Rollenverteilung nicht genetisch festgelegt sei, sondern viel eher eine Folge der Sozialisation.
Zur Studie
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts haben Prof. Dr. Katja Nowacki, Prof. Dr. Katja Sabisch (Ruhr Uni Bochum) und Dr. Silke Remiorz (FH Dortmund) als Buch herausgegeben: „Junge Männer in Deutschland. Einstellungen junger Männer mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zu Gender und LSBTI“ ist erschienen im Springer Verlag, ISBN 978-3-658-39234-5.
Der eigentliche Zweck des Projekts war die Prüfung eines Vorurteils: nämlich dem, dass Männer mit Migrationshintergrund Frauen und Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen tendenziell feindlich begegnen. Ergebnis: Das Vorurteil stimmt nicht. Gründe für ein derartiges Verhalten sind vielmehr die Zugehörigkeit zu einer Minderheit, Armut, Integrationsdruck und Perspektivlosigkeit – aber nicht der Migrationshintergrund.
Das Forschungsprojekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
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